Ann-Marie Darwisch hat drei Kinder alleine großgezogen und parallel ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Trotzdem reicht ihre Rente zum Leben nicht aus: "Es gibt mehr als genügend Rentner, die kaum davon leben können. Und ich bin sicher, dass es vielen so geht wir mir: Sie arbeiten nebenbei und gehen nicht zum Sozialamt, weil sie sich schämen."
Darwisch muss jeden Monat allein für die Miete 850 Euro aufbringen. Von ihrer Rente bleiben ihr dann noch 150 Euro. Weil das nicht reicht, arbeitet sie im Homeoffice für eine Grafikfirma als Buchhalterin. "Irgendwie wird man übersehen. Oder es heißt: 'Immer die Rentner! Die haben sowieso so viel!' Und ja, es gibt bestimmt genügend Rentner, die ein Leben lang gearbeitet und gut verdient haben. Aber die Geringverdiener, die wurden halt vergessen", sagt sie.
Energiepreispauschale keine Entlastung für Rentner
Angesichts der stark gestiegenen Energiekosten hat der Bundestag eine Energiepreispauschale beschlossen. Arbeitnehmer und Selbstständige erhalten pauschal 300 Euro. Rentner sind von dieser Entlastung ausgeschlossen. Es sei denn, sie arbeiten oder bekommen Grundsicherung oder Wohngeld. Diejenigen aber gehen leer aus, die mit ihrer kleinen Rente bisher gerade so hinkommen und keine Zusatzeinkommen haben. Dabei geraten durch Energiekrise und Inflation Seniorinnen und Senioren mit kleiner Rente besonders unter Druck.
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Auch Ann-Marie Darwisch muss beim Einkaufen ganz genau rechnen: "Wenn ich früher für meinen Einkauf 30 Euro ausgegeben habe, dann sind es jetzt 50 Euro. Das haut richtig rein in die Haushaltskasse. Bio geht nicht mehr, ich kaufe jetzt die günstigsten Produkte. Sonst reicht das Geld nicht bis zum Monatsende."
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DIW: "Inflation trifft verletzlichste Menschen besonders hart"
Im April ist die Inflationsrate auf 7,4 Prozent gestiegen. Die Preise für Energie haben sich im selben Monat um 35,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahrmonat verteuert. Und auch bei den Lebensmitteln müssen die Verbraucher tiefer in die Tasche greifen. Die Kosten für Weizenmehl, Butter und Eier sind jeweils deutlich über 20 Prozent gestiegen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat berechnet, welche Gruppen besonders unter der aktuellen Inflation leiden und bei wem die Ausgleichsmaßnahmen des Staates am wenigsten greifen. DIW-Präsident Marcel Fratzscher bringt das Ergebnis wie folgt auf den Punkt: "Menschen mit geringen Einkommen zahlen das Drei- bis Vierfache ihres monatlichen Einkommens für Energie- und Lebensmittelpreise im Vergleich zu Menschen mit hohen Einkommen. Und vor allem Rentnerinnen und Rentner bekommen beispielsweise die Energiepauschale nicht, weil sie nicht beschäftigt sind. Sie profitieren von der Spritpreisbremse nicht, wenn sie kein Auto haben. Und sie erhalten auch keinen Kinderbonus. Deshalb trifft diese Inflation die verletzlichsten Menschen in Deutschland besonders hart."
- Zum Artikel "Wie entsteht Inflation? Und was hilft dagegen?"
Belastung fällt ungleich aus
Nach Berechnungen des DIW müssen Rentner am unteren Ende der Einkommensskala 5,6 Prozent ihres Einkommens für gestiegene Energiepreise aufbringen, die Entlastungspakete helfen mit 1,5 Prozent. Das heißt, es bleibt bei einer Mehrbelastung von 4,1 Prozent. Dagegen müssen die größten Einkommen nur 1,3 Prozent ihrer Bezüge für die gestiegenen Energiepreise aufwenden. Daher fordern Wissenschaftler und Sozialverbände zielgenauere Entlastungsprogramme für Menschen mit geringem Einkommen.
Möglichst ohne Sozialleistungen durchkommen
Rentner wie Ann-Marie Darwisch, die einen Zusatzjob hat, können zwar die Energiepreispauschale bekommen. Noch weiß sie allerdings nicht, wer ihr den Zuschuss zum Minijob tatsächlich auszahlt. Zudem hadert sie mit dem ganzen System: "Ich habe eingezahlt in die Rentenkasse, und ich habe drei Kinder großgezogen. Die arbeiten alle. Sie zahlen Steuern. Also, wir haben nie irgendwas vom Staat bekommen oder gewollt."
Und das soll so bleiben, solange es irgendwie geht. Ann-Marie Darwisch denkt positiv. Weil Gemüse so teuer geworden ist, baut sie jetzt im Wintergarten Tomaten, Zucchini, Salate und Kräuter selbst an. Bis zur Ernte wird es aber noch ein paar Wochen dauern.
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