Kunden stehen in einer Apotheke in Lohr.
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Lieferengpässe: Apothekerin aus Lohr stellt Arznei selbst her

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Lieferengpässe: Apothekerin aus Lohr stellt Arznei selbst her

Lieferengpässe: Apothekerin aus Lohr stellt Arznei selbst her

Über 400 Medikamente sind bundesweit nicht lieferbar. Die Marien-Apotheke in Lohr am Main stellt seit Anfang des Jahres deshalb selbst Fieberzäpfchen her. Inhaberin Anne Lahoda fordert langfristig mehr Produktion in Europa und schnellere Lösungen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Anne Lahoda leitet die Marien-Apotheke in Lohr am Main. Seit über 25 Jahren ist sie im Beruf, doch was sie derzeit erlebt, ist für die Frau eine völlig neue Erfahrung: 100 Medikamente sind in der Apotheke in Lohr am Main momentan nicht lieferbar, besonders Kinderfieberzäpfen und -säfte. Seit Anfang des Jahres stellt die Apotheke Zäpfchen nun selbst her. Das ist sehr aufwendig, vor allem das Gießen der Zäpfchen. Zehn Stück kosten anstatt 1,50 Euro nun 7,50 Euro. Zu niedrigeren Preisen, wie sie für die Industrieware aus fernöstlicher Produktion verlangt werden, sei das aber nicht möglich.

Rabattverträge sind Teil des Problems

Laut Lahoda sind die Rabattverträge der Apotheken mit den Krankenkassen ein Teil des Problems: "Sie haben die Firmen gezwungen, immer günstiger zu produzieren. Das war irgendwann in Europa nicht mehr möglich. Deshalb gehen sie vor allem in die asiatischen Länder." Die Produktion wurde ins Ausland verlagert, zentralisiert und in spezialisierte, profitable Teilbereiche aufgesplittet. Wenn in der Produktions-Kette ein Teil nicht richtig funktioniert, gerate die gesamte Produktion ins Stocken, so die Apothekerin. Knapp 70 Prozent der Wirkstoffe für europäische Medikamente werden in China und Indien hergestellt, nur 24 Prozent der Wirkstoffe kommen aus Europa. Der Trend zur Billig-Ware habe laut Lahoda dazu geführt, dass Deutschland mittlerweile mit zu den letzten gehöre, die bei einem Medikamenten-Mangel beliefert würden, weil es am wenigsten zahlen wolle. "Das System wurde über Jahre in den Keller gefahren", sagt Anne Lahoda.

Herzmedikamente sind schwer zu bekommen

Auch bei anderen Medikamenten als bei Fiebersäften und -zäpfchen gibt es massive Lieferengpässe: Manche sind überhaupt nicht lieferbar, bei einigen Wirkstoffen können von 30 Lieferanten nur zwei liefern, jeden Tag müssen die Apothekerin und ihre Mitarbeiter Stunden damit zubringen, um Arzneimittel zu organisieren, die sich auf dem Markt derzeit nur schwer beschaffen lassen – gängige Blutdruckmedikamente ebenso wie das banale Aspirin+C. "Aspirin lässt sich noch leicht verschmerzen", sagt Anne Lahoda, da gebe es auch andere wirkstoffgleiche Mittel. Bei Blutdruck- oder Herzmedikamenten sieht das schon wieder anders aus: Die Patienten seien verunsichert, wenn sie ihre altbewährte Arznei nicht mehr bekommen; das könne sich auch in der Wirkung niederschlagen.

Lahoda: "Es muss schnellstmöglich gehandelt werden"

Lahoda, die auch Sprecherin des Bayerischen Apothekerverbands im Landkreis Main-Spessart ist, fordert deshalb kurzfristige Lösungen. Im Gespräch mit BR24 sagte die 52-Jährige, eine Verlagerung der Produktion nach Europa sei wichtig, momentan müsse aber schnellstmöglich gehandelt werden. Kurzfristige Lösungen sind zum Beispiel, unter den Apotheken Medikamente zu tauschen, das sei aber momentan nicht möglich. Ein weiterer Punkt sei die Herstellung von Arzneimitteln. "Es muss viel passieren, bis wir die selber herstellen können und über die Krankenkassen abrechnen dürfen. Zudem dürfen wir gerade nur eine Rezeptur machen. Der Aufwand ist immens, warum können wir denn nicht gleich zehn, 20 oder 30 herstellen?", so die Apothekerin.

Mögliche Lösung: größere Mengen importieren

Außerdem forderte Lahoda, den Import aus dem Ausland von in Deutschland derzeit nicht lieferbaren Medikamenten für größere Mengen möglich zu machen sowie die Arznei-Verpackungen nicht wiederholt optisch zu ändern. Das würde nicht nur ältere Kundinnen und Kunden verwirren: "Zum Beispiel bei Wassertabletten sind teilweise die hohen Dosierungen komplett vergriffen. Das heißt also, ich muss mit dem Kunden darüber sprechen, dass er nicht nur eine Tablette am Tag nimmt, sondern zweieinhalb oder drei.“ Das führe oft zu Unverständnis, eventuell auch zur falschen Einnahme. Verwirrend werde es erst recht, wenn sich die Farbe der Verpackung alle paar Monate ändere.

Hintergrund: Rabatt- und Lieferverträge der Krankenkassen

Dreh- und Angelpunkt der Arzneimittelversorgung in Deutschland sind die Lieferverträge der knapp 100 gesetzlichen Krankenkassen mit den Apotheken. Jede Kasse schreibt für Wirkstoffe bestimmte Medikamente vor; wenn der Apotheker dem Patienten das falsche Medikament gibt, muss er damit rechnen, dass die Kasse nicht zahlt. "So ein Rezept ist wie ein Scheck, den der Patient bei uns einlöst", erklärt Anne Lahoda. Das Geld für die Ware muss sich der Apotheker nach der Lieferung bei der Krankenkasse wieder holen. Dafür gibt es Lieferverträge mit einem fest vereinbarten Aufschlag auf jedes Medikament. Die Rabattverträge handeln die Kassen wiederum mit der pharmazeutischen Industrie aus. "Billiger, billiger, billiger", sei die Devise der vergangenen Jahre gewesen, beklagt Anne Lahoda. Die Herstellung werde aber nicht billiger.

  • Zum Artikel: Medikamentenmangel: Wege zu mehr Versorgungssicherheit

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