Anti-Ampel-Plakat beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau
Bildrechte: picture alliance/dpa | Peter Kneffel
Videobeitrag

Anti-Ampel-Plakat beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau

Videobeitrag
>

Politischer Aschermittwoch: Sprüche zwischen Witz und Wahnwitz

Politischer Aschermittwoch: Sprüche zwischen Witz und Wahnwitz

Markus Söder wäre "lieber Bulle in Bayern als Rindvieh in Berlin". Katharina Schulze fragt ihn, warum er daheim nicht endlich regiere. Hubert Aiwanger sieht sich als "Bollwerk der Mitte". In der AfD liebt man "Mohrenköpfe", die SPD will "Hassfasten".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

An einem Tag im Jahr heißen die Zentren des politischen Geschehens in Deutschland nicht Berlin oder München, sondern Passau, Vilshofen und Deggendorf: Es ist Politischer Aschermittwoch, Zeit des wechselseitigen "politischen Einschenkens".

Dass das Spektakel diesmal mit dem Valentinstag - dem Tag der Liebenden - zusammenfiel, war bei den Landtagsparteien nicht zu spüren, eher schon der beginnende Europawahlkampf: Es ging nicht unbedingt um die Sache, dafür umso kräftiger zur Sache, sogar zwischen Partnern. Zum Lachen fanden das die unterschiedlichen "Publikümer" diesmal zumeist nur begrenzt.

CSU: Söder im Nahkampf mit den Grünen

Die CSU schickte in der einst von Franz Josef Strauß rhetorisch zum schwarzen Bollwerk ausgebauten Passauer Stadthalle (einst die Nibelungenhalle, heute Dreiländerhalle) vor 4.000 Zuschauern ihren Chef Markus Söder und den EVP-Vorsitzenden Manfred Weber in den Schlagabtausch.

Söder stellte sich gegen Überlegungen von CDU-Chef Friedrich Merz, der kürzlich eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht kategorisch ausschließen wollte. "Wir als CSU wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung, kein Schwarz-Grün." Neuwahlen müssten her und die Ampel weg.

"Hätte ich die Wahl, dann wäre ich lieber Bulle in Bayern als ein Rindvieh in Berlin." Markus Söder, CSU

Was den Redner nicht davon abhielt, gegen die angedachte Tierwohlabgabe zu donnern. Allen drei Ampel-Parteien warf Söder vor, sie würden "Bayern seit Jahren bei jeder Gelegenheit benachteiligen". Dabei:

"Bayern kann ohne Deutschland leichter leben als Deutschland ohne Bayern. Denn dann wäre Deutschland pleite." Markus Söder, CSU

Söders Lieblingsgegner war auch in Passau wieder leicht zu erkennen: die Grünen.

"Die Grünen machen so viel Mist, eigentlich müssten sie selbst unter die Düngeverordnung fallen." Markus Söder, CSU

In der rustikalsten Aschermittwochstradition ging Bayerns Ministerpräsident Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) an, die er als "grüne Margot Honecker" bezeichnete: Die Frau des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker war als "Volksbildungsministerin" eine weithin verhasste Hardlinerin, die ostdeutsche Lemke war in der Friedlichen Revolution um 1989 Mitbegründerin der Ost-Grünen. Aber auch die AfD, bei der der Ministerpräsident 2023 als "Södolf" tituliert worden war, bekam ihr Fett weg: Deren Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner nannte Söder in Anspielung auf Hitlers Propaganda-Filmerin eine "Leni Riefenstahl für Arme".

Zum Video: Sprüche zwischen Witz und Wahnwitz

Söder, Aiwanger, Ebner-Steiner, Schulze, von Brunn: Bayerns Parteivorsitzende beim Politischen Aschermittwoch
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Söder, Aiwanger, Ebner-Steiner, Schulze, von Brunn: Bayerns Parteivorsitzende beim Politischen Aschermittwoch

EVP-Chef und CSU-Europa-Spitzenkandidat Manfred Weber nahm sich danach auch noch den Koalitionspartner vor. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sei in der letzten Legislaturperiode genau einmal in Brüssel gewesen.

"Ich sag dem Hubert Aiwanger: Du wirst nicht fürs Demonstrieren bezahlt, sondern fürs Abliefern von politischen Erfolgen in Brüssel und Berlin." Manfred Weber, CSU
Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand
Bildbeitrag

Hubert Aiwanger war Hauptredner der Freien Wähler in Deggendorf

Freie Wähler: "Fackelträger" Aiwanger und das Geheimnis des Krapfens

Bei den Freien Wählern (FW) konterte Fraktionschef Florian Streibl vor 650 Gästen in der zum Großteil gefüllten Stadthalle Deggendorf angesichts eines "historischen" Wahlergebnisses selbstbewusst: "Kleine Partner" in der Regierung seien die FW schon lang nicht mehr: "Wir sind erwachsen geworden, meine liebe CSU." Und:

"Es gab noch nie einen Koalitionspartner der CSU, der zweimal hintereinander Koalitionspartner war, alle anderen sind totgebissen worden." Florian Streibl, FW

Seinen Anspruch auf die Vertretung der politischen Mitte illustrierte Streibl mit diesem Bild:

"Wenn S' an Krapfen essen wollen, was ist in der Mitte? Die Aprikosenmarmelade, und die ist orange!" Florian Streibl, FW

Danach der Auftritt von Hubert Aiwanger, der zuvor vom niederbayerischen Bezirksvorsitzenden Ludwig Waas mit den Worten begrüßt wurde: "Du bist der Fackel- und Fahnenträger im Land und im Bund!" Aiwangers Begrüßungsworte:

"Herzlich willkommen bei der größten Veranstaltung des gesunden Menschenverstands." Hubert Aiwanger, FW

Auch der diesmal eher moderat auftretende Aiwanger sieht seine Partei als "Bollwerk der Mitte und der Demokratie". Die Schlussfolgerung: "Wenn alle FW-Politik machen würden, dann gäbe es keine Extremisten in Deutschland." Und an die Berliner Regierung gewandt:

"Ampel kehr um, du machst grandios falsche Politik. Du ruinierst den Wohlstand Deutschlands." Hubert Aiwanger, FW
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Vogl
Bildbeitrag

Katharina Schulze (2.v.r) und und Omid Nouripour (l.) im Austausch mit demonstrierenden Landwirten.

Grüne in Landshut: Schulze, Nouripour und die Bauern

Für die Grünen hatten in diesem Jahr Landeschefin Katharina Schulze und der Bundesvorsitzende Omid Nouripour ihren Auftritt - im mit 550 Zuschauern gut gefüllten Landshuter Bernlochnersaal und davor, wo sie mit demonstrierenden Landwirten diskutierten; anders als in Biberach, wo ein Aschermittwochs-Auftritt von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nach "aggressiven Protesten" von Bauern mit mehreren verletzten Polizisten abgesagt werden musste.

Nouripour, der von der Eskalation in Biberach zu diesem Zeitpunkt noch nichts wusste, dankte allen Bauern, die sich gegen politische Unterwanderung wehrten. Schulze kritisierte allerdings, dass bei Bauernprotesten Galgen gezeigt würden und Vizekanzler Robert Habeck nach seinem Urlaub daran gehindert worden sei, seine Fähre zu verlassen: Diskutiert werden müsse mit Anstand und Respekt.

Den demonstrierenden Landwirten empfahl Schulze, zur CSU zu gehen. Diese sei für die verfehlte Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte verantwortlich, die Grünen dagegen wollten, dass die Bäuerinnen und Bauern von Ihrer Arbeit leben könnten, etwa, indem in Kantinen von Schulen, Kitas und Ämtern Bio und regionale Produkte angeboten würden. Auch sonst revanchierte sich Schulze für die Attacken Söders mit Angriffen besonders auf die CSU. Man höre bei Bayerns Regierungspartei nur noch, wogegen sie sei - aber spüre nicht, dass sie Bayern voranbrächte. Während es deutschlandweit im letzten Jahr einen Anteil erneuerbarer Energien im Netz von 55 Prozent gegeben habe, baue Bayern kaum mehr Windräder als das kleine Saarland:

"Beim Bürgerentscheid im Landkreis Altötting haben die Bürgerinnen und Bürger 'Nein' zu neuen Windrädern gesagt. Und ich sage ihnen warum: weil sie jahrelang von Markus Söder und Co gehört haben: 'Bayern ist kein Windland'." Katharina Schulze, Grüne

Vorwärts gehe es in Bayern derzeit nur bei der Zerstörung der Umwelt. Wenn es "Wetten, dass..." noch gäbe, sähe Katharina Schulze diese Wette:

"Christian Bernreiter, 59, aus Hengersberg, wettet in einer Baggerwette, dass er es schafft, ganz Bayern zu einem Parkplatz mit Autobahnanschluss umzubauen. Ich wette dagegen." Katharina Schulze, Grüne

Söders Faschingsverkleidung als Reichskanzler Bismarck fand Schulze passend für einen, der gerne "Alleinherrscher und König" wäre. "Ich frag mich aber jeden Tag, wann füllt er endlich seine Rolle als Ministerpräsident aus - es gibt nämlich genug zu tun in unserem schönen Freistaat."

AfD: Ja zu "Mohrenköpfen" und Remigration

Die AfD bot im Donaucenter Schubert in Osterhofen vor rund 450 Zuschauern gleich ein halbes Dutzend Redner und Rednerinnen auf. Dabei hat sie 2023 mit einem Gastredner aus Österreich schlechte Erfahrungen gemacht: Der hatte den Ministerpräsidenten als "Södolf" bezeichnet und sich vom Amtsgericht Deggendorf einen Strafbefehl eingehandelt; ein Einspruch ist derzeit noch vor Gericht anhängig. Mäßigung ist dennoch in keiner Rede zu spüren, im Gegenteil.

Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der sich freut, "dass Thüringen mich hat ausreisen lassen - ich bin ja Rechtsextremist", brachte eine Theorie zu den Anti-AfD-Demos mit:

"Wie kann es passieren, dass mit einem Fingerschnips die Volkshysterie sich dreht. Ich habe gehört, dass sie gechippt wurden. Die Klima-Demo-Chips und die Rechts-Demonstration-Chips. Und das erklärt, warum gerade so viele gegen Rechts auf die Straße gehen. Aufgrund von Fake-Infos aus dem Staatsfunk." Stephan Brandner, AfD

Birgit Bessin (Landesvorsitzende Brandenburg) wetterte gegen "Deutschland-Abschaffer" in Berlin und bekannte sich ausdrücklich zur "Remigration". Jörg Urban (Sachsen) freute sich unter dem Beifall des Saales, dass es bei ihm daheim "beim Bäcker noch Mohrenköpfe und Negerküsse gibt". Bayerns Landesvorsitzender Stephan Protschka erklärte, er sei "Europäer von Herzen", aber: "ich scheiße auf Brüssel und Straßburg". Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für Europa, sieht 2024 ohnehin als Wendejahr:

"Und ich verspreche euch: es wird ein besseres Deutschland sein für uns und ein schlechteres für die Faesers, Haldenwangs und Scholzens dieser Welt, die braucht eh kein Mensch." Maximilian Krah, AfD
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann
Bildbeitrag

Lars Klingbeil im Wolferstetter Keller in Vilshofen

SPD: "Hass-Fasten" für das Grundgesetz

Traditionsbewusst war auch in diesem Jahr die älteste Partei Bayerns wie Deutschlands: Die SPD hielt ihren Aschermittwoch wie stets in Vilshofen ab, wo das Spektakel seinen Ursprung hat. Und zwar in Gestalt Reden schwingender Bauern auf dem Vilshofener Viehmarkt, woran die SPD in diesem Jahr von einigen Dutzend demonstrierender Bauern in der Nähe des Wolferstetter Kellers erinnert wurde.

Wie Katharina Schulze setzte sich auch die SPD-Landesvorsitzende Ronja Endres mit der ihrer Meinung nach dürftigen Bilanz der Landesregierung auseinander - etwa im Gesundheitswesen, das an der "Ausbeutung" von Pflegekräften ebenso leide wie an mangelhafter Ausstattung:

"Krankenhausplanung in Bayern ist eine Exceltabelle aus den 70ern. Papierform nennt man Digitalisierung." Ronja Endres, SPD

Maria Noichl, bayerische Spitzenkandidatin für Europa, rief zum Beginn der 40-tägigen Fastenzeit zum "Hass-Fasten" auf. Sie sorge sich um das politische Klima im Land, ebenso Bundesparteichef Lars Klingbeil. Rechtsextreme zu wählen, sei niemals eine Lösung eines demokratischen Problems: "Kommt zu unseren Veranstaltungen, meckert mit uns - aber wählt keine Nazis", so Klingbeil. Das Signal der Sozialdemokratie an alle von den "Remigrations-"Plänen der AfD betroffenen Menschen sei: "Wir stellen uns schützend vor Euch. Wir lassen nicht zu, dass die Rechtsextremen mit ihren Plänen durchkommen."

"Und falls - nicht hier im Raum, aber an den Bildschirmen - irgendwelche Rassisten, Reichsbürger oder Querdenker sich gerade fragen, was das Grundgesetz ist: Das ist für uns das Handbuch für unser Handeln, die Anleitung für Demokratie. Also unser Telegram quasi." Lars Klingbeil, SPD

Auch dabei: Linke, Ex-Linke und "Kriegstreiber Strack-Zimmermann"

Mehr Aufmerksamkeit als üblich gab es diesmal auch für die "nicht im Landtag vertretenen Parteien". Zum einen, weil darunter neben kleineren Konkurrenten wie ÖDP und Bayernpartei 2024 auch die im Bund regierende FDP in Person ihrer Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann fällt. Die ging in Dingolfing kurz vom Rednerpult und holte sich den DIN-A2-Papierbogen eines Protestierers, auf dem "Kriegstreiber" stand. "Gut, dass Du nicht bei den Grünen bist. Das hätte man jetzt gegendert und "Kriegstreiberin" draus gemacht", so ihr Kommentar.

Und dann wurde in einem Gasthaus in Passau noch eine Premiere gegeben: Sahra Wagenknecht, ehemals Rednerin der Linken, trat diesmal für ihre neu gegründete Partei BSW auf, schimpfte auf "diese verdammte militärische Hochrüstung und die Waffenlieferungen" - und lieferte sich ein linkes Distanzduell mit Linken-Chefin Janine Wissler im nahen Tiefenbach, die sich wie Wagenknecht auf die Themen Rente, Gesundheit und Umverteilung fokussierte.

💡 Politischer Aschermittwoch: Geschichte eines Spektakels

Der politische Aschermittwoch hat in Bayern eine lange Tradition. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich in Vilshofen an diesem Tag die Bauern zum Viehmarkt getroffen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise, sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins Visier. 1919 lud der liberale bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts dann erstmals zu einer Kundgebung, 1927 hielt sein konservatives Pendant dagegen, 1933 übernahm die NSDAP.

Der Krieg macht Schluss mit lustig. Doch schon 1948 geht es wieder los: CSU, SPD und vor allem die Bayernpartei sind dabei und ziehen die Massen. Die einst intensiv gepflegte Stammtisch-Debatte tritt in den Hintergrund , vorne wird heftig gepoltert.

Ab Ende der 60er-Jahre erregt der Polit-Stammtisch im bayerischen Südosten bundesweites Aufsehen.  (Archiv-Bilder hier)1974 platzt Vilshofen aus allen Nähten, die CSU unter Franz Josef Strauß zieht um. Heute ist der Aschermittwoch ein mediales Politspektakel, das keine Partei auslassen kann. Doch die multiple Krisen der Gegenwart nagen an der Bierzelt-Stimmung, Social Media an der Bedeutung des Spektakels.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!