Archivbild: Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau
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Archivbild: Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau

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Schlagabtausch statt Blumenstrauß: Politischer Valentinsmittwoch

Valentinstag am Aschermittwoch: Keine verbalen Blumensträuße, sondern deftige Attacken sind von den Politiker-Kundgebungen zu erwarten. Auch die Partner CSU und Freie Wähler dürften kaum Liebesbotschaften austauschen: Das Verhältnis ist angespannt.

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An Hubert Aiwangers 53. Geburtstag Ende Januar hatte Markus Söder (CSU) einen besonderen Vorsatz: Einen Tag lang "nur Gutes sagen" über den Freie-Wähler-Chef. Besonders viel Gutes fiel Söder zwar nicht ein zum Koalitionspartner, aber er sagte auch nichts wirklich Schlechtes - sieht man von der ganz grundsätzlichen Mahnung ab, Minister dürften wegen Demo-Besuchen ihre Hauptarbeit nicht vernachlässigen.

Welchen Vorsatz Söder in diesem Jahr für den Valentinstag hat, ist nicht bekannt. Vor einem Jahr ließ sich der Ministerpräsident mit großem Blumenstrauß im Kreis der weiblichen Kabinettsmitglieder ablichten, einträchtig samt Anna Stolz von den Freien Wählern (FW). Heuer sind CSU- und Freie-Wähler-Minister an diesem Tag gut 50 Kilometer voneinander entfernt - und von Söder sind nicht einmal verbale Blumensträuße für die FW-Kollegen zu erwarten. Schließlich fällt der 14. Februar mit dem Aschermittwoch zusammen, an dem sich Politiker aller Parteien traditionell ein verbales Fernduell liefern.

Man darf gespannt sein, in welchem Maße Söder und Parteivize Manfred Weber beim Politischen Aschermittwoch der CSU neben der AfD und den Ampelparteien auch die Freien Wähler ins Visier nehmen werden. Denn: Die Kundgebung steht im Zeichen der Europawahl im Juni, und zur Wahlkampfstrategie der CSU zählt eine klare Abgrenzung von den Freien Wählern.

CSU: "Garantiert ampelfreie Zone"

Durch die Kundgebung der CSU in Passau führt Generalsekretär Martin Huber, der auf BR24-Anfrage für den "größten Stammtisch der Welt" eine "garantiert ampelfreie Zone", "feinsinnige Sprüche" und eine "fulminante" Söder-Rede verspricht. Im "Straubinger Tagblatt" kündigte er an: "Wir werden deutlich machen, dass die CSU als einzige Volkspartei in Bayern bodenständige, bürgernahe und pragmatische Politik macht." Ein Satz, der sich nicht nur gegen Ampel und AfD wendet, sondern auch gegen die Freien Wähler.

Auch wenn die jüngsten Umfragen für die CSU sehr gut ausfielen, ist in der Partei die Sorge groß, bei der Europawahl viele Stimmen an die Freien Wähler zu verlieren. Schließlich gibt es große Überschneidungen bei der Wählerklientel. Aus der Landtagswahl im Oktober waren die FW als großer Sieger hervorgegangen, während die CSU ein leichtes Minus hinnehmen musste. Damit sich dies im Juni nicht wiederholt, haben die Christsozialen den Ton gegenüber dem Koalitionspartner verschärft.

Geballte Attacken auf Aiwanger

Im Wahlkampf will sich die CSU explizit auch gegen die Freien Wähler in Stellung bringen: Als einzige Partei, die in Europa bayerische Interessen durchsetze. Söder verweist auf die zahlreichen FW-Kandidaten aus anderen Bundesländern, Weber betont die Machtlosigkeit der Freien Wähler im EU-Parlament.

Zugleich haben die Christsozialen auch in der bayerischen Regierungskoalition eine härtere Gangart gegen den Partner eingeschlagen. Dies äußert sich in Sticheleien und öffentlichem Streit, insbesondere aber in geballter Kritik an Aiwanger. Vorbei die Zeiten, in denen die "Bayern-Koalition" für sich in Anspruch nehmen konnte, das harmonische Gegenstück zur zerstrittenen Ampel-Regierung zu sein.

Bei aller programmatischer Nähe: Der CSU-Spitze stinkt es, dass sich Aiwanger auf Bauern-Demos als Kämpfer gegen "die da oben" feiern lässt, rhetorisch zuweilen an die AfD erinnert und gern mal so tut, als habe er mit Entscheidungen der Staatsregierung nichts zu tun.

Für die Liebe braucht es "noch etwas Zeit"

Dass das schwarz-orange Bündnis keine Liebesheirat sein müsse, hatte FW-Fraktionschef Florian Streibl schon während der Koalitionsverhandlungen im Oktober betont. Er verwies damals auf mittelalterliche Texte, in denen zu lesen sei: "Sie heirateten und sie lernten sich lieben." Streibls Hoffnung: "Die Liebe ist das, was später kommt."

An diesem Valentinsmittwoch sind dreieinhalb Monate vergangen, seit CSU und Freie Wähler ihr erneutes Bündnis besiegelten. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Partner in dieser Zeit warme Gefühle füreinander entwickelt haben. Insbesondere das Verhältnis von Söder und mehreren CSU-Ministern zu Aiwanger gilt als unterkühlt bis frostig. Für die Liebe brauche es möglicherweise "noch etwas mehr Zeit", räumte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek kürzlich im BR-Interview ein.

Aiwanger: CSU muss vor mir nicht Angst haben

Die Freien Wähler bewerben ihre Kundgebung in Deggendorf als "Auftakt ins Europawahljahr 2024". Aiwanger kündigte in der "Passauer Neuen Presse" an, seine Rede werde sich gegen alle richten, "die gegen gesunden Menschenverstand und gegen die vernünftige Mitte sind, also Ideologen und Extremisten jeder Art". Mit "Ideologen" meint er gewöhnlich die Grünen, mit "Extremisten" neben der AfD auch Parteien aus dem sehr linken Spektrum. Für Aiwanger ist der Kampf gegen Extremisten untrennbar mit dem Kampf gegen die Grünen verbunden: "Ich vertrete die Mitte und gehe gegen Ideologie vor, welche die politische Mitte auseinandertreibt."

Mit Blick auf die CSU gibt sich der FW-Chef dagegen versöhnlich: "Wir müssen zusammenarbeiten statt streiten, sonst nehmen wir uns nicht gegenseitig Stimmen ab, sondern die wandern am Ende an andere Parteien außerhalb der Bayern-Koalition ab." Er selbst sei ein "harmonieliebender Mensch. "Die CSU muss vor mir nicht Angst haben."

Aufmerksam beobachtet dürfte werden, ob Aiwanger in Deggendorf ähnlich deutliche Worte für die AfD finden wird wie für die Grünen. Auch der eine oder andere FW-Politiker würde sich vom Parteichef weniger Grünen-Verteufelung und mehr klare Kante gegen Rechtsextremismus wünschen. Die klaren roten Linien nach Rechtsaußen zu ziehen, überließ Aiwanger zuletzt häufig dem FW-Fraktionsvorsitzenden Florian Streibl, der am Vormittag ebenfalls eine Rede halten wird.

AfD: Juristisches Nachspiel

Dass CSU-Chef Söder einmal mehr die AfD scharf angreifen wird, gilt als wahrscheinlich. Umgekehrt dürfte auch die AfD, die in Osterhofen zusammenkommt, wenig zimperlich im Umgang mit Söder sein.

Zu den Rednern zählt erneut AfD-Landeschef Stephan Protschka, dessen Äußerungen von 2023 ein juristisches Nachspiel haben: Weil er den Ministerpräsidenten unter anderem als "Södolf" und "Landesverräter" bezeichnet hatte, erließ das Amtsgericht Deggendorf gegen ihn einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen Beleidigung. Protschka legte Einspruch ein, somit könnte es zu einem Gerichtsprozess kommen.

In der Einladung zu ihrer Kundgebung wirft die AfD sowohl der Berliner Ampel als auch der Staatsregierung vor, "Hass gegen die demokratische Opposition" zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Neben Protschka sprechen AfD-Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner, AfD-Bundesvize Stephan Brandner und Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah, die allesamt dem völkisch-nationalistischen Flügel der AfD zugeordnet werden.

"Lage zu ernst" für Klamauk

SPD und Grüne schicken jeweils ihre Bundesvorsitzenden ins niederbayerische Fernduell. Bei den Grünen in Landshut spricht neben Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze auch Omid Nouripour. Dabei will die Partei sich laut Einladung gegen "Söders Miesmacherei und Aiwangers Hetze" stellen und vor einem Rechtsrutsch warnen. Nouripour scheint zu wissen, was die Bayern von ihm erwarten, wie er in einem Video auf Instagram deutlich macht: "Und dann sagt man über den politischen Gegner, was man das ganze Jahr gedacht hat, aber nicht gesagt hat."

"Etwas ehrfürchtig" blickt SPD-Chef Lars Klingbeil auf seinen Aschermittwochs-Auftritt in Niederbayern: "Weil das für mich als Norddeutscher schon ein anderes Klima ist", sagte er dem "Münchner Merkur". Er habe zwar schon Aschermittwoch-Auftritte gehabt, "aber noch nie in der eigentlichen Hochburg". Schwerpunkt seiner Rede werde sicherlich der Umgang mit der AfD sein "und wie wir uns gegen die Pläne der Rechtsextremen stellen, die unser Deutschland zerstören wollen", schilderte Klingbeil dem "Straubinger Tagblatt". "Die Lage ist zu ernst, um nur Klamauk zu machen". Weiterer Redner in Vilshofen ist SPD-Landeschef Florian von Brunn.

Strack-Zimmermann, Wissler, Wagenknecht und Co

Darüber hinaus gibt es auch Aschermittwochskundgebungen mehrerer Parteien, die nicht im Bayerischen Landtag vertreten sind. Die FDP hat in Dingolfing die Verteidigungspolitikerin und Spitzenkandidatin zur Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zu Gast. Bei der Linkspartei in Passau sprechen Bundeschefin Janine Wissler und der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Ebenfalls in Passau organisiert das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) seine erste Aschermittwochskundgebung. Neben Ex-Linken-Chef Klaus Ernst hält auch Wagenknecht eine Rede. Die Bayernpartei, die den Politischen Aschermittwoch nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt hatte, hält ihre Kundgebung traditionell in Vilshofen ab. Die ÖDP ist in Passau. Am Abend folgt dann in Deggendorf noch der "umweltpolitische Aschermittwoch", zu dem der Bund Naturschutz in Bayern, der Landesbund für Vogel- und Naturschutz sowie der Fischereiverband Niederbayern einladen.

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