Rund 70 lebende Luchse, Jungtiere mit eingerechnet, sind in ganz Bayern nachgewiesen. Das hat das aktuelle Luchsmonitoring der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ergeben. Die meisten Luchse gibt es in Bayern im Bayerischen Wald - nämlich 58.
Illegale Tötungen wurden im abgelaufenen Luchs-Jahr (30. April 2022 bis 1. Mai 2023) keine bekannt. Aber vier Luchse wurden von Autos überfahren. Zwei verwaiste Jungtiere brachte man in eine Auffangstation. 13 Luchsweibchen in Bayern hatten im abgelaufenen Luchsjahr Nachwuchs.
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Wenig Luchse - Obwohl Platz für sie wäre
Im Fichtelgebirge in Oberfranken und im Steinwald in der Oberpfalz gibt es jeweils nur etwa eine Handvoll Tiere. Im Spessart streifen bisher nur zwei Kuder umher, wie man die Luchsmännchen nennt. Deshalb gibt es dort bisher auch noch keinen Luchs-Nachwuchs.
"Die größten Teile Bayerns sind noch luchsfrei, die Alpenregion zum Beispiel. Insgesamt gibt es also noch riesige Flächen, die vom Luchs nicht besiedelt sind", erläutert Prof. Volker Zahner, Wildtierökologe an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Platz für Luchse wäre in Bayern gegeben, doch trotzdem erholt sich die Population nicht. Der Luchsbestand in Bayern ist immer noch so niedrig, dass er nach EU-Richtlinien als "gefährdete Population" gilt, so Zahner.
Problem: Kranke Luchse durch Inzucht
Die Bestände sind so klein und die Ausbreitung ist so gering, dass es immer wieder zu Inzucht bei Luchsen, zum Beispiel Geschwisterpaarungen, kommt. Der Nachwuchs aus solchen Paarungen ist oft anfällig für Krankheiten oder wird selbst unfruchtbar. Die Bestände mischen sich nicht.
Ein Problem dabei ist der Straßenverkehr. Junge Luchse, die sich ein eigenes Revier suchen, werden oft überfahren. Lösungen wären zum Beispiel Wildwarn-Anlagen oder ein zurückgesetzter Waldrand, also ein Streifen entlang der Straße, wo die Bäume herausgenommen werden. Für Stellen, wo häufig Luchse queren, kann man auch einen Zaun bauen. Das wurde zum Beispiel vor Kurzem beim dreistreifigen Ausbau der B85 bei Geiersthal gemacht. Der Zaun leitet den Luchs bis zu einer Stelle, an der er unter der Bundesstraße durchschlüpfen kann.
Auswilderungen in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg
Nach Sachsen und Thüringen sollen nächstes Jahr Luchse ziehen. Dafür sollen wilde Luchse aus den Karpaten und der Schweiz eingefangen und "verlegt" werden. Geplant ist aber auch, Luchse zu züchten und dann auszuwildern. Auch Baden-Württemberg will seinen Luchsbestand im Schwarzwald durch Luchsweibchen aus der Schweiz vergrößern.
Die langfristige Hoffnung ist, dass sich diese Tiere später mit denen aus Bayern treffen und im Idealfall auch verpaaren. Das würde die Gene auffrischen und für eine gesündere Luchspopulation auch in Bayern sorgen. Platz für den Luchs wäre hier auf jeden Fall noch.
Im Unterschied zum Wolf gibt es mit Luchsen nur ganz selten Konflikte mit Nutztierhaltern. Menschen geht das scheue Tier sowieso aus dem Weg.
Fotofallen und Hinweise werden ausgewertet
Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf macht für das Landesamt für Umwelt das Luchsmonitoring in Bayern und nutzt dafür vor allem die Bilder aus den Fotofallen, die im Wald und im Gelände aufgestellt sind. Diese Kameras lösen automatisch aus, wenn ein Tier vorbeistreift. Das Foto wird gespeichert. Ausgewertet werden aber auch Bilder, die Spaziergänger oder Jäger einschicken, und andere Hinweise, zum Beispiel zu toten Tieren. Hinweise auf illegale Tötungen, wie sie früher für Schlagzeilen sorgten, gab es 2022/2023 nicht.
Nicht alle Gebiete sind mit Fotofallen ausgerüstet. Deshalb nimmt die Hochschule immer gern weitere Hinweise auf Luchse, zum Beispiel Fotos von Jägern. Viele von ihnen haben eigene Fotofallen in ihrem Revier aufgestellt. Diese Aufnahmen könne die Hochschule beim Monitoring mit berücksichtigen.
Die Experten können mithilfe einer Datenbank auch abklären, ob man auf den Bildern nur immer den gleichen Luchs sieht oder ob es verschiedene sind. Denn Luchse können im Unterschied zu Wölfen wegen ihrer ganz individuellen Fellzeichnung ganz genau identifiziert werden, sagt Prof. Zahner. Über die Datenbank kann man sogar herausfinden, welches Tier und wie alt es ist.
Zu viel Luchse im Bayerischen Wald?
Manche Jäger finden jedoch, dass inzwischen zu viele Luchse im Bayerischen Wald leben. Doch "zu viel" ist beim Luchs gar nicht möglich, so Zahner. Denn Luchse sind territoriale Tiere. Sie brauchen also jeweils ihr eigenes Revier, in dem sie außerhalb der Paarungszeit auch keinen anderen Luchs dulden, nicht einmal den eigenen Nachwuchs, wenn er groß geworden ist. Luchse haben sehr große Reviere. Prof. Zahner erklärt: "Wenn kein Platz mehr ist, dann müssen Jungtiere auswandern und sich was anderes suchen. Das regelt sich also von selbst, beziehungsweise das regeln die Tiere untereinander."
Fressen Luchse zu viele Rehe?
Ein ausgewachsener Luchs frisst durchschnittlich ein Reh pro Woche, Weibchen mit Jungen teils auch mehr, insgesamt also 50 bis 70 Rehe pro Jahr. Der Mensch tötet aber immer noch deutlich mehr Rehe als der Luchs. Zahner meint: "Ein Luchs frisst ungefähr ein Reh pro 100 Hektar Fläche pro Jahr. Ein Jäger schießt dagegen zwischen zehn und 15 Rehen pro 100 Hektar pro Jahr. Das sind die durchschnittlichen Abschusszahlen im Wald."
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Video: Luchsnachwuchs im Steinwald in der Oberpfalz
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