Nachdem ein bei einem begleiteten Ausgang kurzzeitig entflohener Straftäter in das Bezirksklinikum Mainkofen in Deggendorf zurückgebracht worden ist, soll es für ihn auf unbestimmte Zeit keine Lockerungen mehr geben. Wie eine Sprecherin des Bezirks Niederbayern mitteilte, sei der 24-Jährige auf eine hochgesicherte Station verlegt worden. Er entkam seinen Begleitern am Donnerstagnachmittag bei einem Kinobesuch in Plattling. Nach Zeugenhinweisen wurde er im Zuge einer Großfahndung der Polizei gegen 23.30 Uhr gefasst.
Für den Mann wurde 2022 vor dem Landgericht Deggendorf wegen Totschlags die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seit 2023 habe es Lockerungsmaßnahmen aufgrund eines bis dahin erfolgreichen Therapieverlaufes gegeben, hieß es. Dazu gehörte zuletzt auch Ausgang mit Begleitung außerhalb des Klinikgeländes. Ziel sei die Resozialisierung samt Wiedereingliederung in den Lebensalltag.
Unbeobachteten Moment genutzt
Am Donnerstag sei der Mann in Begleitung dreier psychologischer Fachkräfte und einer Praktikantin gewesen. Bei Freigängen soll unter anderem die Belastbarkeit des Patienten außerhalb der Klinik getestet werden. Im Kinosaal habe der Mann angegeben, auf die Toilette zu müssen. Ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen den Begleitpersonen habe zu einem unbeobachteten Moment geführt, in dem der 24-Jährige entkommen sei.
Nach zwei Minuten hätten die Begleiter die Flucht bemerkt und sofort mit der Suche begonnen. Sie informierten die Klinikstation, die wiederum die Polizei gerufen habe. "Der Zeitraum vom Toilettengang des Patienten bis zur Einleitung der Fahndung betrug sieben Minuten", teilte die Bezirkssprecherin mit. Nach bisherigen Erkenntnissen sei von einem spontanen Fluchtversuch auszugehen.
Innenminister kündigt Untersuchung an
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat eine Überprüfung des Falls angekündigt. Polizei, Justiz und Gesundheitsverwaltung müssten genau untersuchen, wie es zur Flucht des 24-Jährigen während des begleiteten Ausgangs kommen konnte, sagte der Minister dem Bayerischen Rundfunk.
Herrmann nannte die Reha-Arbeit mit dem Mann wichtig. Im Vordergrund müsse aber immer die Sicherheit der Bevölkerung stehen. Ein solcher Ausgang sei nur vertretbar, wenn von der Person keine Gefahr ausgehe. Dazu lägen ihm derzeit "widersprüchliche Informationen" vor. Einerseits sei der Ausflug ins Kino von der Klinik genehmigt worden. Andererseits habe sie nach dem Verschwinden des Mannes schnell erklärt, dass er gefährlich sei, wenn die Wirkung seiner Medikamente nachlässt.
Begleiteter Ausgang war "realistisch"
Ein begleiteter Ausgang sei Teil einer Therapie, erklärt Kolja Schiltz, Professor an der LMU und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Dies sei dann möglich, wenn die Erkrankung mit Medikamenten "schon recht gut kontrolliert" sei. Auch dass der Mann in diesem Fall wenige Jahre nach der Straftat begleiteten Ausgang hatte, sei realistisch. Denn seine Erkrankung, eine schizophrene Psychose, lasse sich sehr häufig mit Medikamenten gut eindämmen und behandeln. Oft sei das innerhalb von Monaten möglich, sagte Schiltz.
Der Experte ist überzeugt: "Wenn man solche Leute nur in die Gefängnisse sperrt und nicht behandelt, dann sind sie gefährlich. Wenn man sie gut behandelt, sind sie eben nicht gefährlich. Das ist die wichtige Message für die Gesellschaft." Ohne Medikamente könnte der Mann längerfristig wieder gefährlich sein. Die Medikamente wirkten in der Regel aber über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen.
Ziel einer forensischen Psychiatrie sei nicht, Menschen zu bestrafen, sondern sie zu behandeln – damit sie nach einer erfolgreichen Therapie nicht mehr gefährlich seien. Mit Blick auf den konkreten Fall nimmt Schiltz an, dass das auch erstmal gelungen sei. Der Geflüchtete sei zwar abgehauen, habe aber weiter keine Straftat begangen.
Unverständnis in Plattling
Plattlings zweiter Bürgermeister Franz Geisberger (CSU) hat kein Verständnis für diesen begleiteten Ausgang. Dem BR sagte er am Freitag, "das versteht kein Mensch". Der Schock saß tief in Plattling, berichtet er. "Die Leute waren echt in Sorge. Jeder hat geschaut, ob die Haustür verschlossen ist und ob die Fenster zu sind." Gleichzeitig herrschte demnach eine große Hoffnung, dass man den Geflohenen möglichst schnell wiederfinden kann. Über die sozialen Medien sei die Informationen über die Flucht schnell durchgedrungen, "mit allen Kommentaren, die man natürlich dann zu solchen Themen zu erwarten hat", so Geisberger.
Am Freitagmorgen war die Erleichterung groß, "dass dieser Mensch nicht mehr auf freien Füßen ist", fügte er an. Geisberger lobte die Polizeiarbeit für einen "ordentlichen Informationsfluss" und dass die Lage ernst eingestuft wurde.
Im Video: Statement des Innenministers
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