Ein Reservist der Bundeswehr bei einer Übung. Um "aufwuchsfähig" zu werden, sucht die Truppe Reservisten.
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Ein Reservist der Bundeswehr bei einer Übung. Um "aufwuchsfähig" zu werden, sucht die Truppe Reservisten.

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Dienstpflicht: Sinnvoll für Bundeswehr und Gesellschaft?

Dienstpflicht: Sinnvoll für Bundeswehr und Gesellschaft?

Der Krieg in der Ukraine hat in Deutschland die Debatte rund um eine Rückkehr zur Wehrpflicht oder gar eine Dienstpflicht angeheizt. Die Positionen sind unterschiedlich. Einen Bedarf an Reservisten sieht etwa das Militär.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

"Warum du Teil der Reserve werden solltest?", fragt eine Frauenstimme im jüngsten Video des Reservistenverbandes, um dann so gleich die Antwort zu liefern: "Weil es viel zu verteidigen gibt. Weil wir unsere Freiheit lieben. Weil wir die stärkste Friedensbewegung Deutschlands sind!" Mit dieser Botschaft wirbt der Verband in seiner kürzlich vorgestellten neuen Kampagne.

General skizziert Bedarf an Reservisten

In dem Video ist ein älterer Herr mit gezwirbeltem Schnauzbart zu sehen. Er reicht einen Sandsack weiter an den nächsten. Und da ist die junge Frau, die mit klarem Blick und Gefechtshelm auf dem Kopf durch den Wald marschiert. Menschen wie sie: Sie fehlen der Bundeswehr, heißt es. Menschen, die die Uniform immer wieder parallel zum Job anziehen. In der Freizeit, oder weil ihr Arbeitgeber sie ziehen lässt.

Die Kampagne führt dabei vor Augen, dass die Reserve längst mit anderen Organisationen um Freiwillige konkurriert – ja, um sie werben muss. Denn der Nachwuchs wird seit mehr als zehn Jahren nicht mehr automatisch generiert. Es gibt keine Wehrpflichtigen mehr. Der Bedarf aber sei da, sagt Erhard Bühler, Nato-General im Ruhestand. In der heutigen sicherheitspolitischen Lage sei "Aufwuchsfähigkeit natürlich notwendig", so Bühler.

Auswahlwehrpflicht gefordert

Gemeint ist die mögliche Mobilisierung von Reservisten, um die Zahl der Bundeswehrsoldaten bei Bedarf zu vergrößern. Die Armee also "aufwachsen" zu lassen. Einst war jeder Wehrpflichtige nach dem Ausscheiden automatisch Reservist. Heute gibt es nicht mal mehr eine Erfassung derjenigen, die früher gedient haben – geschweige denn Zugriff auf aktuelle Jahrgänge.

Geht es nach Bühler, ist das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) skizzierte Modell für eine Wehrpflicht deshalb nur der erste Schritt. Pistorius will Jahrgänge anschreiben lassen und Männer zur Antwort verpflichten, um letztlich über eine Musterung Freiwillige zu generieren. Als zweiten Schritt schlägt Erhard Bühler eine "Auswahlwehrpflicht" vor. Im Sinn hat er dabei etwa 30.000 Menschen, sowohl Männer als auch Frauen. Diese Zahl könne die Bundeswehr "verkraften" und brauchen.

CSU-Abgeordneter fordert "verpflichtende Gesellschaftszeit"

Die Notwendigkeit, die der General im Ruhestand hier auf einer Veranstaltung des Reservistenverbandes in München skizziert, sieht auch der CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber. Huber hat dabei aber durchaus die Allgemeinheit im Blick: Geht es nach ihm, braucht es eine "verpflichtende Gesellschaftszeit" – eine Dienstpflicht. Für junge Menschen zugleich eine Chance, "auch Einblicke in soziale Berufe zu bekommen, die sie sonst nicht bekommen würden". Wie die Chancen für so etwas stehen, könne er nicht sagen, so Huber. Man müsse die Bundestagswahl abwarten.

Aus der SPD-Bundestagsfraktion heißt es unterdessen, die Zeit vor der Bundestagswahl gelte es zu nutzen. "Wir möchten diese Debatte führen", so Johannes Arlt. Er sitzt für die SPD im Verteidigungsausschuss.

Wehrpflicht: Reizwort für jüngere Menschen

Aus der jüngeren Generation werden indes mahnende Stimmen laut. Eine Pflicht – insbesondere eine Wehrpflicht – ist für so manche oder so manchen ein Reizwort: Die Wehrpflicht sei ein "massiver Grundrechtseingriff". Sie beschneide die Freiheit von jungen Menschen, betont Kerry Hoppe. Hoppe ist FDP-Mitglied und junge Reservistin. Sie mahnt: "Bevor wir so einen Grundrechtseingriff vornehmen, müssen wir ganz sicher sein, dass es keine andere Maßnahme gibt, die weniger intensiv ist, aber die gleiche Wirkung hat." Dies sei bislang nicht geschehen.

Der Ansatz, den Hoppe in München vertritt, lautet: Erstmal Hausaufgaben machen – die Strukturen anpassen, in der Bundeswehr und in der Reserve, deren Kampagnen auch bei Ungedienten großes Interesse wecken. Hoppe kritisiert fehlende Kapazitäten, um Interessenten auszubilden, und fordert eine Verbesserung. Hier könne man ansetzen, bevor über Pflichten nachgedacht werde, argumentiert sie.

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