Es ist Freitag im mittelfränkischen Roth: Johanna Pille hat ihren Arbeitstag in der Grundschule, wo sie ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, hinter sich. Zwei Stunden Arbeit auf dem Bauernhof liegen noch vor ihr: Misten, Füttern, Tiere Ausführen. Gerade ist Stute Gina dran. "Man kann den Pferden richtig was Gutes tun", sagt die 18-Jährige, während sie auf dem Reitplatz steht.
Rückblick auf einen Freitag vor vier Jahren: Johanna hält am Altstadtring in Hilpoltstein ein Schild mit der Aufschrift "Our House is on fire", auf Deutsch "Unser Haus brennt" in die Luft. Damals, mit 14 Jahren, gründete sie Fridays for Future Hilpoltstein. Sie musste den ein oder anderen Mittelfinger von Autofahrern einstecken, sagt sie, aber das sei nicht das Problem: "Es ist bei Fridays for Future halt einfach frustrierend, weil es gibt nicht die eine Lösung".
Neuer Umgang: Nachhaltig leben statt Demonstrieren
Eine Frustration, die auch Jugendforscherin Maren Zschach beobachtet: "Die jungen Menschen müssen jetzt in diesen schwierigen Situationen Modi finden, damit umzugehen", sagt Maren Zschach vom Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI).
Für Johanna bedeutet das: Sie lebt nachhaltig, isst kein Fleisch, macht keine großen Reisen. Aber: "Ich würde nicht sagen, dass ich meinen Frieden damit gefunden habe. Die Klimakatastrophe ist da. Wir sind jetzt bei 1,5 Grad", erklärt Johanna.
Johanna Pille aus Hilpoltstein zusammen mit Hund Finn, den sie ehrenamtlich ausführt.
Noch drängendere Probleme überlagern Klimathemen
Mit der Sorge vor den Folgen der Klimakrise ist Johanna nicht allein: 63 Prozent der Jugendlichen gaben bei der letzten Befragung zur Shell-Jugendstudie 2024 (externer Link) an, das Thema Klimawandel mache ihnen Angst. Noch wichtiger sind jedoch die Themen Krieg in Europa mit 81 Prozent und die wirtschaftliche Lage mit 67 Prozent.
"Das heißt, dieser scheinbare Rückgang des Interesses am Klimawandel lässt sich nicht nachweisen, wird aber überlagert von noch drängenderen Problemen", schlussfolgert Zschach vom DJI.
Fridays for Future konzentrieren sich auf Großdemonstrationen
Ein Trend, der sich auch bei der Klimabewegung Fridays for Future niederschlägt. Ronja Hofmann gehört zum Organisationsteam des Münchner Ablegers der Bewegung. Auch sie sagt, sie habe das Gefühl, dass weniger Jugendliche nachkommen. Aber diejenigen, die kommen: "Da bin ich immer wieder erstaunt, wie entschlossen die sind und wie viel Wissen die mitbringen", sagt Hofmann.
In Zukunft wolle sich die Klimabewegung auf Großdemonstrationen konzentrieren, statt jeden Freitag auf die Straße zu gehen. Ronja Hofmann ist überzeugt, dass Fridays for Future die nächsten Jahre weiter existieren wird: "Weil da so viele sind, die einen Ort suchen, wo sie ihre Verzweiflung in Taten umsetzen können", begründet Hofmann.
Klimainteresse spiegelt weltweite Stimmung wider
Rüdiger Maas vom Institut für Generationenforschung überrascht es nicht, dass es ruhiger um die Klimabewegung geworden ist. Zum einen sei es von Beginn an ein Internetphänomen gewesen, begründet er. Zum anderen traf Fridays for Future 2018 noch auf eine andere gesellschaftliche Stimmung: "Das war diese weltweite Aufbruchstimmung in Richtung Klimawandel. Jetzt haben wir genau die gegenteilige Bewegung", sagt er.
Mit Blick auf die Bundestagswahl erwartet er, dass das Klima bei der Wahlentscheidung junger Menschen eine untergeordnete Rolle spielen wird: In den Umfragen des Instituts landete Klima nur auf dem 3. Platz, "das haben zwar alle im Hinterkopf, aber es ist für die Jungen nicht dringlich", sagt er.
Johannas erste Wahl: "Diese Stimme wird gehört"
Auch Johanna darf bei der diesjährigen Bundestagswahl zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Eine neue Möglichkeit für Johanna, denn: "Diese Stimme wird gezwungenermaßen gehört. Wenn man auf die Straße geht, kann jeder einen ignorieren", sagt sie.
Trotzdem: Sie will weiter auch an Demonstrationen teilnehmen. Nur nicht mehr so oft. Denn bis dahin hat sie ihr neues Ehrenamt auf dem Bauernhof: "Man merkt hier auch wieder, was man schützen will", fügt Johanna an.
Über Krieg und Wirtschaft machen sich Jugendliche laut Studien am meisten Sorgen. Und die Klimakrise? Die verliert an Priorität.
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