Der Dieselskandal kommt 2015 in den USA ins Rollen. Der Vorwurf: VW habe mit einer speziellen Software die Messung des Schadstoffausstoßes bei Diesel-Fahrzeugen manipuliert. VW gibt den Sachverhalt zu: Die Pkw halten im Testlabor die Grenzwerte für Schadstoffe ein – auf der Straße stoßen die Fahrzeuge aber ein Vielfaches mehr an Stickoxiden aus als erlaubt.
Wenige Monate später erreicht der Skandal auch die Ingolstädter VW-Tochter Audi. Der Autobauer bezahlt 2018 ein Bußgeld von 800 Millionen Euro. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler und weitere Manager müssen sich vor Gericht verantworten. Über zweieinhalb Jahre läuft der Prozess in München. Heute sind die Urteile gegen Stadler und zwei weitere Angeklagte gefallen.
Audi-Belegschaft blickt in die Zukunft
In Ingolstadt beschäftigt die Belegschaft der Dieselskandal nur noch am Rande. Selbstverständlich sei er an Verhandlungstagen Gesprächsthema gewesen, so ein Sprecher des Betriebsrats. Aber im Werk in Ingolstadt gehe der Blick in die Zukunft. Wichtig sei, dass man in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen habe, damit so etwas nicht mehr vorkomme. Im Fokus stehe jetzt aber die Transformation - hin zur E-Mobilität und zur Digitalisierung.
Bis 2025 sollen rund 9.500 Stellen sozialverträglich abgebaut werden – etwa durch Ruhestand oder Einigungen – zugleich aber 2.000 neue Expertenstellen aufgebaut werden. Transformationsbedingte Kündigungen schließt Audi mit seiner Beschäftigungsgarantie bis 2029 aus. Bereits ein Jahr früher, 2028, sollen in Ingolstadt nur noch E-Autos gebaut werden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Audi wollen sich größtenteils nicht öffentlich zum Urteil gegen E-Audi Chef Stadler äußern. Nur ein Mitarbeiter kritisiert gegenüber BR24, dass er das Urteil nicht ausreichend findet: "Von unseren Führungskräften war das keine gute Strategie und ich finde es nicht korrekt, dass sie es erst so spät zugegeben haben. Man war nicht ehrlich zu uns Mitarbeitern, die hier jeden Tag buckeln.“
Audi nimmt Entscheidung zur Kenntnis
Audi nimmt zum Urteil keine Stellung. In einer schriftlichen Mitteilung heißt es, man habe die Entscheidung des Landgerichts zur Kenntnis genommen. Und verweist darauf, dass das Unternehmen nicht prozessbeteiligt sei und das Verfahren daher unabhängig von der Audi AG zu sehen sei. Außerdem: "Ungeachtet dessen hat Audi die Krise zur Erneuerung genutzt: Wir haben unsere Systeme, Prozesse und Kontrollen neu aufgestellt, um unternehmensweit Compliance sicherzustellen."
Ingolstädter mit geteilter Meinung zum Urteil
Die Menschen in der Region hat das Thema dennoch beschäftigt. Audi ist einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Auch Rupert Stadler kommt von hier. Für die Menschen gibt es viele Berührungspunkte mit Audi. In der Ingolstädter Innenstadt zeigt sich ein diverses Bild: Einige Passanten verurteilen den Dieselskandal und die Auswirkungen auf die Region stark, andere haben die ganze Thematik nach der langen Zeit schon beinahe wieder vergessen. Das Urteil gegen Rupert Stadler finden einige angemessen, andere zu mild – wieder andere sehen ihn als reines "Bauernopfer".
Rekordgewinne bei Audi – trotz des Dieselskandals
Trotz des Skandals ist Audi – mal wieder – gut durch die Krise gekommen. Das Vertrauen der Kunden in die Marke scheint nicht nachhaltig beschädigt zu sein. Das vergangene Jahr war ein Rekordjahr, was das operative Ergebnis angeht. Auch den Umsatz konnte das Unternehmen nochmals deutlich steigern – und das, obwohl weniger Autos ausgeliefert wurden als in den Jahren zuvor.
Audi profitierte von einem Preisauftrieb bei Neu- und Gebrauchtwagen, weil die hohe Nachfrage auf ein eingeschränktes Angebot traf. Denn immer wieder musste der Autobauer die Produktion durch fehlende Elektronikchips unterbrechen. Für die Region ist Audi ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Audi – der Motor der Region
In Ingolstadt sind rund 40.000 Menschen direkt bei Audi angestellt. Dazu kommen noch viele weitere Jobs bei Zulieferfirmen in der Region. Die Stadt profitiert von der Gewerbesteuer. Ingolstadt ist schuldenfrei und hat noch Rücklagen. Auch die Arbeitslosigkeit zählt zu den niedrigsten in Bayern. Die Stadt Ingolstadt selbst ist dadurch in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. Seit den 1970er-Jahren hat sich die Bevölkerungszahl von rund 70.000 auf über 140.00 Menschen mehr als verdoppelt. Ingolstadt ist mittlerweile die fünftgrößte Stadt Bayerns. Das bringt viele Herausforderungen mit sich.
Stadt Ingolstadt blickt positiv in die Zukunft
Vom Dieselskandal habe die Stadt keinen Schaden genommen, meint Wirtschaftsreferent Prof. Dr. Georg Rosenfeld. "Wir werden als guter, innovativer Standort wahrgenommen." Um die Zukunft mache man sich keine Sorgen. "Nach unserem Eindruck hat Audi eine klare Transformationsstrategie und setzt die auch gut um und vor allem: investiert auch weiter", so Wirtschaftsreferent Rosenfeld. Gemeinsam mit Audi entwickelt die Stadt im Süden einen Innovationscampus auf einem ehemaligen Raffinierie-Gelände. "Wir haben in Ingolstadt schon immer Transformationssituationen gemeistert und deswegen schaffen wir das auch diesmal und können zuversichtlich in die Zukunft schauen", so Rosenfeld.
Man setze auch auf andere Bereiche der Mobilität, wie die Urban Air Mobility, i.e. die Verlagerung von Verkehr in die Luft. Dazu wird am Standort Ingolstadt viel geforscht. Dazu kämen die beiden Hochschulen, die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Technische Hochschule Ingolstadt. "Da kommen viele Studierende zu uns, was für die Stadt sehr wichtig ist", meint Rosenfeld. Allerdings bringt das enorme Wachstum auch Probleme mit. Wohnraum ist knapp. Mieten und Grundstückspreise sind vergleichsweise hoch. Auch wenn derzeit im Nordwesten der Stadt mehrere Hundert neue Wohnungen entstehen, bleibt die Wohnungssuche für viele eine Herausforderung.
BR24live zum Urteil gegen Stadler
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