Störche, die Kinder auf dem Weg von der Schule in den Hort begleiten oder beim Wiesenfestumzug mitlaufen – solche Szenen sollen sich in diesem Sommer im Landkreis Kulmbach abgespielt haben. Was sich im ersten Moment nach einer witzigen Geschichte anhört, hat eine ernste Ursache, denn: Die Jungtiere können wegen Mangelernährung nicht fliegen, wie Katrin Geyer erklärt. Das Vorstandsmitglied vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) der Kreisgruppe Kulmbach kennt auch die Gründe dafür.
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In der Zeit als die Jungstörche im Juni geschlüpft sind, habe es lange Zeit geregnet, sagt Geyer. "Dadurch standen viele Wiesen unter Wasser. Die Störche, die offene Flächen zur Nahrungssuche brauchen, haben deshalb weniger Futter gefunden." Die Folgen für die Tiere: Mangelernährung und Entwicklungsstörungen – beispielsweise konnten Schwungfedern nicht ordentlich ausgebildet werden, sagt Geyer.
Hungergefieder erschwert Störchen das Fliegen
Auch am LBV-Hauptsitz in Hilpoltstein im Kreis Roth hat man in diesem Jahr Gefiederproblematik bei Störchen beobachtet. Oda Wieding spricht im BR24-Gespräch von sogenanntem Hungergefieder. Es handelt sich dabei um Federn, die nicht gut gewachsen sind und den Vögeln das Fliegenlernen erschweren. Hungergefieder tritt laut der Weißstörche-Expertin dann auf, wenn die Altvögel in einer gewissen Wachstumsphase der Jungstörche nicht für ausreichend Ernährung sorgen. Das könne zum Beispiel an Tagen mit sehr viel Regen geschehen.
Junge Störche mit einem solchen Gefieder haben es schwerer als andere, meint Wieding. Sie müssen ihre Muskeln länger trainieren, um den Abflug in den Süden doch noch zu schaffen. In extremen Fällen fangen Tierschützer die Störche ein und bringen sie in Pflegestationen. Dort sind sie vor Fressfeinden wie dem Fuchs geschützt und können notfalls überwintern. Nach dem Gefiederwechsel im Frühjahr wachsen ihre Federn genauso kräftig nach wie bei anderen Jungstörchen.
Auffangstation bei Nürnberg: "So viele Störche wie noch nie"
Eine solche Pflegestation betreibt auch der Tiergarten Nürnberg. In diesem Jahr seien so viele verletzte Jungstörche aufgenommen worden wie noch nie, erklärte Tierarzt Hermann Will auf BR24-Anfrage. Während die Zahl in den Vorjahren von 23 auf 27 gestiegen war, seien in diesem Sommer 36 Vögel in die Auffangstation "Gut Mittelbüg" bei Schwaig gebracht worden, so Will. Als einen Grund für den Anstieg nannte Will, dass die Population von Störchen in der Region insgesamt zunehme.
Das bestätigen auch die beiden Sprecherinnen des LBV. Im vergangenen Jahr wurden knapp 1.200 Brutpaare gezählt. "2024 werden es deutlich mehr sein", prognostiziert Wieding. "Alleine im Landkreis Ansbach gibt es 30 neue Ansiedelungen von Storchenpaaren." Und auch im Raum Kulmbach gebe es in diesem Sommer mit 14 Brutpaaren mehr Störche als jemals zuvor, versichert Geyer.
Storch in Not? LBV: Niemals selbst füttern
Für sie ist der Anstieg der Population auch ein Grund dafür, dass es mehr verletzte Störche gebe. "Da wo ich mehr Störche habe, gibt es auch mehr, die was haben", sagt Geyer. Ihre Kollegin stellt aber klar: Trotz der Verluste von zum Teil ganzen Bruten durch Starkregen im Frühsommer gehe es den Störchen in Bayern insgesamt gut.
Und falls man doch einmal einem verletzten oder ausgehungerten Storch begegnet – am besten dem LBV oder Tierärzten melden, bevor man die Tiere falsch füttert, lautet die Bitte vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz.
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