Es ist ein gewohntes Bild: Überall dort, wo eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen soll, regt sich Widerstand. Das ist im Ortsteil Röthenbach von Altdorf im Landkreis Nürnberger Land nicht anders. Aber es geht der Anwohnerinitiative Flüchtlingsunterkunft Altdorf/Röthenbach nicht darum, dass sie keine Geflüchteten in ihrer Nähe haben wollen, betonen sie. "Sondern wir akzeptieren die Verantwortung, die wir haben in der Gesellschaft", sagt Ulli Schneeweiß von der Initiative. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger wollen bei der geplanten Unterkunft mitreden und vor allem mitmachen.
Das Haus des Anstoßes
Aktuell ist der Umbau eines Zweifamilienhauses im Altdorfer Ortsteil Röthenbach geplant. Auf 330 Quadratmetern sollen in Zukunft 32 Menschen leben. Die "Anwohnerinitiative Flüchtlingsunterkunft Altdorf/Röthenbach" findet, 15 bis 18 Personen wären hier zumutbar und kritisiert die Baupläne. Denn ein privates Unternehmen soll die Unterkunft umbauen und in Zukunft auch betreiben. Die Verträge sind bereits geschlossen, so das Landratsamt. Damit fühlt sich die Initiative vor den Kopf gestoßen.
Warum Firmen Unterkünfte betreiben
Eine Studie des Mediendienstes Integration zeigt auf, dass für die Kommunen die Unterbringung von Geflüchteten herausfordernd sei – und ein komplexes Mosaik. Im Fall vom Landkreis Nürnberger Land betreibt der Landkreis einen Teil der 28 Unterkünfte selbst. Für neun hat es allerdings ein Unternehmen aus Schwanstetten beauftragt, das die Unterkünfte umgebaut hat und betreibt, etwa mit Hausmeisterdienst und Wartung der Geräte. Die Unterbringung beinhalte mehr, als Menschen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen, sagt Nico Böhme, Abteilungsleiter im Bereich Jugend, Familie und Soziales im Landratsamt Nürnberger Land.
"Es sind sehr, sehr viele Anforderungen, die wir an die Betreiber stellen, sei es baulicher Art, sei es beim Sonderbau der Nutzungsänderung. Es ist halt nicht nur ein reines Wohngebäude. Es wäre für uns wichtig, dass das funktioniert." Nico Böhme, Abteilungsleiter im Bereich Jugend, Familie und Soziales im Landratsamt Nürnberger Land
Die Vertragsdetails mit dem Unternehmen macht das Landratsamt nicht öffentlich. Es gibt in ähnlichen Fällen sogenannte Beherbergungsverträge, in denen ein Betrag pro Mensch pro Tag in einer Unterkunft gezahlt wird. "Ein Beherbergungsvertrag ist ein Mischvertrag aus Miet- und Dienstleistungen, gegebenenfalls auch Werkleistungen, wie zum Beispiel Verpflegung", schreibt die dem Landkreis übergeordnete Behörde, die Regierung Mittelfranken, auf Anfrage. Je nachdem, welche Dienstleistung in diesem Betrag beinhaltet ist, kann dieser eben variieren.
Kritik an Betrieb durch Unternehmen
Vereine wie Pro Asyl oder der Bayerische Flüchtlingsrat sehen den Betrieb von Unterkünften, den Unternehmen übernehmen, kritisch. Unternehmen seien immer profit- und gewinnorientiert. Sie hätten bei Beherbergungsverträgen kaum unternehmerisches Risiko und könnten viele Kosten abschreiben, sagt Norbert Grehl-Schmitt von Pro Asyl. Und hätten eben eine andere Zielsetzung als der Staat und seine Behörden. Der Betrieb durch Wohlfahrtsverbände sei nach Ansicht von Pro Asyl besser geeignet, für die Unterbringung von Geflüchteten zu sorgen.
Anwohnerinitiative will selbst tätig werden
Die "Anwohnerinitiative Flüchtlingsunterkunft Altdorf/Röthenbach" meint zur geplanten Unterkunft: "Wir können das billiger", und will den Betrieb in Eigenregie übernehmen. Dabei ist der Initiative bewusst, dass sie das nicht alleine stemmen kann, sondern auf Hilfe von Landratsamt und Dienstleistern angewiesen sein wird.
Aber die Anwohnerinitiative fühlt sich nicht ernst genommen, weil die Unterkunft in Röthenbach bereits an das Unternehmen vergeben wurde. Das Landratsamt wiederum sagt, es habe alle Informationen zur Verfügung gestellt und auch Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Gesprächsbereitschaft noch da
Die Bürgerinnen und Bürger wollen mit ihren Vorschlägen gehört werden, das Landratsamt braucht Verbindlichkeit und Verlässlichkeit und feste Ansprechpartner. Dass Bürgerinnen und Bürger eine Unterkunft für Geflüchtete in Eigenregie betreiben, wäre ein absolutes Novum im Freistaat. Denn bisher gebe es ein solches Modell in Bayern nicht, so der Bayerische Flüchtlingsrat.
Wie Bürgerengagement und Behördenanforderungen zusammenpassen können, wollen beide Seiten aber noch einmal miteinander besprechen. Und: Ihr Weg könne exemplarisch für andere Gemeinden sein, sagt ein Mitglied der Anwohnerinitiative aus Altdorf.
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