Aus einem weiß-blau lackierten Maibaum wachsen an einer Stelle mit Rissen im Holz schwarze Pilze aus dem Holz heraus.
Bildrechte: privat/Martin Illner
Audiobeitrag

Schwarze Pilze wachsen aus dem Maibaum. Das zeigt: Das Holz innen wird morsch, der Baum anfällig.

Audiobeitrag
>

Maibaumpapst oder -killer? Unterwegs mit einem Maibaumprüfer

Maibaumpapst oder -killer? Unterwegs mit einem Maibaumprüfer

Wie sicher sind Maibäume, die auf Dorfplätzen, direkt neben Kindergärten, der Kirche oder Biergärten stehen? Das überprüfen vereidigte Sachverständige, wie zum Beispiel der Rosenheimer Professor Martin Illner. Worauf er achtet.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Die Freiwillige Feuerwehr hilft mit der Drehleiter: Auf der einen Seite des Maibaums fahren sie nach oben, bis in luftige Höhe vom Sockel bis zum Gockel. Auf der anderen Seite geht's die gut 30 Meter wieder runter. Im Korb der Drehleiter, mit Hammer und Stichel in der Hand: Martin Illner. Er ist ein, wie es offiziell heißt, "öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Holzschutz und Holzschäden".

Zwischen 30 und 40 Maibäume prüft der Professor von der Technischen Hochschule Rosenheim pro Jahr. Wenn er mit seinem Hammer an das Holz klopft, weiß er schon anhand des Klangs, ob der Maibaum noch sicher ist, sprich: weiter stehen bleiben darf. Oder ob er demnächst abgebaut werden muss.

Das Schlimmste, was dem Maibaum passieren kann: die Lackierung

Beim Kolbermoorer Maibaum klingen die ersten Hammerschläge klar. Doch in gut fünf Meter Höhe ändert sich der Klang plötzlich. Er wird dumpfer. Hier sieht man sie auch schon: braun-schwarze Schwammerl wachsen aus einem Riss im Holz des Maibaums. Für Martin Illner ist das ein Zeichen: Wenn der Pilz bereits außen sichtbar ist, löst sich das Holz innen allmählich auf.

Besonders schön, aber auch besonders gefährlich fürs Holz, ist die traditionelle weiß-blaue Lackierung. Laut Martin Illner ist sie sogar das Schlimmste, was dem Maibaum passieren kann. Denn wie bei jedem Holzbalken gibt es auch bei Maibäumen Trocknungsrisse. In diese peitschten Wind und Wetter Regenwasser hinein. Durch die umgebende Farbe kann der Maibaum dann aber nicht mehr austrocknen. Dadurch wird es im Innern so feucht, dass sich Pilze entwickeln können. Die machen die schlanken, meist um die 30 Meter hohen Maibäume dann morsch und anfällig.

Sachverständiger ab drittem Jahr notwendig

Im ersten Jahr nach dem Aufstellen müssen die Maibäume gar nicht geprüft werden. Im zweiten Jahr dürfen geschulte Menschen von der Feuerwehr oder der Gemeinde die Sichtung übernehmen. Ab dem dritten Jahr braucht es dann einen vereidigten Sachverständigen wie Martin Illner.

Maibäume mit Pilzbefall, erklärt Illner, brechen nicht sofort beim ersten Sturm ab. Er vergleicht den Vorgang mit dem Biegen eines Alu-Blechs. Biegt man es mehrfach hin und her, fängt es zuerst an, an der entsprechenden Stelle matt zu werden. Wenn das Alu-Blech weiter gebogen wird, zeigen sich erste Risse. Keiner könne aber vorhersagen, ob es noch 10 oder 25 Mal mehr gebogen werden kann. Genauso sei das auch beim Maibaum. "Er bricht nicht schlagartig ab. Sondern allmählich.", so Martin Illner.

Stürme wie in der Karibik sind Gefahr für die Maibäume

Der erfahrene Gutachter beobachtet, dass die Maibäume in den vergangenen Jahren immer höher werden. Vereine, so Illner, wollen sich gegenseitig überbieten. Es entstehe fast ein Wettbewerb. Dazu komme der Klimawandel und die damit verbundenen stärkeren Stürme, erklärt Martin Illner: "Als ich 2003 angefangen hab mit den Maibaumprüfungen, da hatten wir Windstärke 12 als Maximum in Bayern. Im Zuge der Klimaveränderung sind wir mittlerweile bei Windstärke 14 in Bayern. Nicht jetzt hier auf dem Dorfplatz, aber z. B. oben auf dem Wendelstein oder der Zugspitze. Das waren so Stürme, die kannte man aus der Karibik. Aber so was ist für uns relativ neu."

Windstärke 12, das ist offiziell schon ein Orkan. Und 14 wird in der Beaufort-Skala als tropischer Wirbelsturm angegeben, der verheerende Zerstörungen anrichten kann. So kann es also durchaus sein, dass aus dem Maibaumpapst Illner dann plötzlich der Maibaumkiller wird. Wenn er anordnet, dass der Maibaum vor dem nächsten starken Sturm abgebaut werden muss.

Gnadenfrist für den Kolbermoorer Maibaum

Der Kolbermoorer Maibaum hat von Martin Illner noch eine Gnadenfrist bekommen, obwohl an zwei Stellen schon die schwarzen Schwammerl aus dem Holz wachsen. Im Gutachten des Maibaumprüfers steht, dass die Kolbermoorer nach Sturmereignissen an neuralgischen Punkten selbst prüfen müssen, ob der Baum beschädigt wurde. Vertreter von Bauhof und Feuerwehr hat Martin Illner geschult. Sie wissen, worauf zu achten ist.

So können die beiden Kolbermoorer Trachtenvereine gemeinsam mit der Stadtsing- und Musikschule Kolbermoor ihr Maibaumfest heuer feiern. Mit Maibaum. Sie alle hoffen, dass Martin Illner auch im kommenden Jahr noch einmal als Maibaumpapst zu ihnen kommt, nicht als Maibaumkiller. Denn ihr Baum sollte, so der Plan, bis 2026 stehen bleiben.

BR24 Retro: Maibaum-Aufstellen anno 1982

Maibaumaufstellen in Farchant
Bildrechte: BR-Archiv
Videobeitrag

Maibaumaufstellen in Farchant 1982

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!