Ortstermin in Veitshöchheim, Unterfranken: Auf dem Exerzierplatz in der Balthasar-Neumann-Kaserne sind Soldatinnen und Soldaten angetreten. Das Heeresmusikkorps spielt. Der Wind trägt die Nationalhymne über den Platz. An dessen Stirnseite steht eine Tribüne für Gäste. Sie sind gekommen, um der Kommandoübergabe über die 10. Panzerdivision beizuwohnen. Unter ihnen ist auch Oberst André Hastenrath. Kurze graue Haare, Bürstenhaarschnitt. Nach dem Appell kommt er mit Soldaten ins Gespräch. Wie er, so tragen auch sie das grüne Barett der Panzergrenadiertruppe.
"Wenn ihr Fragen habt, ruft an"
Hastenrath verteilt Visitenkarten. Die garantieren einen direkten Draht zum Oberst – einen direkten Draht zu dem Mann, der gerade aus Vilnius in Litauen hergeflogen ist, wo er die ersten Pflöcke einschlagen soll für die dauerhafte Stationierung von 4.800 Soldatinnen und Soldaten. Männer und Frauen, die sich einmal freiwillig melden sollen – weshalb viele in der Truppe Fragen haben. Etwa Fragen nach dem eigenen Arbeitsplatz oder nach Schulen und Kindergärten sowie jene nach Jobs für die Partnerinnen und Partner. Der Oberst gibt sich in jeglicher Hinsicht zuversichtlich. Botschaft: Das wird schon. Wir bauen etwas Neues auf und werden bekommen, was wir brauchen.
Abschreckung, um einen Krieg zu verhindern
Die Absicht, eine Heeresbrigade dauerhaft in Litauen zu stationieren, hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vergangenen Juni erklärt. Der Verband soll der Abschreckung dienen – als einer von vielen Bausteinen soll er das Signal aussenden, dass sich ein Angriff auf Nato-Gebiet nicht lohnt. Verlegt werden soll unter anderem das Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach.
Zusatzabkommen regelt Details
Konkrete Fortschritte machte das Projekt jüngst unter anderem im Hinblick auf die Rahmenbedingungen. Erst vergangene Woche unterzeichnete Pistorius mit seinem litauischen Amtskollegen ein "Zusatzabkommen", in dem sich die Antworten auf manche der vielen Fragen finden, die sich Soldaten derzeit noch stellen.
Pistorius erklärte, das Anmieten von Wohnraum sowie die Eröffnung von Bankkonten werde vereinfacht. Zudem sollen berufliche Qualifikationen der Partnerinnen und Partner von Bundeswehrsoldatinnen und Soldaten schneller anerkannt und die Einrichtung von deutschen Schulen und Kitas in Litauen ermöglicht werden.
"Artikelgesetz" zentraler Baustein
Darüber hinaus liegt inzwischen der Kabinettsentwurf für das Artikelgesetz für die "weitere Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft" vor. Artikelgesetz bedeutet, dass damit Änderungen an mehreren bestehenden Gesetzen vorgenommen werden, sofern der Bundestag zustimmt. In der Truppe hatten viele auf den Entwurf gewartet. Auf 67 Seiten geht es ums Konkrete – letztlich auch ums Finanzielle.
Neu geregelt werden sollen unter anderem etwa das Trennungsgeld oder Bereitschaftszulagen. Ein Beispiel: Wer binnen zwei Stunden in der Kaserne sein muss, bekommt pro Monat 500 Euro obendrauf. Außerdem sollen Überstunden künftig ausbezahlt werden können. In den Augen von Befürwortern ist das ein wesentliches Detail auf dem Weg zur Einsatzbereitschaft einer Armee, die sich bei Übungen an Arbeitszeitvorgaben halten muss. Dennoch gefällt dieser Ansatz nicht jedem: Manch einer feiert Überstunden lieber ab.
"Erster Schritt in die richtige Richtung"
Oberst André Hastenrath, der derzeit das Vorkommando in Litauen führt, begrüßt den Entwurf. Er betont dabei, dass vor allem die Brigade in Litauen verteidigungsbereit sein muss. Nur so könne sie ihren Zweck erfüllen.
Der Bundeswehrverband, der die Interessen von Soldaten und Zivilangestellten vertritt, war eingebunden in die Arbeiten am Entwurf des Artikelgesetzes. Es sei, so erklärt der Verband, "ein erster Schritt in die richtige Richtung". Das Gesetz habe das Potenzial, richtig gute Wirkung zu erzielen – die notwendigen Anpassungen vorausgesetzt – und könne ein wichtiger Baustein der Zeitenwende werden. Im selben Atemzug fordert der Bundeswehrverband, dass die langfristige Finanzierung der Bundeswehr sichergestellt wird.
Warnung vor "50 Prozent-Lösungen"
In die gleiche Kerbe schlägt einmal mehr der Verteidigungspolitikexperte Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung. Seine große Sorge gilt dabei der Litauen-Brigade, wie er im BR-Interview deutlich macht. Mölling mahnt, hier dürfe nichts schön gerechnet werden, sodass nur mehr "50 Prozent-Lösungen" herauskommen. In Zeiten wie diesen, seien das "gar keine Lösungen", sagt Mölling. In Moskau werde das Vorgehen sehr genau analysiert. Angesichts der Bedrohungslage könne er sich nur wünschen, dass es mit der Stationierung funktioniert, so Mölling.
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