Nach dem Tod ihrer 16-jährigen, magersüchtigen Tochter hat das Landgericht Schweinfurt die Eltern der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Die Begründung: Sie haben sich nicht um medizinische Hilfe für ihre Tochter gekümmert. Trotzdem sah das Gericht davon ab, eine Strafe zu verhängen. Das ist möglich, wenn die Folgen der Tat für den Täter selbst so schwer sind, dass eine Strafe nicht angemessen wäre.
Staatsanwaltschaft forderte Freiheitsstrafe
Mit dem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die wollte wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung eine zweijährige Freiheitsstrafe erwirken, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Die Verteidigung der Eltern ist der Ansicht, dass sich die Eltern vor dem Gesetz nur der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben und bat bei ihrem Plädoyer darum, von einer Strafe abzusehen. Die Eltern nahmen das Urteil nachdenklich, ohne eine sonst sichtbare Regung an.
Richterin: Eltern hätten Augen verschlossen statt zu handeln
Die Vorsitzende Richterin sagte in ihrer Urteilsbegründung: "Sie haben die Augen zu gemacht, statt zu handeln, das hätten Sie aber tun müssen." Ihre Tochter habe zwar Angst davor gehabt, für eine medizinische Behandlung alleine in ein Krankenhaus zu gehen. Das hätte die Eltern aber nicht davon abhalten sollen, ihr medizinische Hilfe zu organisieren. Gleichzeitig hielt sie der Mutter zugute, dass sie sich um psychische und psychiatrische Behandlung für ihre Tochter bemüht habe.
Vater und Mutter übernahmen die Verantwortung
Die 51 und 48 Jahre alten Eltern hatten bereits am ersten Verhandlungstag eingeräumt, die Verantwortung zu tragen und die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass die den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf genommen hätten, wiesen sie bis zum Schluss zurück. Auch das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Eltern den Tod ihrer Tochter nicht billigend in Kauf genommen haben.
Eltern voller Reue und Trauer
In seinen "letzten Worten" vor Verkündung des Urteils sagte der Vater der Verstorbenen unter Tränen, dass er jeden Tag unter der Schuld leide und dass er hoffe, dass seine Tochter jetzt an einem Ort sei, an dem es ihr gut gehe. Die Mutter sagte mit tränenerstickter Stimme, dass sie immer an ihre Tochter denke und dass sie in der Rückschau wisse, dass ihr Verhalten falsch gewesen sei. Ihre größte Strafe hätte sie aber schon, nämlich dass ihre Tochter nicht mehr da ist.
Im Laufe des Prozesses sagten die Eltern aus, dass sie immer gehofft hätten, dass "alles wieder gut" werde, dass ihre Tochter "die Zeit überwinden" würde und dass "alles eine gute Entwicklung" nehmen würde, schließlich sei der ältere an einem Hirntumor erkrankte Sohn auch wieder gesund geworden.
Polizist geriet an seine Grenzen
Der dreitägige Prozess war sehr emotional. Ein Polizeibeamter sagte aus, dass ihn der Anblick des toten Mädchens an seine Grenzen gebracht habe. Die 16-Jährige wog zu ihrem Todeszeitpunkt nur noch 19 Kilogramm. Die Jugendliche sei 1,38 Meter groß gewesen. Durch die Unterernährung habe ihr Körper irgendwann das Wachstum eingestellt, sagte der Staatsanwalt. Am und im Körper der Jugendlichen war laut einem Rechtsmediziner keinerlei Fettgewebe mehr. Nach einer zusätzlichen Corona- sowie einer Magen-Darm-Infektion habe der Körper der Jugendlichen dann nichts mehr zusetzen können.
Rechtsmediziner spricht von Organversagen
Die 16-Jährige habe an Mangelernährung gelitten und sei letztlich an Organversagen gestorben, attestierte der Rechtsmediziner vor Gericht. Zuletzt habe die Jugendliche gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Bett geschlafen. Die 16-Jährige habe nicht mehr laufen können, ihre Mutter habe sie wie ein Kleinkind gewickelt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt der Immobilität ihrer Tochter hätten die Eltern handeln und die 16-Jährige in ein Krankenhaus bringen müssen, sagte der Staatsanwalt. Zu dieser Einschätzung kam auch das Gericht. Die 16-Jährige starb im Dezember 2022 kurz vor Weihnachten an Magersucht.
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