Sechs Meter hoch ist der Konzertsaal im Erdgeschoss des künftigen Gemeinde- und Kulturzentrums. Klezmer Musik – natürlich – aber nicht nur, soll hier erklingen. Felix Gothart, Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde lacht. Er möchte hier auch Musik von jüdischen Komponisten aufführen lassen: "Giacomo Meyerbeer und Jaques Offenbach, klassische und moderne jüdische Musik, um die Vielfalt zu zeigen."
Israelitisches Kulturzentrum: Hier sollen sich Menschen treffen
Noch ist der weiß gestrichene Raum ohne Mobiliar. Das Holzparkett liegt noch verpackt auf einer Palette, Gerüste stehen herum. Immerhin die Lampen hängen schon. Am anderen Ende des Gebäudes, der ehemaligen Markgräflichen Münze, liegt ein zweiter großer Raum, quasi das Gegenstück: für Kunstausstellungen. Im Haus soll es lebendig zugehen.
Es wird noch bis zum Herbst dauern, bis das Kulturzentrum eingeweiht wird. Eigentlich hätte es schon fertig sein sollen. Doch Probleme bei der Renovierung des fast 300 Jahre alten Hauses, Schwamm im Mauerwerk, Schwermetalle im Boden, verzögerten die Fertigstellung.
Etwa 900 Quadratmeter Nutzfläche wird es haben, auf drei Etagen. Unten für Kunst und Museales, darunter auch die Genisa, die historische Schriftenablage für nicht mehr benutzte religiöse Texte. Für Gespräche und Begegnung zwischen Menschen aller Konfessionen oder ohne. Im ersten Stock die Räume für die jüdische Gemeinde: für Feste, für Unterricht, für Gemeindetreffen. Ganz oben, unter den freigelegten, historischen Dachbalken, schließlich eine Reihe von Gästezimmern.
Jüdische Gemeinde war fester Bestandteil der Stadt
300 Menschen zählt die jüdische Gemeinde in Bayreuth derzeit, berichtet Felix Gothart. Bereits im Mittelalter lebten Juden in der Stadt, es folgte eine Phase der Vertreibung, dann, im Jahr 1759, wurden wieder Juden durch Markgraf Friedrich hier angesiedelt. Moses Heckel, der – wie es damals hieß – Hofjude des Markgrafen, dem die Geldbeschaffung oblag, zog auf dessen Drängen von Erlangen nach Bayreuth. Mit ihm zehn weitere Familien, denn zehn Männer brauchte es für eine jüdische Gemeinde. Das war die Bedingung Heckels für seinen Umzug, erzählt Bezirksheimatpfleger Günter Dippold.
Im selben Jahr begann der Bau der Synagoge in der Münzgasse, schräg gegenüber der Münze, dem heutigen Kulturzentrum. Die jüdische Gemeinde in Bayreuth erlebte in den folgenden Jahrzehnten einen Aufschwung. Ebenso wie die Stadt, die von den engagierten und tüchtigen jüdischen Mitbürgern profitierte, berichtet Dippold weiter. Bis zur Zeit des Nationalsozialismus.
Nach 1933 folgten Ausgrenzung, Diskriminierung, Vertreibung und Emigration. Nach 1945 wurde die Gemeinde durch Rückkehrer, Zuwanderer und sogenannte Displaced People – heimatlos gewordene Menschen – wieder aufgebaut. Der letzte Schub kam in den 90er-Jahren durch Auswanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, ergänzt Gemeindevorsteher Gothart.
Wagner, Chamberlain, Gauhauptstadt – Aufarbeitung der Nazizeit
Die Synagoge, die älteste noch genutzte in Deutschland, wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 verwüstet, aber nicht niedergebrannt. Die Nazis fürchteten, dass ein Feuer auch das angrenzende Markgräfliche Opernhaus zerstören könnte, berichtet Heimatpfleger Dippold. Sie ist nun das Zentrum der israelitischen Kultusgemeinde, die neben Bamberg die Bedeutendste in Oberfranken ist. Zusammen mit dem Kulturzentrum bildet sie künftig ein Ensemble.
Dazu gehört auch die Mikwe, das Badehaus mit fließendem Wasser, gespeist aus einem Brunnen. Nicht weit davon, am Sternplatz, ist das akustische Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden aus der einstigen Gauhauptstadt Bayreuth im Straßenboden eingelassen.
Dort stand bis 1945 das "Braune Haus" der NSDAP, die dafür wiederum das Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Familie Pfefferkorn enteignete. Die Stadt stelle sich ihrer Vergangenheit, meint Felix Gothart, arbeite diese immer mehr auf. Auch mit dem geplanten Dokumentationszentrum im Wohnhaus des Rassentheoretikers und Schwiegersohns von Richard Wagner, Houston Stewart Chamberlain.
Jüdisches Leben ist sichtbar in Bayreuth
"Jüdische Existenz war immer zusammen mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft, nie dagegen, nie daneben. Deshalb ist es wichtig, dass hier wieder ein starker Punkt jüdischen Lebens gesetzt wird. Es gehört zu Bayreuth", bekräftigt Bezirksheimatpfleger Günter Dippold. Denkmal, Synagoge und Kulturzentrum bilden künftig ein lockeres, gleichzeitig auch prominentes Ensemble im Umfeld des UNESCO-Welterbes Markgräfliches Opernhaus. Eine vielfältige Kulturmeile wächst mitten in Bayreuth. Die Jüdische Gemeinde hat einen Ort der Erinnerung, einen Ort des Glaubens und künftig einen offenen Ort der Kultur.
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