Symbolische Wahlen

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Ohne deutschen Pass: Jeder Fünfte in Nürnberg darf nicht wählen

Alleine in der Stadt Nürnberg leben 102.000 Erwachsene ohne deutschen Pass. Sie dürfen damit nicht an die Wahlurnen. Die Ausländerbeiräte haben in verschiedenen Städten Bayerns symbolische Wahlen durchgeführt. Von Ulrike Lefherz

Etwa 30 Ehrenamtliche aus verschiedenen Nürnberger Migrantenvereinen haben sich stundenlang den Mund fusselig geredet. Sie standen an Infoständen in der Innenstadt und vor großen Kaufhäusern in der Südstadt. Der Wahlzettel sieht ähnlich aus wie der bei der Bundestagswahl. 1.500 Menschen konnten sie bewegen, in einer Wahlkabine zwei Kreuze zu machen. Für viele war es das erste Mal - wenn auch nur symbolisch.

"Es war sehr wichtig in der Kampagne, nicht nur zack zwei Kreuze zu machen, sondern zu sensibilisieren. Das ist Demokratiebildung und gehört auch dazu." Reka Lörincz, Vorsitzende der Ausländerbeiräte in Bayern.

Die Demokratie-Aktivisten klärten auf, wofür die Parteien stehen. Vielen war das bisher unbekannt. Dass alleine in Nürnberg 102.000 Erwachsene nicht wählen dürfen, sei ein Demokratiedefizit, sagte Reka Lörincz aus Nürnberg. Die Ungarin darf als EU-Bürgerin bei der Kommunalwahl immerhin mitmachen. Die Kampagne "Hier lebe ich, hier wähle ich" fordert für alle Ausländer, wenigstens an den Wahlen zum Stadtrat oder Gemeinderat teilnehmen zu dürfen.

"Ich bin in Nürnberg geboren, meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Amerikaner. Hier ist mein Lebensmittelpunkt. Ich bin ein Teil dieser Gesellschaft. Wer hier lebt, sollte auch das Recht haben, politisch mitzugestalten." Charlotte Johnson, Vorsitzende Verdi Landesmigrationsausschuss

Nicht ohne Geld und Deutschkenntnisse

Charlotte Johnson könnte zwar den deutschen Pass beantragen, müsste den amerikanischen allerdings dafür abgeben. Nur wer ab 1975 geboren ist, darf zwei Pässe behalten. Die Staatsbürgerschaftsregelungen sind kompliziert und von Land zu Land verschieden. Wer den deutschen Pass beantragen will, muss Einkommen und Sprachkenntnisse nachweisen. Und einige hundert Euro für Gebühren übrig haben. Eingebürgert wurden in der Stadt Nürnberg in den letzten Jahren durchschnittlich 1.400 Menschen pro Jahr.

"Man muss sich fragen, warum die Einbürgerunsquote so niedrig ist. In Bayern ist sie am niedrigsten. Das muss man diskutieren." Reka Lörincz

Wie bei einer richtigen Wahl wurden alle Stimmen der symbolischen Wahl ausgezählt. Im Nürnberger Norden erhielt die SPD-Direktkandidatin doppelt so viele Stimmen wie der Kandidat der CSU. Im Nürnberger Süden fielen auf den SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Burkert sogar vier mal so viele symbolische Stimmen wie auf den Kollegen von der CSU, Michael Frieser. Dieser war während der letzten Wahlperiode immerhin integrationspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag.