Bayern debattiert über die Bundeswehr: Mit einem neuen Gesetz sollen Hochschulen und die Bundeswehr dazu gebracht werden, besser zu kooperieren. Zudem soll künftig eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzung – in Form einer Zivilklausel – unzulässig sein, wie es in dem Gesetzentwurf heißt. Was bedeutet das alles?
Was plant Bayern mit dem neuen Gesetz?
Zivile und militärische Forschung – bisher können Hochschulen diese strikte Trennung mit sogenannten Zivilklauseln in ihre Leitbilder aufnehmen. Es handelt sich dabei um Selbstverpflichtungen, ausschließlich für friedliche und zivile Zwecke zu forschen. Bayern will Zivilklauseln jetzt per Gesetz verbieten. Forschungsergebnisse sollen somit auch im militärischen Bereich genutzt werden können.
Außerdem will die bayerische Staatsregierung Universitäten zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichten. Das bedeutet: Es soll ein Kooperationsgebot zwischen Hochschulen und Bundeswehr geben. Konkret: Wenn die Bundeswehr mit einem Antrag auf die bayerische Regierung zukommt, prüft das Wissenschaftsministerium den Antrag. Wenn das Ministerium das Vorhaben für notwendig hält "aus Gründen der nationalen Sicherheit", dann kann die Kooperation eingefordert werden, wie es vom Wissenschaftsministerium auf BR24-Anfrage heißt.
Warum eine Kooperation von Wissenschaft und Militär?
Die Staatsregierung sagt, dass dieses Gesetz das erste eines Bundeslandes zu Förderung der Bundeswehr ist. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) machte im Landtag deutlich, welche Bedeutung das Bundeswehr-Gesetz aus Sicht der Staatsregierung hat: Man schreibe gewissermaßen Rechtsgeschichte. Das sei Bayerns Beitrag zur Zeitenwende – ein vom Kanzler geprägter Begriff, der seit dem Ukraine-Krieg vor allem die Aufrüstung der Bundeswehr bedeutet.
Nicht nur Bayern, sondern auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) argumentiert: Viele wissenschaftliche Vorhaben können nicht strikt in zivil oder militärisch eingestuft werden – Projekte oder Forschungen weisen Überschneidungen in beiden Bereichen auf. Im BR24-Interview nannte Stark-Watzinger kürzlich einige Beispiele: Künstliche Intelligenz, Materialforschung oder Cyber-Sicherheit. Die Grenzen seien fließend – gerade in Zeiten der Digitalisierung.
Die FDP-Politikerin spricht sich für eine Verzahnung von Wissenschaft und Bundeswehr aus – um im Technologie-Wettbewerb vorne mit dabei zu sein.
Spannungsverhältnis: Freiheit und Sicherheit
Angesichts der Zeitenwende wird in Gesellschaft sowie Politik darüber diskutiert, eine Zeitenwende auch an Schulen und Universitäten einkehren zu lassen. Stark-Watzinger hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, Schulen für den Besuch von Jugendoffizieren zu öffnen. Bayern will das mit dem Gesetz ebenfalls stärken.
Auch bei der Verzahnung für zivile und militärische Forschung an Hochschulen und Universitäten vertreten die Bundesbildungsministerin sowie Bayern dieselbe Ansicht – mit einem entscheidenden Unterschied: Dass Bayern per Gesetz Universitäten zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichten will und die selbst auferlegten "Zivilklauseln" ganz verbieten möchte, hält die FDP-Politikerin "für den falschen Weg". Die Grünen im bayerischen Landtag halten das für verfassungswidrig. Bildungsministerin Stark-Watzinger von der FDP argumentiert bei BR24 mit der Wissenschaftsfreiheit. In Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei."
Einen anderen Vorschlag lieferte die Ministerin aber bislang nicht, wie es gelingen soll, Synergien zwischen Wissenschaft und Bundeswehr zu schaffen – dabei aber sowohl die nationale Sicherheit zu stärken als auch die Wissenschaftsfreiheit zu schützen. Bayern geht jetzt einen eigenen, nicht unumstritten Weg. Der nächste Schritt: Das Gesetz wird im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten beraten.
Wie viele Hochschulen haben eine Zivilklausel?
Ein Blick auf Zahlen lohnt aber, denn: In Bayern hat keine einzige Hochschule eine Zivilklausel. Einen offiziellen Grund gibt es hierfür nicht. Vermutungen legen nahe, dass es an Bayern als Wirtschaftsstandort liegt – gerade auch für Rüstungsunternehmen. Bereits jetzt bestehen Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, wie beispielsweise an der Technischen Hochschule Ingolstadt mit Airbus.
Insgesamt haben sich nach der Initiative "Hochschulen für den Frieden" rund 70 Hochschulen in Deutschland eine freiwillige Zivilklausel gegeben, was rund 16 Prozent aller Hochschulen entspricht. Die Zivilklausel der TU Darmstadt lautet beispielsweise: "Forschung, Lehre und Studium an der Technischen Universität Darmstadt sind ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen (…)".
Was heißt das in der Praxis?
Vorhaben oder Kooperationen können von Ethikkommissionen der Hochschulen auf diese Ziele hin überprüft werden. Entschieden wird anhand festgelegter Kriterien, die die Projekte erfüllen müssen, um nicht gegen friedliche Ziele zu verstoßen. Kommt die Kommission zum Schluss, dass das eingereichte Vorhaben mit den Grundsätzen kollidiert, kann es abgelehnt werden.
Video: Sicherheitsexperte Carlo Masala zur Kooperation von Hochschulen und Bundeswehr
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