"Wir vermissen dich" steht auf einem Herz, das auf einem geschmückten Grab liegt.
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Mütter, die eine Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche erleiden, haben nun Zeit für Trauer und Heilung.

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Mutterschutz nach Fehlgeburt: Eine Sternenkind-Mutter berichtet

Mutterschutz nach Fehlgeburt: Eine Sternenkind-Mutter berichtet

Mütter, die eine Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche erleiden, haben nun Zeit für Trauer und Heilung. Der Bundestag hat ein neues Gesetz zum "gestaffelten Mutterschutz" verabschiedet. Für Betroffene ist die neue Regelung ein Meilenstein.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Carol-Anne Ruck hat eine helle Holzkiste vor sich. Darin ihr größter Schatz, die einzigen Erinnerungen an ihren ersten Sohn – Sternenkind Liam. Die 32-jährige Frau mit blonden Haaren und Nasenring nimmt behutsam die Erinnerungsstücke aus der Kiste: den positiven Schwangerschaftstest, eine kleine Geburtsurkunde, weiße, gestrickte Söckchen, ein kleines, blaues Püppchen und ihren Mutterpass mit den Ultraschallbildern ihres Babys.

Tränen laufen der Frau aus der Nähe von Ansbach die Wangen hinunter. Auch knapp fünf Jahre nach ihrer Fehlgeburt wird die junge Mutter emotional, wenn sie über ihr Sternenkind spricht.

Trotz Wochenbett und Trauma bisher kein Mutterschutz

Liam kam in der 15. Schwangerschaftswoche tot zur Welt. Er hatte Trisomie 18, einen schweren Gendefekt. "Der Boden wurde einem plötzlich unter den Füßen weggezogen, er entstand aus so einem großen Wunsch, der da war und dann wurde das einem entrissen und es ging so schnell. Man kann einfach nichts dagegen tun", so beschreibt Carol-Anne ihre Gefühle von damals.

Die junge Frau bringt Liam im Krankenhaus zur Welt. Nach wenigen Tagen ist sie wieder daheim. Zu Hause muss sie sich die Frage stellen, wie es jetzt weitergeht. Denn trotz Wochenbett und Trauma gab es für Frauen nach einer Fehlgeburt bisher keinen Mutterschutz, bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Das ändert sich aber künftig, denn mit dem sogenannten "gestaffelten Mutterschutz" wurde im Bundestag beschlossen: Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, sollen bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche Schutz erhalten.

Trauer braucht Raum

Für Carol-Anne hatte es damals noch keinen Mutterschutz gegeben. Als Mutter eines Sternenkinds war sie auf eine Krankschreibung vom Arzt angewiesen. Immer wieder berichten Betroffene, dass sie darum kämpfen mussten. Immerhin: Carol findet damals eine empathische Ärztin und wird mehrere Wochen krankgeschrieben. Sie kann in Ruhe das Geschehene verarbeiten. Auch mithilfe ihrer Trauerbegleiterin und mit regelmäßigen Treffen in einer Gruppe.

Für Betroffene ist es wichtig, der Trauer genug Raum zu geben. Dies sein ein essenzieller Punkt zur Verarbeitung des Traumas, sagen Experten wie Trauerbegleiterin Katharina Rust aus Erlangen: "Das Problem ist, dass das Kind nicht mehr da ist, und die Trauer ist die Lösung. Und wenn der Körper aber nicht trauern darf, dann wird er krank."

Gesellschaftliche Anerkennung

Hebamme Christine Maek aus Nürnberg hat schon zahlreiche Frauen während und nach Fehlgeburten begleitet, sie kennt ihre Bedürfnisse. Der neue "gestaffelte Mutterschutz" sei nicht nur wichtig für Betroffene, um sich körperlich und geistig zu erholen, sondern setze auch ein wichtiges Zeichen für die Gesellschaft. "Schaut mal, da ist der Frau doch sowas Großes passiert, dass ihr Mutterschutz zusteht. Also das Ganze wird aufgewertet", so Maek.

Immer mehr Betroffene öffnen sich

Fehlgeburten dürfen kein Tabu-Thema mehr sein. Für Mütter sei es oft noch schambehaftet. In vielen Fällen fühlen sie sich für das Geschehene verantwortlich, so die Expertinnen. In den letzten Jahren hat sich aber etwas gewandelt, findet Carol-Anne Ruck. Das Thema sei mehr in der Gesellschaft angekommen.

Immer mehr Frauen sprechen über ihre Geschichte: "Wenn ich jemandem sage, dass mir das passiert ist, dann kommt doch mal die Tante oder die Freundin raus, ihr ist es auch schon passiert und jeder kommt irgendwie vor und man fühlt sich nicht allein mit dem Thema", so Carol-Anne.

Sterne der Erinnerung

Auch in der Nürnberger Kirche St. Sebald wird das Thema im Moment sichtbar. Am sogenannten Baum der Erinnerung. Verwaiste Eltern haben Holzsterne angebracht. Für jedes verstorbene Kind einen. Etwa zweitausend kleine Holzsterne hängen mittlerweile. Noch bis zum 2. Februar steht der Baum in einer Nische der evangelischen Kirche. Dann findet auch eine Andacht statt, um an die Sternenkinder zu erinnern. Die Holzsterne werden danach eingesammelt und dem Osterfeuer mitgegeben. Auch Liam hat einen Stern am Baum.

Ultraschallbilder einer Schwangerschaft
Bildrechte: BR-Studio Franken
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Bisher haben Mütter nach einer Fehlgeburt keinen Anspruch darauf. Dabei ist diese Erfahrung psychisch und seelisch sehr belastend.

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