Der urtümliche Klang des Schofar, des Widderhorns, ruft gläubige Juden zum In-sich-Gehen und zur Buße auf. Das ist der Höhepunkt in der Synagoge zu Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, das zwei Tage lang gefeiert wird. Im jüdischen Kalender immer am ersten und zweiten Tischri, die heuer auf den dritten und vierten Oktober fallen.
"Die ganze Familie freut sich drauf, denn zu Rosch ha-Schana gibt es ein traditionelles Essen, das spielt eine große Rolle", erzählt Anna Zisler, die Vorsitzende der israelitischen Gemeinde im niederbayerischen Straubing.
Traditionelle Speisen stehen im Mittelpunkt
"Das Wichtigste bei uns sind die immer gleichen Speisen, die es zu Rosch ha-Schana gibt. Da verströmt die jüdische Tradition einen echten Wohlfühleffekt", freut sich Anna Zisler bereits, wenn bei ihr daheim zum Neujahrsfest die Familie zusammenkommt und gemeinsam isst. Die Gerichte zu Rosch ha-Schana stecken voller Symbolik.
Aus dem Hebräischen übersetzt bedeutet Rosch ha-Schana wörtlich "Kopf des Jahres", da darf "Gefilte Fisch" nicht fehlen. Das ist eine kalte Vorspeise, typisch für die traditionelle jüdische Küche in Mittel- und Ost-Europa.
Gefilte Fisch kann auf verschiedene Arten zubereitet werden. Manchmal sieht das Gericht aus wie Fleischpflanzerl aus Fisch. "Danach gibt's Fleisch, süße Karotten mit Pflaumen und Zuckerkuchen", berichtet Anna Zisler aus ihrer Küche. Außerdem wird zu Rosch ha-Schana ein in Honig getauchter Apfel verzehrt: "Alles ist sehr süß, um sicherzugehen, dass wir ein süßes, gutes Jahr erleben werden."
Keine unbeschwerte Neujahrsfeier in Straubing
Auch in Straubing lassen sich Weltpolitik, Kriege und Judenfeindschaft nicht ausblenden. Rund um die im Jahr 1907 in der Innenstadt errichtete Synagoge ist vor wenigen Jahren ein hoher Zaun gebaut worden. Das Gebäude gilt als "gefährdetes Objekt", erklärt Zisler. Dabei würde sie die Synagoge gerne jederzeit zugänglich machen, so wie das bei Kirchen hierzulande üblich ist.
Für die jüdische Gemeinde in Straubing aber gilt, dass an Feiertagen oder während der Gottesdienste die Synagoge von der Polizei bewacht wird. Die Angst bei den in Niederbayern lebenden Juden sei spürbar, mahnt Anna Zisler. Manche blieben deswegen der Synagoge fern, klagt sie.
"Eigentlich fühle ich mich in Straubing sicher", erzählt die Jüdin weiter. Trotzdem sei die Welt nach dem Terroranschlag der radikalen Hamas auf Israel vergangenes Jahr am 7. Oktober nicht mehr die gleiche. Der Antisemitismus habe zugenommen, klagt Anna Zisler. "Dass Terroristen zugejubelt wird und ein Massaker runtergespielt wird, das sind Sachen, die musst du erst mal verarbeiten", bemerkt die Vorsitzende der israelitischen Gemeinde in Straubing.
Hoffnung nicht aufgeben
Mit Rosch ha-Schana verbindet Anna Zisler die Hoffnung, "dass endlich diese Kriege aufhören, dass kein Kind auf dieser Welt mehr hungern muss. Es gibt genug Probleme auf der Welt, die wir nur gemeinsam lösen können, den Klimawandel zum Beispiel."
Gidn Rosch – Guter Rutsch
Natürlich beginnt das jüdische Neujahrsfest mit guten Wünschen. Dazu sagen die Juden zueinander auf Hebräisch Schana Tova uMetuka, "ein gutes und süßes neues Jahr" oder auf Jiddisch "Gidn Rosch". Dieser Wunsch eines guten Jahresbeginns aus dem Jiddischen ist der Ursprung des allseits bekannten "Guten Rutsch" an Silvester. Auch wenn diese Herleitung bisweilen bezweifelt wird.
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