Sein Selfie ist am Freitagabend in Whatsapp-Gruppen und auf Social Media kursiert: Ein bärtiger Mann mit Kletterhelm und Kamera, mit Klettergurten gesichert. Im Hintergrund sind die 143 Meter hohen Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld bei Schweinfurt zu sehen.
Der 37-Jährige war auf einen Strommast im Absperrbereich geklettert und hatte sich in zehn Metern Höhe festgekettet. Dadurch hat sich die für 18.30 Uhr geplante Sprengung der Türme überraschend um etwa eineinhalb Stunden verzögert. Lange war nicht klar, ob die Sprengung an diesem Abend überhaupt noch stattfinden kann.
Nach Stör-Aktion: Kraftwerksbetreiber prüft Schadenersatz
Nach der Aktion des Atomkraft-Befürworters prüft Kraftwerksbetreiber "PreussenElektra" aktuell Schadenersatz-Ansprüche. Für den 37-Jährigen könnte es nun teuer werden. "Zur Höhe der Mehrkosten können wir derzeit aber noch keine Angaben machen. Deren Ermittlung läuft erst an", so eine Sprecherin. Der Betreiber will diese Woche auch noch darüber entscheiden, ob er Anzeige erstattet.
Muss der Aktivist auch die Mehrkosten für Rettungskräfte zahlen?
Die Polizei prüft ebenfalls, ob sie dem 37-Jährigen die Mehrkosten für den Einsatz von Rettungskräften in Rechnung stellen kann. Darunter war ein extra angefordertes Team der Höhenrettung, das den Mann schließlich vom Strommast geholt hat.
Laut Polizei ist der Aktivist der Pro-Atom-Szene zuzuordnen. In der Zeit der Sprengung war er in Gewahrsam, danach hat ihn die Polizei wieder entlassen.
Polizei ermittelt gegen 37-Jährigen
Außerdem laufen Ermittlungen der Polizei gegen den 37-Jährigen – wegen Nötigung, Hausfriedensbruch und einem Verstoß gegen die Allgemeinverfügung, mit der das Landratsamt Schweinfurt die Absperrzone rund um das ehemalige Atomkraftwerk angeordnet hatte. Die Ermittlungen liegen bei der Polizei Schweinfurt und werden nach Abschluss von der Staatsanwaltschaft geprüft.
In dieser Allgemeinverfügung vom 13. August geht es um den Absperrbereich in der Zeit vor und nach der Sprengung. Darin heißt es unter anderem: "Zuwiderhandlungen gegen das Betretungsverbot können mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 1.000 Euro belegt werden."
10.000 Menschen haben Sprengung aus sicherer Entfernung verfolgt
Die spektakuläre Sprengung hatte am Freitag tausende Schaulustige aus der ganzen Region angelockt. Außerhalb des Gefahrenbereichs saßen Menschen auf Campingstühlen oder Picknickstühlen und verfolgten das Geschehen. Die Polizei schätzt die Zahl auf rund 10.000. Etwa 200 Polizeikräfte und 50 Feuerwehrkräfte waren im Einsatz.
Hintergrund: Atomkraftwerk Grafenrheinfeld im Rückbau
Die Bauarbeiten für das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld hatten vor genau 50 Jahren begonnen. 2015 wurde es stillgelegt, seit 2018 läuft der Rückbau. Dieser soll noch etwa zehn Jahre dauern. Aktuell ist der Standort ein Zwischenlager für Brennelemente.
Die Kühltürme in Grafenrheinfeld wurden aus zwei Gründen gesprengt: Einmal soll damit der Fortgang des Rückbaus sichtbar gemacht werden. Zum anderen braucht der einstige Betreiber "PreussenElektra" die Fläche eines Kühlturms, um darauf abgebaute Bauteile lagern zu können.
Zweite Sprengung von Kühltürmen in ganz Deutschland
Es war deutschlandweit die zweite Sprengung von Kühltürmen eines stillgelegten Kernkraftwerks. Vor gut vier Jahren waren in Philippsburg in Baden-Württemberg zwei Türme gesprengt worden. Wegen Corona hatte die Sprengung damals unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.
Im Video: Spektakuläre Drohnen-Aufnahmen von der Sprengung der Kühltürme
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