"Ja, da haben wir einen formellen Fehler gemacht, aber das war unser einziger Fehler", sagte die Angeklagte zu Beginn ihrer Einlassung. Wie der Vorsitzende Richter in der späteren Befragung herausfinden sollte, war das jedoch nicht der einzige Fehler.
Emotionale Einlassungen der Angeklagten
Beide Angeklagten, die 63-jährige Pflegeleiterin und der 51-jährige Co-Geschäftsführer, begannen ihre Aussagen mit ihrer Familiengeschichte, ihren Enkelkindern, ihren Kindern, denen sie irgendwann ihr Unternehmen übergeben wollten. Daraufhin schilderten sie die Entstehung ihres Pflegedienstes, den sie mit "viel Herzblut" starteten, immer mit der "Qualität in der Pflege für die Patienten" als Hauptaugenmerk. Dann gestanden sie Fehler ein. Was sie anscheinend "aus den Augen verloren" hätten, sei die korrekte Führung ihres Pflegedienstes gewesen.
Fünf Millionen Euro zu Unrecht erhalten?
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen hunderte Fälle von Betrug vor. Sie sollen jahrelang Leistungen für intensiv pflegebedürftige Menschen fehlerhaft abgerechnet haben. Demnach hätte niemand im Unternehmen tatsächlich über die nötige Qualifikation für die Intensivpflege verfügt. Dennoch hätten sie angegeben, dass solche Fachkräfte im Unternehmen arbeiten.
Die auf diese Weise zwischen 2013 und 2021 laut Anklage zu Unrecht erhaltenen Leistungen summieren sich auf knapp fünf Millionen Euro - mehr als vier Millionen Euro davon entfallen demnach auf Leistungen der AOK Bayern. Einen Teil der Summe haben die Angeklagten mittlerweile beglichen. Im Zuge des Verfahrens sollen dennoch rund vier Millionen Euro bei ihnen eingezogen werden.
"Wie kann man so dumm sein?"
Der Vorsitzende Richter konfrontierte die Angeklagten mit diesen Angaben. "Das ist schlicht gelogen", sagte er. Die Angeklagte antwortete mit einem schlichten "Ja". Die Frage, ob dies so gemacht wurde, um sich zu bereichern, verneinte die 63-Jährige aber deutlich. Auch der Angeklagte sprach mehrfach davon, nicht aus Vorsatz gehandelt zu haben. Er selbst sei "erschüttert" gewesen, als er von den Fehlern bei der Abrechnung erfahren habe. Nach den Vorhalten des Richters entgegnete er: "Wie dumm muss man eigentlich sein? Wenn man das jetzt nochmal so hört, ist es erschütternd."
Angeklagter: Naivität statt Vorsatz
Der Vorsitzende Richter wollte es ganz genau von den Angeklagten wissen: Haben sie die Verträge zum Start ihres Pflegedienstes gelesen? Woher wussten sie, was zur Gründung nötig sei, was sie dazu bräuchten, wie die Strukturen auszusehen hätten? Wie habe es zu solch eklatanten Fehlern kommen können, wenn es nicht vorsätzlich gewesen sei? Der 51-Jährige versuchte sich dadurch zu erklären, dass er vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer niemals mit Leitungsaufgaben eines Unternehmens vertraut gewesen sei. Immer wieder fällt das Wort "naiv".
Die Angeklagten erklärten die Fehler zudem damit, dass die Gründung eines Pflegedienstes sehr viele Anforderungen mit sich gebracht habe. Der Ausbau der Wohngemeinschaft für die Patientinnen und Patienten, Brandschutz, etc., so die 63-Jährige. Sie hätten dann bereits Mitarbeitende gehabt, wollten so schnell wie möglich die Gründung durchziehen – so sei es zu der "Lüge" mit der Intensivpflegekraft gekommen, die faktisch nicht im Pflegedienst tätig war.
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Richter: Jahrelang Zeit, Fehler zu korrigieren
Der Vorsitzende Richter konterte darauf, dass dazwischen aber mehrere Jahre lagen, in denen man den Fehler hätte korrigieren können. In mehreren Prüfberichten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen sei über die Strukturen getäuscht worden. Der Angeklagte verwies darauf, dass er ab einem gewissen Zeitpunkt "fest davon überzeugt" gewesen sei, "dass das jetzt so stimmt".
An diesem ersten Prozesstag ist eine Einordnung zu Vorsatz oder Unwissen nicht abschließend möglich gewesen. Das verspricht sich das Gericht durch die noch zunächst 14 weiteren Prozesstage bis zum 7. Mai.
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