Das Cover des Dorfkalender Hofstetten.
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Der Dorfkalender in Hofstetten liefert Anekdoten rund um den kleinen Ort - und sorgt für Zusammenhalt.

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Nagel im Knie, 6.000 DM für Semmeln: Anekdoten im Dorfkalender

Nagel im Knie, 6.000 DM für Semmeln: Anekdoten im Dorfkalender

In der Gemeinde Hofstetten-Hagenheim leben nur 1.900 Menschen, aber die erleben allerhand. Seit 25 Jahren erscheint ein Kalender mit den kuriosesten Geschichten: vom explodierten Ölofen bis zum Arzt, der vom Zimmerer unterrichtet wird.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Dass mal aus einer Dorferneuerung ein jährlicher Anekdoten-Kalender entsteht – das hätte auch Rolf-Jürgen Lang nicht gedacht. Der Autor wollte im Jahr 2000 für die Dorferneuerung in seiner Gemeinde Hofstetten-Hagenheim im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech lediglich etwas Anschaulicheres als einen Flyer herausgeben.

"Wir machen einen Kalender, dann hängen das die Leute zumindest zwölf Monate an die Wand. Der sollte vor allem viele Bilder von den Menschen, die hier im Ort wohnen, beinhalten", erzählt Lang. Und so entstand ein Dorfkalender mit Anekdoten. Im Herbst kommt nun schon die 25. Auflage heraus. Ebenso ein Buch mit dem Titel "Hinter den Fensterscheiben", indem Lang die besten Kalendergeschichten gesammelt hat.

Was der Arzt vom Zimmerer lernte

In der kommenden Ausgabe des Dorfkalenders erzählt Lang unter anderem, wie ein Arzt von einem Zimmerer noch etwas lernen konnte. Damals hatte sich Zimmerer Florian Sanktjohanser einen zwölf Zentimeter langen Nagel versehentlich ins Knie geschossen. Die Kollegen rufen den Notarzt. Doch im Krankenhaus gibt es für diesen Fall nicht die passenden Instrumente, erinnert sich Sanktjohanser.

Deshalb leiht sich der behandelnde Arzt vom Hausmeister eine Kneifzange. Kurzerhand weist der Zimmerer auf dem OP-Tisch die Ärzte an, wie man den Nagel gerade herauszieht. Das wird bestimmt ein steifer Fuß, haben die Ärzte gesagt. Doch nach sechs Wochen steht Florian Sankjohanser wieder auf dem Dach.

Ein unheimlicher Gast in der Dorfwirtschaft

Nochmal alles gut gegangen ist es auch ein paar Straßen weiter, in der Dorfwirtschaft. In den 80er-Jahren hatte die damalige Wirtin Christa Feldinger eine unheimliche Begegnung. Ein fremder Gast bedrängt sie und schleicht sogar später wieder in die bereits geschlossene Wirtschaft. Doch das lässt sich die Wirtin nicht gefallen, zur Not tut es auch ein Stück Trockenfleisch. "Da hab ich die Tür aufgmacht und hab gsagt: Jetzt schaust aber, dass naus kommst, sonst werd ich nacher zintig", sagt Feldinger, "Ich hab nämlich einen Ochselfiesel, den hau ich dir nacher hinüber, wenns nicht gehst." In der Gaststube hat Christa Feldinger schon vieles erlebt.

Eine ungewöhnliche Brotrechnung

In der Wirtschaft hört Autor Rolf Lang immer wieder gute Anekdoten für seinen Kalender. Dort bekommt er auch einige Fotos zu den Geschichten von seiner Bekannten Erika, die Hunderte Fotografien aus Hofstetten gesammelt hat. Manche Geschichten schnappt Lang auch bei Nachbarn auf, wie zum Beispiel seinem Freund Hans Wiedemann.

Der Landwirt hatte einmal eine ungewöhnliche Brotrechnung von dem örtlichen Bäcker erhalten: Mehr als 6.000 D-Mark sollte er zahlen. Der Grund: Es hatte sich einiges angesammelt, erzählt Wiedemann. Von Januar 1974 bis Dezember 1983 hat er die Rechnungen für Brot, Semmeln und Brezen aus zehn Jahren – alle auf einmal – gekriegt. Unter anderem hatte der Bäcker 11.860 Semmeln geliefert – und nie eine Rechnung gestellt. "Wir haben da Vertrauen gehabt und er hat das gleiche Vertrauen zu uns gehabt. Der hat ja immer wieder gesagt: Ja, ja, das pressiert nicht", erzählt Wiedemann.

Die Braut neben dem explodierten Ofen

In einem Dorf wie Hofstetten kann man sich noch aufeinander verlassen. So konnte sich auch eine Braut an ihrem Hochzeitstag auf die Friseurin im Ort verlassen – trotz der ungewöhnlichen Umstände. Hannelore Brendl betrieb damals noch ihren Friseursalon im alten Feuerwehrhaus. Dort explodiert kurz vor dem Termin der Ölofen und bedeckt den gesamten Salon mit schwarzem Ruß. Doch Hannelore Brendl gibt nicht auf. Sie schafft den rauchenden Ofen nach draußen und frisiert dann die Braut auf einem frei gekehrten Fleckchen.

Dorfkalender hängt in fast allen Haushalten

Rund 480 der 500 Haushalte in der Gemeinde kaufen jeden Herbst einen Kalender. Selbst im Rathaus hängen die Kalender aus den vergangenen 24 Jahren an der Wand, auf die Initiative von Bürgermeisterin Ulrike Högenauer. Sie ist sicher, dass die Dorfkalender die Gemeinde enger zusammen gebracht hat. "Der Kalender hat auch dazu geführt, dass die Termine der Vereine im Ort früher abgesprochen werden", so die Bürgermeisterin.

Die Gemeinde übernimmt die Druckkosten für die Kalender, die nicht durch den Verkauf gedeckt werden können. Zudem organisiert die Gemeinde den Verkauf, bei welchem Jugendliche aus dem Ort jeden Herbst von Tür zu Tür gehen.

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