Bär (Symbolbild)
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Die Angst vor dem Bär in Bayern: Was steckt dahinter?

Eine Allgäuer Landrätin hat zuletzt bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Aus ihrer Sicht braucht es eine schussbereite Bären-Polizei, um Angriffe auf Menschen wie im Trentino zu vermeiden. Doch wie notwendig ist ein solcher Bären-Plan in Bayern?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bären in Bayern, die sich dauerhaft niederlassen: Kann das gutgehen? Seit fast 200 Jahren leben in Deutschland keine Bären mehr. Mensch und Bär haben sich also entfremdet.

Trentino: Bär attackiert Touristen

Nun nimmt zumindest die Vorstellung konkrete Formen an, dass das Tier hier wieder dauerhaft leben könnte. Deshalb erregen Berichte über Bärenangriffe auf Menschen in anderen Teilen Europas auch in Bayern große Aufmerksamkeit.

So geschehen etwa vergangene Woche in Rumänien – oder am Dienstagmorgen in Norditalien im Ort Naroncolo nördlich des Gardasees, wie die Verwaltung der Provinz Trentino mitteilte. Der attackierte Tourist wurde mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen.

Örtlichen Medienberichten zufolge war der 43-jährige Franzose auf einem Waldspaziergang unterwegs, als er von dem Bären attackiert wurde. Nach Behördenangaben erlitt er Verletzungen an Armen und Beinen. Forstbeamte suchten vor Ort nach Spuren, um den Bären identifizieren zu können.

Bayerisches Umweltministerium: Kein Hinweis auf Bär im Freistaat

Derartige Angriffe spalten im Trentino längst die Bevölkerung. Die eine Seite fordert mehr Abschüsse, die andere Seite protestiert vehement und will die Tiere schützen. Auch in Bayern gibt es erste Meinungsverschiedenheiten, obwohl der Bär noch gar nicht angekommen ist. Erst Mitte vergangener Woche antwortete das bayerische Umweltministerium auf BR-Anfrage, dass es in Bayern "keinen Nachweis für einen Bären" gebe. Aktuell sei laut den Experten des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) auch nicht zu erwarten, dass Bären sich in Bayern dauerhaft ansiedelten.

Der Bär ganz nah

Aber es gibt politische Kräfte, denen das nicht genügt. Denn aus geografischer Sicht ist Bayern dem Bären viel näher, als so manch einer glaubt. Befindet sich doch die nächste Bärenpopulation im italienischen Trentino, nur etwa 120 km von Bayern entfernt. "Dort leben zurzeit etwa 100 Bären, mit leicht steigender Tendenz (Stand: 04/2023). Weitere Einzeltiere kommen im Dreiländereck von Slowenien, Italien und Österreich vor", heißt es auf der Website des LfU (externer Link).

Weiter berichtet das Landesamt, dass vor allem halbwüchsige Bärenmännchen auf der Suche nach einem eigenen Territorium oft weite Strecken zurücklegen: "So wandern aus dem Kerngebiet nördlich des Gardasees immer wieder einzelne Tiere in den nördlichen Alpenraum, wie 2016 nach Graubünden und Tirol oder 2006 nach Tirol und Bayern."

Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Situation? Die Geschichte der Bärenansiedlung im Trentino begann Anfang der 2000er Jahre. Bären galten dort als ausgestorben und wurden dann in einem der größten Auswilderungsprojekte der vergangenen Jahre in Norditalien wieder heimisch. Doch die Konflikte nehmen zu – bald auch in Bayern?

Was eine Allgäuer Landrätin fordert

Indra Baier-Müller (FW) etwa, Landrätin für das Oberallgäu, fordert seit Längerem, sich auf solche Fälle besser vorzubereiten. Sie hat sich mit den Wanderbewegungen beschäftigt, wie sie dem BR erklärt: "Und zwar deshalb, weil ich öfters hier in den Bergen unterwegs bin, und nachdem hier letztes Jahr im Hintersteiner Tal nicht weit von Bad Hindelang ein Bär gesichtet wurde, tatsächlich die Frage auftaucht: Was tue ich denn, wenn mir ein solches Tier jetzt unterwegs begegnet?"

Hierzu liefert das LfU Antworten – zumindest aus theoretischer Sicht. "Legen Sie sich bäuchlings flach auf den Boden oder kauern Sie sich auf den Boden, die Hände im Nacken", lautet ein Tipp.

Wegen Bären-Management: Schreiben ans Umweltministerium

Doch die Landrätin will sich damit nicht zufriedengeben. Sie glaubt, "dass die Alpen-Landkreise tatsächlich in den nächsten Jahren durchaus mehr "mit dieser Thematik konfrontiert sein werden". Denn die Population im Trentino führe zwangsläufig zu Wanderbewegungen.

Und deshalb fordert sie, dass sich Bayern besser auf den Bären-Fall vorbereiten muss. Baier-Müller hatte vor einem Jahr nach einer Reihe von Bärennachweisen in Südbayern eine "Initiative Braunbär" gegründet, um die Verantwortlichen in den alpennahen Regionen Bayerns zu vernetzen.

Im Nachgang der ersten Sitzung der Initiative hat sie die Erkenntnisse des ersten Treffens in einem offenen Brief an Umweltminister Thorsten Glauber (FW) zusammengefasst. Darin regt sie unter anderem an, den von 2007 stammenden bayerischen Braunbären-Managementplan dringend zu überarbeiten. Im Jahr zuvor war damals der Bär Bruno im Freistaat erschossen worden. Dieses Tier wurde als sogenannter Problembär, der eine Gefahr für die Bevölkerung darstelle, von den Behörden eingestuft.

Die Landrätin und die Bären-Polizei

Die Landrätin fordert außerdem auch Unterstützung vom Freistaat, wenn es darum geht, die Bevölkerung oder Touristen zu informieren. Der Brief mit ihren Forderungen werde noch geprüft, betont das Umweltministerium. Die Landrätin plädiert etwa für Hinweisschilder oder eine jederzeit einsatzbereite Bären-Bereitschaft, die Bären im Ernstfall mit Gummigeschossen vergrämt – und sie im Notfall auch erschießt. Medien sprachen in diesem Zusammenhang sogar von einer bewaffneten Bären-Polizei.

"Ich bin ein Freund von Vorbereitung. Wir hatten jetzt tatsächlich den Fall in Rumänien, dass jemand zu Tode gekommen ist durch einen Bären. Auch in diesem Jahr gab es im Lechtal eine Bärensichtung. Wir tun gut daran, uns vorzubereiten, ohne Panik zu machen", so Indra Baier-Müller im BR-Interview.

Ministerium reagiert zurückhaltend

Das Umweltministerium reagiert auf den Vorschlag zu einer bewaffneten Bären-Bereitschaft aus dem Allgäu sehr zurückhaltend. "Wichtig ist, dass bereits aufgrund der bestehenden Rechtslage im Ernstfall sehr schnell reagiert werden kann", betont ein Ministeriumssprecher. "Im Ernstfall kommen alle Maßnahmen in Betracht. Das schließt auch den Abschuss ein."

Und, so das Ministerium, in der momentanen Situation gehe es vor allem um Beobachtung, Information und Prävention – um zum Beispiel Risse von Vieh zu vermeiden. Im aktuellen Managementplan gebe es aber auch Regelungen zu Vergrämung und Abschüssen. "Die Sicherheit der Menschen steht immer im Mittelpunkt und hat uneingeschränkten Vorrang", erklärt der Sprecher.

Wie gefährlich ist der Bär?

Letztlich stellt sich die Frage, wie realistisch eine Begegnung von Mensch und Bär wirklich ist. "Bären passen ihren Aktionsradius normalerweise an saisonal verfügbare Nahrungsquellen und die Aktivität des Menschen an. Gebiete, in denen tagsüber viele Menschen anzutreffen sind, durchstreift der Bär vor allem in der Nacht", heißt es vom Landesamt für Umwelt.

Und weiter wird berichtet, dass Bären sehr intelligent seien. "Lernen die Tiere, dass es rund um und in menschlichen Siedlungen leicht erreichbare Nahrung gibt, suchen sie Siedlungen auch gezielt auf."

Bären ernähren sich überwiegend fleischlos. Beeren, Wurzeln, Kräuter, Nüsse und Pilze stehen auf dem Speiseplan, Honig gilt als Leckerbissen. Wenn es ums Fleisch geht, nehmen Bären alles: Fische, Insekten, Larven, Vogeleier. Aber eben auch große Säugetiere wie Rehe. Bären reißen jedoch auch Nutztiere, wie Schafe, Ziegen oder Kühe.

Dass Begegnungen mit dem Bären durchaus gefährlich sind, zeigen Beispiele im Trentino. Vergangenes Jahr etwa war dort ein Jogger von einer Bärin attackiert und getötet worden. Seitdem hat sich die Debatte um das Zusammenleben von Bär und Mensch in der Provinz zugespitzt. Als Reaktion wurde zuletzt ein Gesetzesentwurf gebilligt, mit dem die Ausbreitung der Bärenpopulation eingedämmt werden soll. Er sieht die Möglichkeit vor, bis zu acht Tiere pro Jahr zu töten.

Bären-Vermittler im Schwarzwald

Vielleicht liegt eine Lösung im Schwarzwald. Dort befindet sich die deutsche "Stiftung für Bären", die den Wildtierpark in Bad Rippoldsau-Schapbach im baden-württembergischen Landkreis Freudenstadt betreibt. Die Organisation ist seit Längerem vermittelnd zwischen den verschiedenen "Parteien" im Bärenstreit des Trentino tätig und sieht die Unterbringung im Schwarzwald als das "kleinste Übel" für besonders wilde Bären an.

Auch die Bärin JJ4 soll im Schwarzwald eine Heimat finden. Sie hatte im vergangenen Jahr im Trentino den Jogger überfallen. Nach dem Unglück wurde sie von ihrem Jungen getrennt und in ein Gehege gesperrt. Nach zahlreichen Protesten von Tierschützern hatte die Provinzverwaltung vor zwei Monaten angekündigt, die Bärin JJ4 in das Schutzgebiet im Schwarzwald zu verlegen.

Mit Informationen von AFP und dpa.

Im Audio: Bären-Angriff - Urlauber nördlich des Gardasees verletzt (16.07.24)

Symbolbild: Braunbär im Wildpark Poing
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Lino Mirgeler
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Ein Urlauber ist in Norditalien von einem Bären angegriffen worden.

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