Kita-Leiterin Jenny Beyer spielt im der AWO-Kita Altenplos mit den Kindern mit Bauklötzen.
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Jenny Beyer leitet die Kita in Altenplos. Sie spürt den Ärger der Eltern, wenn die ihre Kinder daheim betreuen müssen, weil Erzieher krank sind.

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Notbetrieb im Kindergarten: Wenn das Kind nicht in die Kita darf

Notbetrieb im Kindergarten: Wenn das Kind nicht in die Kita darf

Eltern gehen auf die Barrikaden, Erzieher sind am Limit. Verzweifelt versuchen die Kitas den Betrieb trotz Personalmangels am Laufen zu halten. Dazwischen: die Kinder. Es scheint: Ihre Bedürfnisse und die der Eltern gehen nicht mehr zusammen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

In der Kita in Altenplos im Landkreis Bayreuth herrscht dicke Luft. Viele Eltern fühlen sich überfordert. Etwa 30 Mal hat der Kindergarten in den vergangenen sechs Monaten Teile seines Betreuungsangebotes gestrichen. Zwölfmal wurden einige der Kinder auch gar nicht erst in die Kita gelassen. Der Grund: Wenn Erzieher krank werden, reagiert die Kita Altenplos anders als andere Einrichtungen.

An manchen Tagen darf ein Teil der Kinder nicht in die Kita

Träger der Kita ist der Bezirksverband der Arbeiterwohlfahrt Ober- und Mittelfranken (AWO). Während in anderen Kindergärten bei Personalnot oft diejenigen Eltern ihre Kinder freiwillig daheim betreuen, die sowieso zu Hause sind, überlässt die AWO den Eltern diese Entscheidung manchmal nicht. An manchen Tagen beschließt die Kita selbst, welche Kinder kommen dürfen und welche nicht. "Ohne Großeltern wären wir aufgeschmissen", sagt eine Mutter. "Wir können kein Homeoffice machen, es geht an die Existenz", ergänzt ein Vater.

Freiwillig bleiben oft die gleichen Kinder daheim

Um zu verhindern, dass bei Personalausfall immer die gleichen Kinder der Kita freiwillig fernbleiben, werden die Kinder in Altenplos in sechs Notfallgruppen eingeteilt. Je nachdem wie viele Erzieher fehlen, dürfen eine oder mehrere dieser Gruppen dann einen Tag nicht in die Kita kommen. Hält der Krankenstand an, bleiben an den nächsten Tagen andere Gruppen daheim.

Die AWO bezeichnet dieses System als besonders fair und beruft sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. "Alle Kinder haben das gleiche Recht auf Bildung und Betreuung", sagt Michaela Koch, Fachbereichsleiterin für die Kitas der AWO. "Es gibt keinen Beruf, der bevorzugt behandelt wird, aber auch keinen, der benachteiligt wird."

Erzieher entlasten, damit nicht noch mehr ausfallen

Nur so könne auch eine hohe Betreuungsqualität gewährleistet werden. Denn nur wenn auch im Notfall auf einen Erzieher nicht mehr als die neun Kinder kämen, könne noch pädagogisch gearbeitet werden. Zwar könne man den Betreuungsschlüssel an einzelnen Tagen überschreiten, teilt die Aufsichtsbehörde im Bayreuther Landratsamt mit, "das wollen wir aber nicht", sagt Koch. Auch aus Rücksicht auf die Erzieher, die nicht überlastet werden sollen, damit sie nicht als Nächstes ausfallen.

Im Video: Wie unterschiedlich zwei Kitas mit dem Mangel umgehen

Kita ohne Notbetrieb – Erzieher am Limit

Anders läuft das in der Kita Spatzennest in Bayreuth, einer Einrichtung der Diakonie. Dort kennen die Eltern den Begriff Notbetreuung nur vom Hörensagen. Fallen dort Erzieher aus, werden die Gruppen zusammengeworfen und die verbliebenen Erzieher teilen sich die Aufsicht. Für sie bedeutet das aber Stress. "In Zeiten wo Grippewelle ist oder sonstige Ausfälle sind, das sind die Leute schon wirklich am Limit", sagt Kita-Leiterin Bianka Deinert. Dazu kommt: "Das, was klassisch pädagogisch gearbeitet werden sollte (...), das ist dann natürlich nicht möglich", sagt Daniel Rupprecht, der pädagogische Leiter der Diakonie.

Endlos größer können die Gruppen aber auch im Spatzennest nicht werden. Sonst verletzt die Kita ihre Aufsichtspflicht. Um das zu verhindern, hat der Träger hier einen Vorteil, den die AWO in Altenplos nicht hat: Fallen im Spatzennest Erzieher aus, kann das Personal von 16 weiteren Kitas der Diakonie in Bayreuth aushelfen. Der AWO Bezirksverband hingegen betreibt nur eine weitere Einrichtung im Kreis.

"Mangelverwaltung": Nur die Großen werden überleben

Weil auch die Diakonie nur über die Runden kommt, wenn Erzieher sich verausgaben, die Betreuungsqualität leidet oder andernorts Lücken gerissen werden, spricht auch Diakonie-Chef Franz Sedlak von einer "Mangelverwaltung".

Mehr als 14.000 Erzieher fehlen nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums in Bayerns Kitas. Springer wären eine Lösung, doch die werden nicht finanziert. Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht keinen Handlungsbedarf. "Zuständig für die Kinderbetreuung sind die Kommunen und die Träger sind die Arbeitgeber", sagt Scharf. Das Land trete nur als Förderer auf und verfolge einen "kindbezogenen" Ansatz. Das heißt: Geld gibt es für gebuchte Stunden, nicht für Reserven.

Geld für zusätzliche Kräfte müsste also von den Kommunen kommen. Doch die sind knapp bei Kasse. Sedlak sagt, dass daran auch Pläne für einen trägerübergreifenden Springer-Pool scheiterten. Überleben könnten so nur die großen Träger. Gerade habe die Diakonie drei Kitas übernommen. Weil "die Gemeinden, die bisher die Kitas betrieben haben, als Betreiber überhaupt nicht mehr in der Lage sind, die Aufgabe vernünftig durchzuführen", so Sedlak.

Im Audio: Wie eine Kita den Mangel gerecht zu verteilen versucht

Legofiguren sitzen, stehen und liegen in einem Kindergarten auf einem Tisch. Dazu Holzklötze, die wie Häuser aussehen.
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Eine Kita greift wegen des Personalmangels zu drastischen Maßnahmen und schließt immer wieder einen Teil der Kinder aus. Eltern sind verärgert.

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