Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) (Archivbild)
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Lauterbachs Krankenhauspläne: Debatte um Folgen für Bayern

Lauterbachs Krankenhauspläne: Debatte um Folgen für Bayern

Im Mai hat das Bundeskabinett ein Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität in Krankenhäusern beschlossen. Die Reformpläne könnten jedoch vor allem Bayern schaden, meinen Kritiker. Gestritten wird auch über die Folgen der Privatisierung.

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Klaus Emmerich befürchtet Schlimmes. Der ehemalige Klinikvorstand aus der Oberpfalz sieht die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor allem aufgrund des Personalmangels an bayerischen Kliniken skeptisch. "Herr Lauterbach hat keine Antwort darauf, wie wir mehr Personal an den Patienten bringen", sagt Emmerich, der sich auch im Aktionsbündnis "Schluss mit Kliniksterben in Bayern" engagiert. Das Bündnis hält die Reformideen für eine Verletzung sozialstaatlicher Prinzipien.

Krankenhausreform: Das plant Karl Lauterbach

Lauterbach geht es um zwei Dinge. Erstens: Fallpauschalen sollen zumindest in Teilen durch eine Vorhaltepauschale ersetzt werden. Das bedeutet konkret: Kliniken sollen künftig nicht nur Geld für Patienten, sondern auch für medizinische Geräte erhalten. Zweitens: Krankenhäuser sollen in Leistungsgruppen eingeteilt werden. Die Theorie: Weniger Krankenhäuser, dafür eine bessere, spezialisierte Behandlung.

Genau hier sieht Emmerich aber fatale Folgen. Besonders für den Freistaat Bayern, dem flächenmäßig größten Bundesland. "Es wird weniger Krankenhäuser geben, weil die strikten Vorgaben der Leistungsgruppen dazu führen, dass Krankenhäuser diese nicht mehr einhalten können", so Emmerich. Vor allem für ländliche Regionen mit wenig Infrastruktur sei das problematisch. "Wir haben jetzt schon 162 Postleitzahlregionen in Bayern, wo Bürger nicht mehr binnen 30 Fahrzeitminuten ein Allgemeinkrankenhaus mit einer Basisnotfallversorgung erreichen", kritisiert er. Bei einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall oder einem schweren Verkehrsunfall könne das lebensentscheidend sein.

Protest in Berlin gegen Krankenhausreform

Die Berliner Aktivistin und Linken-Politikerin Jorinde Schulz organisiert aus diesem Grund eine Kundgebung vor dem Berliner Bundestag. In ihren Augen zielt die Reform am eigentlichen Problem vorbei. Die Privatisierung des Gesundheitswesens führe dazu, dass sich Unternehmen an Versicherungsbeträgen bereicherten. In Bayern würden orthopädische Kliniken aus dem Boden schießen, während Allgemeinkrankenhäuser schließen, sagen Schulz und Emmerich.

Auch das Fallpauschalensystem bleibt in Lauterbachs Reform in Teilen erhalten. "Ist es möglich zu verbieten, dass man mit Krankenhäusern Gewinne machen kann? Ja!", sagt Schulz. In der BRD sei das Gesundheitssystem bis 1985 komplett in öffentlicher Hand gewesen. Die Aktivisten um die Gruppe "Gemeingut" schlagen deshalb eine Rückkehr zur Selbstkostendeckung vor. "Das bedeutet, dass Krankenhäuser nur dafür Geld bekommen, was sie in ihrem Versorgungsauftrag leisten", erklärt Schulz. "Es gibt weder Verluste noch Gewinne, weil die Häuser einfach das bekommen, was sie brauchen."

Wie realistisch wäre eine Rückkehr zur Selbstkostendeckung?

Auch Emmerich fordert eine Rückkehr zu dieser Selbstkostendeckung. Das Krankenhaus müsste dann angeben, wie viele Kosten es im Vorjahr verbraucht hat und dort auch die Teuerung für steigende Kosten miteinbeziehen. "Das geteilt durch zwölf ergäbe einen monatlichen Betrag und dann hätten die Krankenhäuser genau das, was sie brauchen", sagt Emmerich.

Der Gesundheitsökonom Andreas Schmid, der Krankenhäuser in Management-Fragen berät und an der Universität Bayreuth als Gastprofessor lehrt, hält das jedoch für einen Wunschtraum. Es sei eine Illusion, zu hoffen, dass der Krankenhausbereich ein Sektor frei von wirtschaftlichen Zwängen ist. "Auch im Gesundheitswesen haben wir mit knappen Ressourcen zu kämpfen", sagt Schmid.

Streit um Kosten durch zu viel Bürokratie

Schulz und Emmerich lassen dieses Argument jedoch nicht gelten. Ihre Position: Eine Abkehr vom Fallpauschalensystem würde wegen des Wegfalls an Bürokratie auf einen Schlag zehn Milliarden Euro sparen. Und es Ärzten und Pflegern ermöglichen, sich nicht mit Profitmaximierung, sondern mit Patienten auseinanderzusetzen.

Gesundheitsökonom Schmid glaubt jedoch, dass sich die Uhren nicht mehr auf 1985 zurückdrehen lassen. Laut ihm liegt die Wahrheit in der Mitte. "Jedes System hat Vor- und Nachteile. Das heißt, man muss immer versuchen abzuwägen, welche Vergütungsmethoden in der aktuellen Situation sehr wichtig sind." Sinnvoll wäre laut Schmid zum Beispiel ein fester Geldbetrag für jedes Krankenhaus, unabhängig von der Anzahl der Geräte oder Behandlungen. Das würde den ländlichen Raum stärken - weil die finanziellen Sorgen dort mit weniger Patienten größer sind. Ideal wäre ein Weg zwischen Wirtschaftlichkeit und staatlicher Unterstützung.

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