Der Messerangreifer von Aschaffenburg wurde zweimal zu Geldstrafen verurteilt. Wiederholt wurde gegen ihn ermittelt, unter anderem wegen Körperverletzung. Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) heute sagte: in insgesamt 18 Fällen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wusste bis vor einer Woche allerdings nichts davon. Die Innenministerien des Bundes und des Freistaats Bayern versichern: Die zuständigen Behörden handelten rechtens.
BAMF wird erst ab einem Jahr Freiheitsstrafe informiert
Nach Asylgesetz müssen Verfahren gegen Asylbewerber erst dann an das BAMF gemeldet werden, wenn Beschuldigte zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurden – oder wenn eine solche Strafe zu erwarten ist. Diese Vorgabe gilt zum Beispiel bei Sexualstraftaten, Körperverletzung oder Widerstand gegen die Polizei. Bei vielen anderen Vergehen ist das Strafmaß erst ab drei Jahren relevant. Erst dann müssen Strafverfolgungsbehörden das BAMF informieren.
Somit musste – nach derzeitigem Kenntnisstand – im Falle des 28-jährigen Afghanen keine Meldung an das BAMF erfolgen. Auch die Innenministerien bestätigen: Die Bundesbehörde, die über Asylanträge entscheidet, wusste bis zur Messerattacke nichts über vorige Delikte des Mannes.
Afghane war zweimal verurteilt – Strafen jeweils unter einem Jahr
Bereits zweimal wurde der Angreifer verurteilt, allerdings blieben die Strafen unter einem Jahr. Am 4. März 2023 war er in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge an einer Auseinandersetzung beteiligt. Der Afghane erhielt vom Amtsgericht Schweinfurt einen Strafbefehl wegen Körperverletzung. Er sollte 80 Tagessätze zu je zehn Euro zahlen, umgerechnet 800 Euro.
Ein knappes Jahr später, am 12. Februar 2024, war er mit einem falschen Fahrschein in einem Zug unterwegs. Vom Amtsgericht Aschaffenburg bekam er erneut einen Strafbefehl. Wegen versuchten Betrugs sollte er 15 Tagessätze zahlen. Beide Strafen mussten nach Angaben der Ministerien nicht an das BAMF gemeldet werden.
Weitere Ermittlungsverfahren gegen den Täter
Doch mit den beiden Verurteilungen des 28-Jährigen ist es nicht getan. Mehrere weitere Verfahren wurden nach Angaben des bayerischen Innenministers eingestellt. Andere Ermittlungsverfahren laufen noch. Details dazu hat zum Beispiel die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg über die dort anhängigen Verfahren bekannt gegeben.
Im Mai 2024 soll der Afghane in Aschaffenburg drei Bundespolizisten verletzt haben. Drei Monate später, Anfang August 2024, soll der Angreifer in seinem Wohnort Alzenau randaliert und ein Auto beschädigt haben. Als die Polizei eintrifft, schlug er nach Angaben der Staatsanwaltschaft immer wieder seinen Kopf auf den Boden. Er soll Rettungssanitäter und Polizisten getreten haben.
Nach beiden Vorfällen wird der Mann vorübergehend polizeilich in einer Psychiatrie untergebracht. Die Ermittlungen laufen noch.
Vorwürfe nehmen keinen Einfluss auf Asylverfahren
Wäre bei den zusätzlichen Vorwürfen mit einer Strafe von mehr als einem Jahr zu rechnen gewesen? Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg sagt: nein. Die Staatsanwälte hätten die beiden Verfahren geprüft. Erneut erfolgte keine Meldung an das BAMF. Auch Innenminister Herrmann sagt: Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor. Die Strafverfahren hatten somit keinen Einfluss auf das Asylverfahren.
In bestimmten Fällen kann eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung zum Schutzausschluss führen. Also dazu, dass eine Person das Recht auf Asyl verliert. Die Voraussetzungen dafür lagen auch nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums bis zum Tatzeitpunkt nicht vor.
Angreifer sollte kurzzeitig in Haft
Inzwischen geht die Aschaffenburger Staatsanwaltschaft auch noch der Aussage einer Zeugin nach. Demnach soll der 28-Jährige eine Bewohnerin einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau mit einem Messer verletzt haben. Die Vorwürfe wurden aber erst nach der Messerattacke in Aschaffenburg angezeigt. Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Landtages sagte, soll der Afghane in 18 Fällen beschuldigt worden sein.
Bereits vor wenigen Tagen wurde außerdem bekannt: Die bereits ausgesprochenen Geldstrafen hat der Messerangreifer nie gezahlt. Kurz vor Weihnachten 2024 hätte er wegen einer der Strafen sogar eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe antreten sollen, also für mehr als einen Monat ins Gefängnis gemusst. Erschienen ist er bei der JVA nie. Das fiel den Vollzugsbeamten auf. Allerdings: Durch eine komplizierte juristische Regelung blieb der Mann vorerst auf freiem Fuß. Denn zwischenzeitlich hätte eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen. Bis zum Messerangriff ist das aber nicht geschehen.
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