Als Michael Barth Ende August die ersten Teile seiner Achterbahn im Wiener Prater auf den Lkw lädt, ahnt er nicht, dass es bald zu einem tragischen Unfall in seinem Team kommen wird. Fast vier Wochen vor dem Start des Oktoberfests beginnt der Schausteller mit dem Umzug des "Olympia Looping", einer der größten mobilen Achterbahnen der Welt. 900 Tonnen Material, tausende Teile, 1.250 Meter Strecke – all das müssen Geschäftsführer Barth und sein Team in 50 Lkw-Ladungen von Wien nach München transportieren. Kontrovers – die Story hat sie dabei begleitet.
Umzug unter hohem Zeitdruck
Beim Transport und Aufbau gilt: Jede Verzögerung ist für die Schausteller ein Problem. Denn beim Oktoberfest befördert der Olympia Looping etwa so viele Gäste wie in Wien in einem halben Jahr. Ein verspäteter Start wäre daher ein großer finanzieller Verlust. "Das ist ein enormer Zeitdruck", sagt Barth. "Alles hier in vier bis fünf Tagen abbauen und dann in München innerhalb von zwei Wochen aufbauen plus die große TÜV-Aufnahme. Es kann jederzeit ein Stapler oder unser Kran eine Kleinigkeit haben. Das sind dann Stunden oder Tage, die nochmal anfallen."
Im Video: Zwischen Trauer und Trubel - Der tragische Aufbau des Olympia Looping 2024
Der Olympia Looping: Traditionsgeschäft seit 35 Jahren
Michael Barth hat das Geschäft von seinem Vater übernommen. Seit 1989 betreibt die Familie den Olympia Looping und "wanderte" mit der Achterbahn zuletzt zwischen Wien, München und London. Einige der Mitarbeiter sind Saisonkräfte, andere dauerhaft beschäftigt.
Arbeiten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen
Kurz vor der Abfahrt der ersten Ladung in Wien lösen einige von ihnen in teils 30 Metern Höhe mehrere Schrauben an den Loopings. "Die Mitarbeiter sind immer mit einem Y-Haken angegurtet", erklärt Barth. "Sie laufen durch oder über die Schiene und verbinden sich immer mit der Schiene, damit sie – wenn etwas passieren sollte – nicht abstürzen, sondern gesichert sind. Aber sie sind sehr, sehr geschult und in der Höhe sehr sicher." Mit einem Unfall rechnet hier niemand, mit einem tödlichen Ausgang noch weniger.
Geschäftsführer Barth: "Wir dürfen da nicht pfuschen"
Etwa zwei Wochen vor Beginn des Oktoberfests sind alle Teile des Loopings in München angekommen. Tagelang messen, schrauben, bauen und verkabeln die Schausteller auf der Theresienwiese. "Wir dürfen da nicht pfuschen", sagt Barth. Das Team kommt gut voran, doch bis zu den ersten Testfahrten dauert es noch.
Trotz Warnsignal: Mitarbeiter stirbt bei Testfahrt
Fünf Tage vor Wiesn-Beginn passiert das Unglück. Am 16. September wird ein Mitarbeiter von Barth bei einer Testfahrt auf der Strecke von einem Zug bei voller Fahrt erfasst. Der 20-Jährige bleibt unter den Schienen liegen und stirbt später im Krankenhaus. Viele Medien berichten über den Vorfall, tagelang ist Barths Traditionsgeschäft Mittelpunkt überregionaler Berichterstattung. Unmittelbar vor dem Unfall soll es laut Polizei ein Warnsignal gegeben haben. Bis jetzt sei unklar, warum der Mitarbeiter darauf nicht reagiert habe. Aktuell werde gegen niemanden ermittelt.
"Gibt nichts Schlimmeres für ganzen Betrieb"
Drei Tage später steht Barth auf der Theresienwiese und blickt auf seine aufgebaute Achterbahn. Gerade läuft die TÜV-Abnahme, vor dem rollenden Zug ertönt ein Warnton. Zum Unfallhergang selbst kann sich der Schausteller an diesem Tag gegenüber "Kontrovers – die Story" wegen laufender Ermittlungen nicht äußern. Doch über die Auswirkungen auf seine Mitarbeiter und ihn will er sprechen. "Horror", sagt er. "Es gibt nichts Schlimmeres für den ganzen Betrieb." Das Team sei das ganze Jahr gemeinsam auf Tour, man habe sich ein familiäres Leben aufgebaut. Der Schock sitze bei allen tief.
Olympia Looping eröffnet pünktlich
Zwei weitere Tage später gelingt es Barth dennoch, pünktlich zum Wiesn-Beginn den Olympia-Looping zu eröffnen. Der TÜV hat die Anlage rechtzeitig abgenommen. Um 12 Uhr steigen die ersten Gäste in die Achterbahn. Geschäftsführer Barth ist erleichtert. "Wetter passt, Stimmung ist toll, Sicherheit ist gegeben", sagt er. Der tödliche Unfall scheint bei den Gästen keine Rolle zu spielen.
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