Blick von der Tribüne in Altusried, die von einer geschwungenen Holzkonstruktion überdacht ist, auf die Freilichtbühne, auf der Kulissen stehen und bunt gekleidete Schauspielerinnen und Schauspieler, teils auf Pferden, zu sehen sind. Bis zu 2500 Besucher finden bei Aufführungen unter dem freischwebenden Tribünendach der Allgäuer Freilichtspiele Altusried Platz (Symbolbild).
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Bis zu 2500 Besucher finden bei Aufführungen unter dem freischwebenden Tribünendach der Allgäuer Freilichtspiele Altusried Platz (Symbolbild).

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Nur mit "Verrücktheit": Freilichtbühne Altusried feiert Jubiläen

Nur mit "Verrücktheit": Freilichtbühne Altusried feiert Jubiläen

Seit 145 Jahren führt Altusried seine Freilichtspiele auf, seit 25 Jahren sitzen die Gäste unter einer imposanten Tribüne. Beide Jubiläen wurden am Wochenende gefeiert. Altusried ohne Freilichtspiele? Undenkbar! Doch wie schafft das kleine Dorf das?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Schlicht gekleidet betritt Wilhelm Tell die Bühne, in der Hand die berüchtigte Armbrust, dann schreitet Jeanne d´Arc in silberner Rüstung durch das Rund, bevor die wilde Ronja Räubertochter mit Wildtruden und Rumpelwichten die Bühne einnimmt. Ein verwirrtes Theaterstück? Nein, was hier auf der Allgäuer Freilichtbühne in Altusried geboten wird, ist eine Modenschau mit den Originalkostümen, die die Titelhelden aller Aufführungen der vergangenen 25 Jahre auf dieser Bühne getragen haben.

Unter anderem mit dieser Schau wurden am Wochenende in Altusried gleich zwei Jubiläen gefeiert: Seit 145 Jahren werden in der kleinen Oberallgäuer Gemeinde Freilichtspiele aufgeführt, seit 25 Jahren sitzen die Gäste dabei unter einem imposanten Tribünendach.

Vom Kleinkind bis zum Opa: Oft drei Generationen auf einer Bühne

Auch Anneliese Amann ist an diesem "Tag der offenen Tür" schwer beschäftigt. Zusammen mit Volker Klüpfel - einem der beiden Autoren der Kluftinger-Krimis, die in Altusried spielen - moderiert sie die Modenschau. Seit mehr als 60 Jahren steht sie selbst bei jedem großen Freilichtspiel auf der Bühne. "Das erste Mal war ich fünf", erzählt sie. "Mein Vater hat einen Landsknecht gespielt und hat mich mitgenommen. Ich bin damit groß geworden."

Damit ist sie nicht allein. Kulissen bauen, Kostüme nähen, Schauspielern oder Platzanweisen – jeder der kann, versucht, sich irgendwie einzubringen, ehrenamtlich. Wenn alle drei Jahre ein großes Stück auf die Bühne kommt, packen gut 600 Altusrieder aus allen Generationen mit an.

Mehr als Leidenschaft, "da gehört Verrücktheit dazu"

Für den 10.000-Einwohner-Ort sei das eine riesige Leistung, betont auch die künstlerische Leiterin Johanna Klüpfel: "Da gehört schon eine Portion Verrücktheit dazu, natürlich, das ist mehr als Leidenschaft!" Nur weil die gesamte Gemeinschaft gemeinsam hinter den Freilichtspielen stehe, lasse sich so ein Projekt überhaupt umsetzen. "Alle nehmen das sehr ernst und sehen es als Auftrag, das auch an die nächsten Generationen so weiterzugeben", sagt Klüpfel. Auf der Bühne stehen und mitwirken dürfen nur Menschen, die auch in Altusried leben. Eine Ausnahme gibt es nur für das künstlerische Leitungsteam.

"Kampf um Freiheit" ist und bleibt das zentrale Motiv

Vor 145 Jahren, im Jahr 1879, hat alles begonnen. "Der bayerische Hiasl" wurde als erstes Stück auf die Bühne gebracht. Der Durchbruch aber gelang im Jahr 1911. 500 Altusrieder zeigten "Andreas Hofer" in seinem Kampf gegen die Unterdrückung. Schon damals kamen 12.000 Gäste, der Eintritt kostete zwischen ein und drei Mark.

Gut einhundert Jahre lang blieben die Altusrieder ihren Repertoirestücken treu: Der bayerische Hiasl, Andreas Hofer, Wilhelm Tell, Götz von Berlichingen und der Bauernkrieg. Seit 2005 ist das Repertoire vielseitiger geworden: "Die Jungfrau von Orleans" wurde aufgeführt, "Don Quijote", "Robin Hood" oder die Sage um König Artus. Längst locken die großen Stücke an die 70.000 Gäste. Doch bei aller Vielfalt sei eines geblieben und ziehe sich wie ein roter Faden durch alle Aufführungen, betont Sebastian Heerwart, Geschäftsführer der Freilichtspiele: " Die großen Freilichtspiele haben alle das Thema Freiheitskampf im Hintergrund, das ist in Altusried ganz wichtig."

Ein großer "Fledermausflügel" als wetterfeste Tribüne

Anfangs saßen die Zuschauer noch auf den Hängen rund um die Bühne. Seit 25 Jahren aber überspannt ein freitragendes Holzdach wie ein gewaltiger Fledermausflügel eine Tribüne. Unter ihr finden 2.500 Zuschauer Platz. Das sorge nicht nur für eine ganz besondere Atmosphäre, betont die künstlerische Leiterin Johanna Klüpfel, sondern habe auch enorme Vorteile: "Bei uns gibt es keine wetterbedingten Absagen. Wir spielen immer! Die Zuschauer sitzen vor Sonne, Wind und Regen geschützt unter der Tribüne. Nur die Schauspieler werden nass – aber die sind das gewohnt und hart im Nehmen", sagt sie und schmunzelt.

Für die kleine Gemeinde war der Bau der imposanten Holztribüne finanziell eine Herausforderung. Kredite in Höhe von 6,5 Millionen Euro seien nötig gewesen, um die Tribüne 1999 fertig zu stellen. Von diesem Schuldenberg seien mittlerweile aber nur noch rund 1,4 Millionen Euro übrig, betont Heerwart. "Wir wollen – wenn alles nach Plan läuft – 2031 schuldenfrei sein. Dann können alle Beteiligten auf diese Leistung sehr sehr stolz sein."

Der "Bauernkrieg 1525" feiert im nächsten Jahr Premiere

Aktuell laufen die Vorbereitungen für das nächste große Stück. Kommenden Sommer wird der Bauernkrieg von 1525 aufgeführt. Geschäftsführer Sebastian Heerwart schaut optimistisch in die Zukunft und ist sich sicher: "Wären nicht alle hier so ein bisschen 'crazy' – dann würden wir das nicht hinkriegen."

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