Beim Gruppenbild mit dem frisch nominierten Kandidaten steht der 34-köpfige SPD-Bundesvorstand dicht gedrängt auf dem Podium in der Parteizentrale. Zwischen Olaf Scholz und Boris Pistorius hat die Regie sicherheitshalber SPD-Co-Chef Lars Klingbeil positioniert. Als Trenner sozusagen. Die Frage, ob Pistorius nicht der bessere Kandidat gewesen wäre, wird an diesem Tag nicht mehr gestellt. Jedenfalls nicht laut.
Eine neue laute Tonalität bei Olaf Scholz
Wer deutlich lauter spricht als sonst, ist der Bundeskanzler. Olaf Scholz tritt im Willy-Brandt-Haus auf wie einer, der weiß, was Sache ist. Dafür hat er seine bisweilen monoton-leise Sprechweise angepasst. Es ist Wahlkampf, und Scholz läuft sich warm. Ohne Krawatte, das weiße Hemd am Kragen aufgeknöpft unter dem schwarzen Sakko, bedankt er sich für die Entscheidung des Vorstands, ihn einvernehmlich und einstimmig zu nominieren. "Wir kämpfen jetzt gemeinsam", sagt er. Für seinen Verteidigungsminister hat er auch ein paar lobende Worte übrig, und zuletzt noch das: "Die eigentliche Geschichte ist, dass wir seit sehr, sehr langer Zeit befreundet sind." Pistorius steht zu diesem Zeitpunkt am Rand der Bühne, sichtlich bemüht, weder durch Mimik noch durch Gestik die Worte des Kanzlers zu unterlaufen.
Wer ist der bessere Kandidat? Falsche Frage, sagt Scholz
Scholz wiederum müht sich durch die Fragen der Journalisten und Journalistinnen mit ebensolchem Gleichmut. Dabei dürfte schon die erste Frage seinen Blutdruck in die Höhe getrieben haben: "Können Sie drei Gründe nennen, warum Sie der bessere Kanzlerkandidat sind als Boris Pistorius?" Scholz könnte diese Frage mit Ja oder mit Nein beantworten. Was aber folgt, ist typisch Scholz: "So diskutieren wir in der SPD nicht", belehrt der Kanzler den Fragesteller: "Wir haben gemeinsam entschieden, dass ich als Kanzler die SPD auch in den Bundestagswahlkampf führe, dass wir ein erneutes Mandat für die SPD und eine Kanzlerschaft des sozialdemokratischen Kanzlers Olaf Scholz erreichen wollen". Weitere Frage: Wird er sich, wie es die Jugendorganisation der Jusos gerade erst vehement gefordert hat, für den Wahlkampf ändern? Scholz präsentiert auch hier seine Sicht der Dinge: "Gemeint haben die nicht, dass ich ein anderer werden soll".
SPD will vorne liegen – am Wahlabend
Der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz weiß zumindest die SPD-Spitze an seiner Seite. Dass nun auch der Vorstand Scholz einstimmig nominiert hat, dürfte ihn mit Genugtuung erfüllt haben. Anmerken lässt er sich nichts. Noch hat er lediglich den Kampf um die Nominierung gewonnen, nicht aber die Wahl. Dass er die auch zu gewinnen gedenkt, daran lässt er im Willy-Brandt-Haus keinen Zweifel. Das Potenzial der SPD sei ziemlich hoch: "Das, was wir erreichen wollen, ist ziemlich offensichtlich: So wie beim letzten Mal auch […], wollen wir vorne liegen, stärkste Partei werden."
Dass die SPD aktuell bis zu 19 Prozentpunkte Rückstand auf CDU/CSU hat, dazu kein Wort. Dafür gibt es später einen Brief an die SPD-Mitglieder. Der endet mit den Worten: "Besinnen wir uns in den kommenden Wochen auf das, was wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besser können als alle anderen politischen Kräfte in Deutschland: Nicht meckern, sondern machen! Nicht klagen, sondern kämpfen! Und zwar Seite an Seite, dann werden wir gewinnen!". Unterschrieben mit: "Solidarische Grüße, Olaf".
Wahlkampfschlager "Nervenstark im Kanzleramt"
Ob die solidarischen Grüße greifen, wird sehr darauf ankommen, wie Olaf Scholz in diesen Wahlkampf startet. Einen kleinen Vorgeschmack bekommt das Willy-Brandt-Haus schon heute: Scholz zeichnet sich als "besonnen", "klug", "bedacht" – vor allem in Bezug auf die Ukraine, die Waffenlieferungen und die Unterstützung. Die Bürgerinnen und Bürger hätten mit ihrer Entscheidung in der Hand, wie es hier weitergehen soll. Ob man sich darauf verlassen könne, dass da jemand im Kanzleramt sitzt, der sich nicht unter Druck setzen lässt, "der die Nerven behält". Krieg, Frieden und Sicherheit seien zu ernsthafte Angelegenheiten als sie nach opportunistischen Gesichtspunkten zu verhandeln oder zu entscheiden. Er habe alles dafür getan, dass der Krieg nicht eskaliert zwischen Russland und der NATO, und das bleibe so.
In der bayerischen SPD sind sie froh, dass die Sache mit der Kandidatur geklärt ist. Ronja Endres, die Landesvorsitzende der Bayern-SPD, sagt zu BR24: "Wir können jetzt mit einem ganz klaren Kanzlerkandidaten in diesen Wahlkampf starten". Jetzt muss der Kandidat nur noch Klartext sprechen. Angefangen hat er heute schon mal.
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