Einseitig, intransparent, bürokratisch – so lautet das Urteil der AfD-Landtagsfraktion über "Demokratie leben!". Das Förderprogramm des Bundesfamilienministeriums unterstützt nach eigenen Angaben Projekte, Vereine und Initiativen, die sich "für ein vielfältiges und demokratisches Miteinander" sowie "gegen Radikalisierungen und Polarisierungen in der Gesellschaft" einsetzen.
Damit soll nach dem Willen der AfD bald Schluss sein: In einem Dringlichkeitsantrag fordert die Fraktion die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für einen sofortigen Förderstopp einzusetzen. Begründung: "Demokratie leben!" werde seinem Ziel, der Radikalisierung entgegenzutreten, nicht gerecht. In dem Antrag, über den der Europaausschuss des Landtags heute berät, heißt es: Das Auswahlverfahren zur Förderung von Stiftungen, Vereinen und Projekten sei "vollkommen intransparent" und beruhe auf "willkürlichen Entscheidungen" des Bundesfamilienministeriums.
AfD kritisiert Ungleichbehandlung von Rechts- und Linksextremismus
Die AfD beruft sich auf einen Bericht des Magazins "Focus" vom vergangenen Jahr und schreibt: "Die Ausgaben für den Kampf gegen Rechtsextremismus waren dabei bis zu 17 Mal höher als die für den Kampf gegen Linksextremismus." Mit einer ähnlichen Begründung hatte die AfD im vergangenen Jahr bereits gefordert, die Mittel für den Bayerischen Jugendring zu kürzen.
Das Programm "Demokratie leben!" gibt es seit 2015 und wurde erst zu Beginn des Jahres verlängert. Bis 2032 sollen jährlich mehr als 180 Millionen Euro in Projekte in ganz Deutschland fließen, insgesamt also knapp 1,5 Milliarden Euro.
Bayerischer Jugendring kann "nur den Kopf schütteln"
Für die bayerische Jugendarbeit sei das Programm "von ganz besonderer und zentraler Bedeutung", sagt Philipp Seitz, Präsident des Bayerischen Jugendrings. Sein Verband könne über den AfD-Antrag nur den Kopf schütteln. Die Jugendarbeit sei "Werk- und Wirkstätte der Demokratie", so Seitz. In Jugendverbänden lernten junge Menschen, wie Demokratie funktioniert.
Als Vorsitzender des Stadtjugendrings Regensburg habe er eine schulübergreifende Jugendzeitung ins Leben gerufen, "wo es darum ging, junge Menschen ganz niedrigschwellig mit Politik, mit Demokratie in Verbindung zu bringen. Auch dafür haben wir Gelder von 'Demokratie leben!' bekommen." Ohne diese Mittel hätte das Projekt laut Seitz nicht realisiert werden können. Außerdem fördere das Programm beispielsweise die Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus, die momentan starken Anfragezulauf erlebe.
Erst die AfD-Forderung nach weniger Geld für den Bayerischen Jugendring, jetzt der Antrag für einen Förderstopp auf Bundesebene: "Das sind Angriffe auf die Demokratie. Und das darf man nicht tolerieren", so Seitz.
CSU lehnt AfD-Antrag "entschieden ab"
Die CSU lehne den AfD-Antrag für einen Förderstopp "entschieden ab", sagt der zuständige Fraktionssprecher Gerhard Hopp. "Das Förderprogramm ist eine zentrale Säule der Bundesregierung im Einsatz gegen alle Formen von Extremismus." Bayern erhalte aus dem Bundestopf derzeit rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr und setze darüber hinaus eigene Landesmittel ein, um Radikalisierung vorzubeugen und Opfer zu beraten. "Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen, wie wichtig diese Projekte und damit die bereitgestellten Mittel sind", sagt Hopp. Der Freistaat setze in diesem Jahr ergänzend auf ein Projekt im Rahmen der Islamismusprävention.
Thüringer AfD-Landrat wollte Förderung streichen – Kreistag stoppte Vorhaben
Im Europaausschuss dürfte der AfD-Antrag also keine Mehrheit finden. Allerdings zeigt ein Blick über die bayerische Grenze, dass es der Partei ernst ist mit ihrer Forderung. Seit Juli 2023 gibt es im thüringischen Landkreis Sonneberg mit Robert Sesselmann den bislang einzigen AfD-Landrat Deutschlands. Kurz nach seinem Amtsantritt wollte er die Gelder für "Demokratie leben!" streichen. Es ging um einen Eigenanteil des Kreises von 35.000 Euro, der ein Vielfaches an Bundesmitteln auslösen sollte.
Allein konnte Sesselmann die Streichung nicht beschließen. Dafür hätte er die Unterstützung des Kreistags gebraucht, in dem die AfD damals neun von 40 Sitzen inne hatte. Der lehnte Sesselmanns Vorhaben aber ab, Sonneberg stellte den Förderantrag und erhielt den Zuschlag. Zwar wuchs die AfD-Kreistagsfraktion nach der zwischenzeitlichen Kommunalwahl auf 14 Sitze. Der Leiter des Sonneberger Kreisjugendamts bestätigte auf BR24-Anfrage jedoch, dass der Kreis auch 2025 Gelder aus dem Programm erhalte.
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