Manfred Schneider betreibt einen Milchvieh-Hof mit rund 150 Kühen in Ottobeuren im Unterallgäu. Zurzeit könne er vom Verkauf seiner Milch gut leben. Langfristig planbar seien die Einnahmen aber nicht, sagt er. Der Milchpreis sei mit seiner Molkerei in der Regel monatlich festgelegt. Je nachdem, wie die Molkerei die Produkte verkaufen könne, werde am Ende ausgezahlt. Im Moment gebe es gut 50 Cent für den Liter konventionell erzeugter Milch.
Schwierige Kalkulation bei Investitionen
2016 etwa hatte der Milchpreis in Bayern laut dem Verband der Milcherzeuger (VMB) einen Tiefpunkt von nur noch knapp über 25 Cent erreicht. Ende 2022 lag er bei rund 60 Cent. Die Schwankungen seien für die Bauern ein Problem: Es sei schwierig, zu kalkulieren, wenn etwa Kredite abbezahlt werden müssten. Entscheidungen für Investitionen müsse man immer auch mit "Bauchgefühl" treffen, sagt Bauer Schneider. Denn: "Wenn du heute entscheidest, einen neuen Stall zu bauen, musst du sicher sein, dass du die nächsten 25 Jahre das Ganze bedienen kannst."
Biomilch-Preis schwankt weniger stark
Siegfried Villing hält seine 80 Milchkühe in Bad Grönenbach. Er hat vor fünf Jahren auf Bio-Landwirtschaft umgestellt und dafür einen neuen Stall gebaut. Mit Blick auf die Stabilität der Einnahmen hat er einen Vorteil: Im Biobereich schwanken die Preise weniger stark. Biomilch und verarbeitete Biomilch-Produkte werden weniger international, dafür mehr regional und national gehandelt und hängen daher weniger am Weltmarktpreis, sagt er.
"Das ist gegenüber der Bank eine gewisse Sicherheit, wenn man sagen kann, man hat mit brauchbaren Ergebnissen am Ende des Monats zu kalkulieren", meint Villing. Der durchschnittliche, deutschlandweite Biomilch-Preis schwankte in den vergangenen zehn Jahren mit Abweichungen zwischen knapp 47 und gut 63 Cent, das bedeutet, mit deutlich weniger starken Ausschlägen nach oben oder unten als im konventionellen Bereich.
Bauern wollen mehr Marktmacht
Trotz einer vergleichsweisen Stabilität seiner Preise wünscht sich Biobauer Siegfried Villing eine stärkere Marktmacht der Landwirte gegenüber dem Handel. "Fakt ist, dass es wenige große Konzerne gibt, die den Markt dominieren im Lebensmitteleinzelhandel", sagt er.
Den häufigen Vorwurf des Preisdumpings weisen die großen Supermarktketten Rewe, Edeka und Lidl auf Anfrage aber zurück. Aldi antwortet, "dass wir uns zu Preisgestaltungen generell nicht äußern".
Ministerin Kaniber will Direktvermarktung fördern
"Uns allen muss daran gelegen sein, dass Landwirte die Preise bekommen, die die Herstellungskosten abbilden", teilt die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) auf Anfrage mit. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass der Staat keine Nahrungsmittelpreise festsetze. Deshalb unterstütze "die bayerische Agrarpolitik gezielt die Direktvermarktung", diese trage dazu bei, "dass für die hiesigen Landwirte die Wertschöpfung steigt".
Bundeslandwirtschaftsministerium will Preiszusagen der Molkereien
Für mehr Preisstabilität könnte auch ein Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Änderung der Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Verordnung sorgen. Dieser soll Molkereien verpflichten, ihren Lieferanten für mindestens 80 Prozent der gelieferten Milchmenge ein Angebot über einen bestimmten Zeitraum zu machen. Der Milch-Industrie-Verband (MIV) der deutschen Molkereien kritisiert jedoch, eine solche Regelung untergrabe "die Prinzipien der Vertragsfreiheit sowie privatwirtschaftlicher und genossenschaftlicher Autonomie". Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.
Für Bauer Manfred Schneider aus Ottobeuren ist die Situation im Moment nicht schlecht. Man könne bei der aktuellen Einnahmesituation sogar "Rücklagen bilden" für schlechtere Zeiten, sagt er. Denn wenn morgen früh der Tanklaster die Milch abholt, weiß er, dass er für den Liter einen guten Preis bekommen wird. In einem Monat kann das aber schon wieder ganz anders sein.
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