Unternehmerin Sarah Nuffer und ihr Nachbar Hubert Hegele aus Wörleschwang fühlen sich nach dem Hochwasser im Stich gelassen.
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Unternehmerin Sarah Nuffer und ihr Nachbar Hubert Hegele aus Wörleschwang fühlen sich nach dem Hochwasser im Stich gelassen.

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Kein Schutz vor Hochwasser: "Wir fühlen uns im Stich gelassen"

Das kleine schwäbische Pfarrdorf Wörleschwang war im Juni überflutet worden. Viele Betroffene warten noch auf Hilfen und fordern einen besseren Schutz vor Hochwasser. Doch den soll es dort nicht geben. So mancher greift nun zur Selbsthilfe.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Das Siefenwanger Becken soll kommen – und damit einen besseren Hochwasserschutz für die drei Zusam-Gemeinden Dinkelscherben, Altenmünster und Zusmarshausen bringen. Eine entsprechende Einigung zwischen Grundstückseignern und dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth wurde kürzlich erzielt. Die Erleichterung in den drei Kommunen ist groß. Doch in dem kleinen Pfarrdorf Wörleschwang, das zwischen Altenmünster und Zusmarshausen liegt, fühlen sich die Hochwasser-Betroffenen vor den Kopf gestoßen – und machen ihrem Unmut jetzt Luft.

Wörleschwang profitiert wohl nicht von Rückhaltebecken

Sarah Nuffer ist Juniorchefin einer großen Fensterbaufirma, für sie sei die Lage "nach wie vor sehr schwierig". Bei einem Treffen mit dem Wasserwirtschaftsamt wurde "uns und allen anderen Anwohnern mehr oder weniger gesagt, dass Wörleschwang normalerweise nicht hochwasserbetroffen wäre und damit auch keine Gelder zur Verfügung stünden", sagt Nuffer.

Ebenso hätten sie bei dem Treffen erfahren, dass das geplante Hochwasser-Rückhaltebecken in Siefenwang für sie vermutlich keinerlei oder nur sehr wenig Auswirkung habe. Ihr sei gesagt worden, sie müsse sich selbst um den Hochwasserschutz kümmern - doch das findet Nuffer nicht angemessen.

Hochwasserschaden in Höhe von fünf Millionen Euro

Nuffers Unternehmen mit knapp 100 Mitarbeitern hat wegen des Hochwassers der Zusam einen Schaden von schätzungsweise fünf Millionen Euro erlitten. "Dann habe ich bei dem Termin irgendwann gefragt: 'Was war das dann? Habe ich mir das Hochwasser eingebildet?' Das macht einen fassungslos, wütend und traurig, weil man einfach vor so einem Berg steht. Wo man nicht weiß, wie man weitermachen kann." Das Wasserwirtschaftsamt ist zu diesem Punkt von Seiten des BR angefragt.

Wasserwirtschaftsamt: Altenmünster wird nicht an Kosten beteiligt

Inzwischen hat sich das Amt gemeldet und weist darauf hin, dass die schützende Wirkung eines Rückhaltebeckens mit zunehmender Entfernung abnehme. Auch im Fall des Siefenwanger Rückhaltebeckens könne nur eine geringfügige Verbesserung des Hochwasserschutzes für "unterstromig gelegene Ortschaften" erreicht werden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Das habe man mit in einer "hydraulischen Modellierung" überprüft und dabei festgestellt, dass durch den Betrieb des Hochwasserrückhaltebeckens Siefenwang die Wasserspiegel bei einem Jahrhunderthochwasser in Zusmarshausen um bis zu 16 Zentimeter abnehmen könnten - in Altenmünster dagegen nur bis zu zwei Zentimeter. Ein so geringer Unterschied bleibe bei wasserrechtlichen Verfahren regelmäßig unberücksichtigt, heißt es in der Stellungnahme.

Bürgermeister: Rückhaltebecken kein Allheilmittel

Der Bürgermeister der Gemeinde Altenmünster, in deren Nähe das Pfarrdorf Wörleschwang liegt, sieht das ein wenig anders. Florian Mair räumt zwar ein, dass die Wirkung des Siefenwanger Beckens stromabwärts natürlich weniger werde - schließlich nehme die Zusam immer wieder neues Wasser aus ihren Zuflüssen auf. Aber: "Die Wirkung ist jedoch weder in Wörleschwang noch in Altenmünster bei Null", erklärt Mair dem Bayerischen Rundfunk.

Deswegen habe er - genauso wenig wie seine Amtskollegen in Zusmarshausen und Dinkelscherben - nie behauptet, das Siefenwanger Becken sei ein Allheilmittel. Nur in Verbindung mit anderen Maßnahmen könne es zum Hochwasserschutz beitragen, sagt Mair. Deswegen fordert er das Wasserwirtschaftsamt auf, sich die komplette Zusam anzusehen: "Gerne auch in Altenmünster."

Komplizierte Anträge und viele Hürden

Die Wörleschwanger Unternehmerin Nuffer fühlt sich unterdessen alleingelassen. Auch von schneller oder gar unbürokratischer Hilfe sei nichts zu sehen, kritisiert sie. Die Soforthilfe der Regierung könne zudem "durch die komplizierte Antragstellung mit vielerlei Hürden und hohem Detailgrad eigentlich erst nach Aussage der Versicherung" beantragt werden. "Alle Versprechungen der Politik, die Folgen dieses Hochwassers abzumildern, verlaufen ins Nichts", stellt Nuffer klar. "Wir fühlen uns im Stich gelassen und irgendwie allein mit der enormen psychischen und finanziellen Bürde, die wir tragen müssen."

Kritik an fehlenden Warnungen vor dem Hochwasser

Das gelte nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für Privatleute, bestätigt Nuffers Nachbar Hubert Hegele. Sein Haus ist durch das Hochwasser der Zusam in Wörleschwang regelrecht umströmt worden. Und auch er ist vom Krisenmanagement der Behörden enttäuscht. So habe es keine Warnungen gegeben, dass eine Hochwasserwelle an der Zusam heranrauscht, Warnapps wie NINA oder Katwarn hätten auf lokaler Ebenen nicht ausgelöst. Er habe nur durch private Kontakte zur Feuerwehr das Notwendigste retten können, für eine bessere Absicherung durch Sandsäcke sei keine Zeit mehr geblieben.

Selbsthilfe statt Warten

Jetzt sei der Schaden immens – aber niemand zu erreichen, der direkt für Fragen zur Verfügung stehe. Und wie es weitergehe, wie man sich vor künftigen Hochwasserereignissen schützen könne, davon sei gar keine Rede, bemängelt Hegele. Er greift deshalb zur Selbsthilfe, hat Pumpen, Sandsäcke und ein Notstromaggregat gekauft. Denn er wolle seine Heimat nicht verlieren, sagt Hegele - das Haus, in dem er groß geworden ist und das der Familie seit rund 100 Jahren gehört.

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