Begonnen hat alles im Oktober des vergangenen Jahres. Auf einem Parkplatz an der A92 wurden die Brüder Max (21) und Leo B. (18) aus dem oberbayerischen Landkreis Miesbach von der Polizei kontrolliert.
Schusswaffen, Molotowcocktails und NS-Devotionalien im Auto
In ihrem Auto fanden die Beamten verdächtige Flüssigkeiten, ein gutes Dutzend Schreckschusspistolen, Messer, eine Axt, Pfeil und Bogen, eine Armbrust und Molotowcocktails. Des Weiteren wurden Nazi-Devotionalien wie ein Wehrmachtshelm mit SS-Runen und ein Messer mit der Gravur "SS – Wolfsschanze" sichergestellt. Die Brüder gaben an, sie seien auf dem Weg ins Ferienhaus der Eltern in Niederbayern und wollten dort "Krieg spielen".
Nach der Pkw-Kontrolle wurde ein Ferienhaus der Familie B. im Bayerischen Wald durchsucht, wie auch die Wohnräume der Brüder im Haus ihrer Eltern. Auch dort wurden die Ermittler fündig: weitere Waffen, Betäubungsmittel und NS-Devotionalien.
Der Nachbar Gabriel S. erinnert sich an die Durchsuchung am Wohnort der beiden Brüder im Elternhaus – er hat in einer Mietwohnung im Haus der Familie gewohnt: "Es gab einen Riesen-Lärm. Später habe ich gesehen, dass da wie so ein Roboter gekommen ist." Er vermutet, dass die Beamten mit dem Roboter gezielt nach Sprengstoff suchen wollten. "Wie im Film" sei das gewesen, erinnert sich S.
Mutter arbeitet in der BND-Außenstelle in Bad Aibling
Den Recherchen zufolge sind die beiden Brüder aus Miesbach in Oberbayern in der organisierten rechtsextremen Szene in Bayern noch nicht auffällig geworden. Besonders brisant aber an dem Fall ist: Elona B., die Mutter der jungen Männer, ist Mitarbeiterin des Auslandsgeheimdienstes BND und arbeitet in der Außenstelle in Bad Aibling im mittleren Dienst. Das zeigen Nachforschungen von BR Recherche und dem ARD-Politikmagazin Kontraste.
Wusste die Geheimdienstmitarbeiterin von den Umtrieben ihrer Söhne und von den NS-Devotionalien? Zumindest der Nachbar Gabriel S., der sich selbst als "Monarchist" bezeichnet und laut eigener Aussage mit Duldung von Familie B. zeitweise eine Reichsflagge vor seiner Wohnung hisste, erzählte im Interview mit dem Kamerateam des ARD-Politikmagazins Kontraste, dass einer ihrer Söhne, ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Gott mit uns" getragen habe, einem Wahlspruch, den auch die Wehrmacht verwendete. In einem Zimmer der Brüder soll außerdem eine Hakenkreuzflagge gehangen haben.
BND-Mitarbeiterin mit Neonazi-Erkennungssymbol als Halskette
Die Mutter, Geheimdienstmitarbeiterin Elona B., soll auffälligen Schmuck getragen haben. Laut Gabriel S. handelte es sich dabei um eine Kette mit dem Logo der "Schwarzen Sonne". Das Symbol wird gerne in der Neonazi-Szene als Erkennungszeichen verwendet, ist jedoch nicht verboten und findet auch anderweitig Verwendung. Die Sonne besteht aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Siegrunen oder drei übereinander gelegten Hakenkreuzen.
Elona B. wollte nicht mit dem Fernsehteam reden, das vor ihrem Haus drehte. Einer der Söhne entgegnete auf die Frage, ob er verraten wollte, was er mit den Waffen und Nazi-Devotionalien anstellen wollte, mit einem schlichten "Nein!". Der Vater, Manfred B., äußerte sich vor der Kamera: "Wir sind auf alle Fälle keine Neonazis oder Reichsbürger oder was uns alles unterstellt worden ist."
Auf die brisanten Funde bei seinen Söhnen angesprochen, spielt er diese herunter: "Kinder haben halt sowas. Mein Gott, das hat jedes Kind. Die anderen beschmieren irgendwann Häuser. Sie haben halt zuhause mal eine Fahne gehabt. Und wenn man heute bastelt, fällt man aus der Norm. Gut, sie haben vielleicht da Sachen gebastelt, die vielleicht nicht ganz so ...". Damit meint Manfred B. vermutlich die Molotowcocktails, die von der Polizei im Auto der beiden Söhne gefunden wurden. Eine mit dem Fall vertraute Person sagte dem BR dazu: "Wer all diese Dinge im Kofferraum hat, der fährt jetzt nicht zum Zelten." Möglicherweise, so befürchten es Sicherheitsbehörden, stand ein rechtsextremer Anschlag im Raum.
Sohn von BND-Mitarbeiterin im Visier der Sicherheitsbehörden
Nach Informationen von BR Recherche und dem ARD-Politikmagazin Kontraste nimmt das Bayerische Landeskriminalamt die Bestrebungen der beiden Söhne von Elona B. ernst. Die Sicherheitsbehörden haben dabei besonders den älteren Sohn im Visier. Gegen Elona B. werden mittlerweile dienstrechtliche Maßnahmen geprüft. Die Ermittlungen richten sich jedoch nicht gegen die BND-Angestellte. Sie darf die Liegenschaften des BND dennoch nicht mehr betreten.
Im aktuellen Lagebericht "Rechtsextremisten, „Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Sicherheitsbehörden" des Verfassungsschutzes heißt es: "Der BND setzt sich entschieden dafür ein, die Einstellung oder Weiterbeschäftigung von Personen mit extremistischem Hintergrund zu verhindern."
Auslandsgeheimdienst kommt nicht zur Ruhe
Zwischen Juli 2018 und Juni 2021 fand der BND nur zwei Prüf-, Verdachts- oder erwiesene Fälle in eigenen Reihen. Aber was, wenn es mehr sind? "Dann funktioniert das System der Sicherheitsüberprüfungen im Bundesnachrichtendienst nicht", meint die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner im Interview mit Kontraste. Alle Mitarbeiter müssten sich einer sehr intensiven Prüfung unterziehen, weil sie in einem sicherheitsrelevanten Bereich mit Verschlusssachen arbeiten würden.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) kommt derzeit nicht zur Ruhe. Seit dem Auffliegen des mutmaßlichen russischen Spions und BND-Mitarbeiters Carsten L. gerät der Auslandsgeheimdienst immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
BND-Präsident Bruno Kahl will Eigensicherung verbessern
Im Kontraste-Interview erklärt BND-Präsident Bruno Kahl: "Für Rechtsextremisten ist im BND kein Platz. Wir checken sehr genau, wen wir aufnehmen, und wir prüfen auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon bei uns sind, darauf, dass sie auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen." Aufgrund mehrerer aktueller Fälle innerhalb des BND will der Geheimdienst nun "selbstkritisch und sehr gewissenhaft noch mal hinschauen, was wir gegebenenfalls in unserem System der Eigensicherung verbessern können", sagt Kahl.
Auch für den ins Visier der Behörden geratenen Max B. hat der Fall Konsequenzen. Den Recherchen zufolge arbeitete der Mann in einer Fabrik, die unter anderem Sicherheitspapier und Sicherheitsmerkmale von Banknoten zum Schutz vor Fälschungen herstellt. In diesem Unternehmen herrschen hohe Sicherheitsanforderungen für Mitarbeiter. Max B. ist dort nun nicht mehr beschäftigt und darf das Unternehmen nicht mehr betreten. Die Ermittlungen gegen die beiden Brüder laufen weiter.
Der Film zum Thema läuft heute Abend (09.03.23) um 21.45 Uhr im ARD-Politikmagazin Kontraste im Ersten und ist im Anschluss in der ARD-Mediathek verfügbar.
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