Für Thorsten Franz steht heute ein Großauftrag an: 3,5 Tonnen wiegt die Lieferung am Ende. Dafür hat er anderthalb Tage Zeit. Der 24-Jährige arbeitet als Lagerist bei Steinigke Showtechnic in Waldbüttelbrunn bei Würzburg. Nach fünf Jahren im Betrieb ist der Auftrag für den Großkunden Routine für ihn. Trotz seiner Lerneinschränkung.
Wenige Menschen mit Behinderung am ersten Arbeitsmarkt
Nach der Förderschule war für ihn schnell klar: "Für die Werkstatt war ich zu fit." Sein Ziel: der erste Arbeitsmarkt. Dank einer Berufsqualifizierungsmaßnahme hat er diesen Schritt geschafft. Damit ist der 24-Jährige einer von ganz wenigen in Bayern: Nur 2,3 Prozent der Menschen mit Schwerbehinderung im erwerbsfähigen Alter wurden im Jahr 2022 auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Damit machen schwerbehinderte Menschen nur 4,9 Prozent aller Beschäftigten in Bayern aus. Alle anderen arbeiten in Werkstätten oder sind arbeitslos. Der Sozialverband VDK Bayern kritisiert das: "Die Arbeitgeber verbauen sich dadurch schon heute viele Beschäftigungsoptionen in den Betrieben." Die Potenziale von Menschen mit Behinderung würden nicht ausreichend genutzt, heißt es auf Nachfrage.
Beratungsangebote für Arbeitgeber
"Ein großer Anteil der Arbeitgeber ist skeptisch oder vorsichtig. Oder hat sich noch nicht näher mit der Option befasst, Menschen mit Behinderung anzustellen", sagt Susanne Niederhammer. Sie leitet den Integrationsfachdienst (ifd) in Würzburg. Hier ist auch die Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) angesiedelt. Solche Ansprechstellen sind seit 2022 bundesweit gesetzlich vorgeschrieben, damit sich Arbeitgeber dort zu mehr Inklusion im eigenen Betrieb beraten lassen können. Da ist nämlich noch Luft nach oben, wie aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Bisher kommt die Inklusion am Arbeitsplatz nur schleppend voran.
Gesetzesänderung seit dem 1. Januar: Erhöhung der Ausgleichsabgabe
Denn eigentlich müssen bei Arbeitgebern mit mehr als 20 Angestellten mindestens fünf Prozent der Belegschaft Menschen mit Schwerbehinderung sein. In Bayern schaffen das nicht einmal 40 Prozent der Arbeitgeber. Der Rest muss die sogenannte Ausgleichsabgabe zahlen – bis zu 360 Euro pro Monat je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz. Neu ist seit Januar dieses Jahres: Wer überhaupt niemanden mit einer Schwerbehinderung angestellt hat, zahlt ab sofort doppelt so viel Ausgleichsabgabe: 720 Euro. Doch zeigt dies Wirkung?
Zur Grafik: Gesetz für Inklusion
"Grundsätzlich wird die Gesetzesänderung das Problem nicht lösen. Betriebe, die sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt haben, ärgern sich über die Beitragserhöhung, das Thema kriegt eher einen negativen Touch – und am Ende öffnen sie sich trotzdem nicht für mehr Inklusion", befürchtet Susanne Niederhammer. Auch der Sozialverband VDK in Bayern sieht Nachbesserungsbedarf: Vor allem die mit der Gesetzesänderung gestrichene Bußgeldregelung für Arbeitgeber, die gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen, müsse zurückgenommen werden. Echte Lösungen wären dagegen sowohl für den VDK als auch für Niederhammer: mehr Beratungsangebote für Betriebe, mehr Weiterbildungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderung und eine bessere Vermittlung zwischen beiden.
Arbeitgeber von Thorsten: Chance geben, lohnt sich
Die erste Palette hat Thorsten mittlerweile fertig bepackt. Hier ist man froh, den 24-Jährigen zu haben, sagt René Wehrmann, der den Logistikbereich leitet. "Wir gucken, wie läuft die Probezeit, wie passt er ins Team. Zeugnisse sind eher zweitrangig." Thorsten arbeitet zuverlässig und eigenständig – ihm wurde deshalb sogar eine Ausbildung zum Fachlageristen hier angeboten.
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