Eine Fracht mit ungewöhnlichem Umfang wurde in Freising, am Fuße des Weihenstephaner Bergs, auf einen Lastwagen verladen: Es waren 20.000 gebrauchte Fahrradreifen, die der Fahrradhändler Ingo Ruhland im wahrsten Sinne angehäuft hatte – allerdings nicht aus Sammelleidenschaft.
Reifensammeln als Geduldsprobe
Der umweltbewusste Geschäftsmann hatte die kaputten Reifen seiner Kunden einfach nicht als Müll entsorgen wollen. Während es früher üblich war, alte Reifen zu verbrennen oder gar zu vergraben, hoffte er auf eine bessere Möglichkeit in nicht allzu ferner Zukunft. Stichwort: Recycling. Letztlich hat er sich 23 Jahre lang gedulden müssen.
"Langer Atem und großer Keller"
Er habe schon damit gerechnet, dass es einige Zeit dauern werde, sagt er: "Aber ich habe einen langen Atem und einen großen Keller“. Dabei handelt es sich um einen 180 Quadratmeter großen und etwa vier Meter hohen ehemaligen Bierkeller, der zum Fahrradladen gehört. Weil er recht feucht ist, eignet er sich nicht zur Lagerung von Rädern oder Ersatzteilen. Dafür häufte Ruhland dort von Jahr zu Jahr mehr alte Fahrradreifen an.
Entsorgung bis zur Rente
„Ich habe mir gedacht, wenn ich in Rente gehen möchte, muss der Haufen weg sein“, sagt Ingo Ruhland. „Und jetzt darf ich vielleicht in Rente gehen – das ist doch prima.“ Denn sein Optimismus wurde belohnt: Der Reifenhersteller Schwalbe hat jetzt mit einem Recyclingspezialisten und der Technischen Hochschule Köln ein Recyclingsystem nach seinem Geschmack entwickelt.
80 Prozent CO2 eingespart
Dabei werden Gebrauchtreifen geschreddert und getrennt. Das Gummigranulat kommt dann in einen Pyrolyse-Backofen im Saarland. Dort entsteht Pyrolysekoks, das zu rCB (recovered Carbon Black) verarbeitet und für die Herstellung neuer Fahrradreifen verwendet wird. Aber nicht nur das Reifenmaterial erhält dadurch ein zweites Leben: Gegenüber der klassischen Verbrennung werde zudem 80 Prozent CO2 eingespart, betont Sprecher Steffen Jüngst.
Innovationspreis bei Eurobike
Das Schwalbe Recycling System hat auch den Innovators Prize bei der Fahrrad-Messe Eurobike gewonnen. Deutschlandweit machen schon mehr als 1.200 Händler mit und sammeln jetzt in speziellen Recyclingboxen gebrauchte Reifen ihrer Kundschaft. Auch Ingo Ruhland hat künftig so eine Box. Allerdings passen da natürlich viel weniger Reifen rein als in Ruhlands Keller.
Rekord bleibt in Freising
20.000 Reifen im Keller – das dürfte auf alle Zeit ein Rekord bleiben, der auch Steffen Jüngst sichtlich beeindruckt hat: "Das ist schon ein großer Schatz, den wir hier heben“, stellt er fest, während Ruhland und seine Mitarbeiter Schubkarre um Schubkarre voller Reifen in den Lkw verladen. Der ehemalige Bierkeller ist jetzt jedenfalls erst einmal leer.
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