Darf die Bundeswehr Jugendoffiziere an staatliche Schulen schicken, um zu informieren? Und dürfen Hochschulen und Universitäten im Freistaat eng mit der Bundeswehr kooperieren und unter bestimmten Umständen sogar dazu gezwungen werden? So sieht es das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr vor, das die bayerische Staatsregierung im Sommer beschlossen hat.
GEW: "Populistischer Akt der Staatsregierung"
Ein Bündnis, angeführt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Bayerischen Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK) sieht das anders und klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz. Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern, spricht von einem "populistischen Akt der Staatsregierung", der die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte im bedenklichen Maße einschränke. Wenn Jugendoffiziere ohne pädagogische Ausbildung an Schulen gingen und dort versuchten, die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber darzustellen, sei das falsch. Sie sei "gegen diese Information, die eigentlich Werbung ist".
Klage wegen Verfassungswidrigkeit
Rechtsanwältin Adelheid Rupp, ehemalige Landesvorsitzende der Linken in Bayern, vertritt die Kläger vor Gericht. Laut Popularklage verletzt das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern die Wissenschaftsfreiheit, die Gewissensfreiheit und die Würde des Menschen. Schülerinnen und Schüler könnten demnach nicht mehr selbst darüber entscheiden, ob sie an Veranstaltungen der Bundeswehr teilnehmen wollen.
Staatsregierung: "Stärkung der Forschungsfreiheit"
Das Gesetz verbietet Hochschulen und Universitäten per Gesetz sogenannte Zivilklauseln einzuführen. Solche Klauseln verpflichten die Einrichtungen, nicht im militärischen Bereich zu forschen, sondern ausschließlich für friedliche und zivile Zwecke. Während die Kläger hier einen unzulässigen Eingriff in die Forschungsfreiheit ausmachen, sieht die bayerische Staatsregierung diese Freiheit sogar gestärkt. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) argumentiert, "nicht irgendwelche Uni-Gremien" könnten den Forschungseinrichtungen die militärische Forschung verbieten. "Im Übrigen ändert sich auch gar nichts daran, dass jeder Forscher und Forscherin über das forschen kann, was er oder sie für richtig hält", so Herrmann.
Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) warnt, "falsch verstandener Moral-Pazifismus und der erhobene Zeigefinger bringen uns keinen Schritt weiter". Es gehe nicht darum, Forschung zu militarisieren, sondern sicherheitsrelevante Fragen zu beantworten.
Friedensgesellschaft sieht Gesetz als "Propagandainstrument"
Schon jetzt arbeiten deutsche Hochschulen mit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie zusammen. Dies sei der Status quo, "den die Staatsregierung durch Zwangsmaßnahmen weiter verschlechtert", so Thomas Rödl, Sprecher und Geschäftsführer des bayerischen Landesverbands der DFG-VK. Das Bundeswehrgesetz müsse als "Propagandainstrument" verstanden werden. Außerdem arbeite die bayerische Staatsregierung an einem gesellschaftlichen Klima "der Kriegsbegeisterung, in das sich Forschung und Lehre einfügen können". Auch hier widerspricht Staatskanzleichef Herrmann vehement. Hier zeige sich "ein völlig verqueres Bild auf die Bundeswehr an sich, aber auch ein verqueres Bild von Freiheit und Sicherheit".
Gewerkschaft geht bei Vorwurf der "Kriegsbegeisterung" nicht mit
Auch die GEW grenzt sich von diesem Vorwurf ab: "Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, dass da jetzt Kriegsbegeisterung geschürt wird", sagt Martina Borgendale. Dass die Bevölkerung verstärkt in Kontakt mit der Bundeswehr kommen und die "Gesellschaft wieder kriegstüchtig gemacht" werden solle, sehe man jedoch kritisch.
Wann über die Klage entschieden wird, ist laut Adelheid Rupp völlig offen.
Im Video: Verfassungsklage gegen bayerisches Bundeswehrgesetz
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