Der enge Weg, den die jungen Polizeipferde Rufus und Remus gleich gehen sollen, liegt im Halbdunkel: Er führt unter der Theodor-Heuss-Brücke in Nürnberg durch, auf der rechten Seite begrenzt durch Metallzäune. Banner wehen im Wind, die Musik des Afro-Sommer-Festivals, das unter der Brücke stattfindet, hallt hier besonders laut wider. Eine Herausforderung für Remus und Rufus, die mit ihren sieben Jahren die jüngsten Pferde der Nürnberger Reiterstaffel sind. "Ich merke schon, er guckt jetzt hier ein bisschen. Bei ihm merkt man's jetzt schon am Herzschlag", sagt Polizeihauptkommissarin Susanne Klopf, die ihn reitet.
Wie genau die Nürnberger Reiterstaffel trainiert und wie der Einsatz am Afrika Kultur Festival verläuft, sehen Sie hier in der Reportage von BR 24 vor Ort:
Echte Einsätze sind immer auch Training
Großveranstaltungen wie diese – mit Menschenmengen, großen Zelten, Rauch und Lärm – lassen sich im Polizeialltag nur schlecht trainieren. Einsätze wie hier sind deshalb nicht nur Dienstgeschehen, sondern vor allem auch Training für die Tiere. 20 Pferde gehören mittlerweile zur Nürnberger Reiterstaffel. Die Tiere müssen ein Mindeststockmaß – also eine Schulterhöhe – von 1,65 Meter haben und sollten im besten Fall einen unerschrockenen und neugierigen Grundcharakter besitzen.
Wände aus Karton, Flatterband und laute Musik
In einer Reitanlage im Nürnberger Norden leben die Polizeipferde und trainieren dort mit den 19 Polizeireiterinnen und -reitern verschiedene Szenarien: In einer Reithalle laufen die Pferde über Planen und Plastikflaschen und durch Flatterband hindurch. Dazu gibt es laute Musik und weißen Dunst aus einer Nebelmaschine.
Die Pferde sollen außerdem eine Barriere aus aufgestapelten Kartons durchbrechen. All das löst in ungeübten Tieren den Fluchtinstinkt aus. "Unser Ziel ist es, dass wir mal eine komplette Wand [aus Pappkartons] haben, bei der die Pferde gar nichts sehen. Und sie dann so viel Vertrauen in den Reiter haben, dass sie einfach durchlaufen, weil sie wissen, es passiert ihnen nichts", erklärt Reitlehrerin und Polizeihauptmeisterin Isabelle Holley. Geübt wird mit gutem Zureden, Geduld und Leckerlis.
Angespannte Situation für Mensch und Tier
Und so funktioniert es auch unter der Theodor-Heuss-Brücke: Trotz des Lärms wagen sich Rufus und Remus mit ihren Reiterinnen Isabelle Holley und Susanne Klopf immer weiter vor. Doch dann scheuen die Pferde. Eine Situation voller Anspannung, auch für die Reiterinnen: Denn auf dem engen Weg müssen eine Joggerin und ein Rollstuhlfahrer an den großen Tieren vorbei.
Wenn die Pferde im falschen Moment scheuen und ausbrechen, kann es für Passanten gefährlich werden. "Ein bisschen Einfluss hat man ja schon noch auf dem Pferd und wenn es zu eng wird, dann macht man halt nicht so viel Druck und lässt die Leute erstmal durch", so Hauptkommissarin Klopf. Der zweite Versuch ist erfolgreich und die beiden Jungpferde der Nürnberger Staffel gehen unter der Brücke hindurch.
Einsätze bei Konzerten, Fußballspielen, Vermisstensuchen
Die Pferdestaffel rund um Rufus und Remus ist in Nürnberg üblicherweise als berittene Sicherheitsstreife in Parks und Grünanlagen unterwegs. Aber auch bei Konzerten, Fußballspielen oder bei Räumungen bei Bombenfunden sind die Tiere im Einsatz.
Zudem helfen sie auch bei der Suche nach Vermissten mit: Die Reiterinnen und Reiter haben vom Pferd aus eine gute Sicht und können dank der Tiere auch in steilem oder unwegsamem Gelände suchen. Zusätzlich zum Streifendienst hätten die Pferde in den vergangenen fünf Jahren "mehr als 500 zusätzliche Einsätze absolviert", so ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken.
Pferde als Icebreaker im Kontakt mit Menschen
Bei manchen Einsätzen wie auf dem Afrika-Festival geht es in erster Linie darum, Präsenz zu zeigen und Bürgernähe aufzubauen. Mit Polizisten auf Pferden kommt man leichter ins Gespräch als mit den Kollegen im Streifenwagen, so die Reiterinnen.
Aber im Alltag sei auch die Schnelligkeit der Pferde ein Vorteil, zudem wirken sie durch ihre imposante Art einschüchternd und strahlen gleichzeitig Ruhe aus. Isabelle Holley erinnert sich an einen Einsatz, bei dem sie Hilferufe gehört hat: "Da haben sich zwei Menschen geschlägert und der eine war auf dem anderen draufgelegen. Und wenn da zwei Pferde angaloppiert kommen, das kommt gut an. Da war die Schlägerei sofort beendet."
65 Pferde in drei Staffeln bayernweit
Bayernweit verfügt die Polizei laut bayerischem Innenministerium aktuell über 65 Pferde an Standorten in Nürnberg, München und Rosenheim. Der Ausbau der Staffel war bei der Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2018 ein erklärtes Ziel. Daraufhin wurde die Staffel in Nürnberg im Januar 2019 gegründet, die Münchner Staffel hat seit 2018 fünf Pferde hinzubekommen. Die Reitergruppe in Rosenheim verfügt unverändert über fünf Pferde. Laut bayerischem Innenministerium ist aktuell kein weiterer Standort geplant.
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