Rettungswache Dinkelsbühl im Landkreis Ansbach: Dienstbeginn für Rettungssanitäterin Laura Kittel und Notfallsanitäter Lutz Michael. Von 7 bis 19 Uhr sind sie im Dienst. Niemand von ihnen weiß, was sie in den nächsten zwölf Stunden erwartet.
Weite Strecken: Kreis Ansbach ungefähr so groß wie das Saarland
Im Vergleich mit anderen Rettungsdiensten haben Kittel und Michael aber ein Handicap, das ihre Kollegen anderswo in Bayern nicht haben: Sie arbeiten im größten Landkreis des Freistaats. Fast 200.000 Menschen wohnen im Ansbacher Landkreis – flächenmäßig ungefähr so groß wie das gesamte Saarland. Die Fahrtstrecken für das Rettungspersonal: sehr weit.
Klinikverbund ANregiomed: Ein Beispiel von vielen in Bayern
Der Klinikverbund ANregiomed besteht aus drei Kliniken: ein Haus in der Stadt Ansbach, eine Klink in Dinkelsbühl und ein Krankenhaus in Rothenburg ob der Tauber. Im Moment gibt es in allen drei Häusern eine Notfallversorgung – rund um die Uhr. Noch, denn zwei Notaufnahmen stehen auf der Kippe. Der Grund: Der Klinikverbund schreibt seit Jahren rote Zahlen. Das Jahresdefizit im vergangenen Geschäftsjahr lag bei rund 32 Millionen Euro. So geht es vielen Kliniken in Bayern. Laut der bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) schlossen 80 Prozent der Kliniken das Jahr 2023 mit einem finanziellen Defizit ab, das heißt, vier von fünf Krankenhäusern haben Verlust gemacht.
Schlaganfall, Herzinfarkt: Weite Wege ein großes Problem
Gerade bei zeitkritischen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten oder schweren Unfällen sind die weiten Wege ein großes Problem. Denn hier gilt die Empfehlung: Vom Notruf bis zur Behandlung sollten laut Rettungsdienstbericht des Innenministeriums idealerweise nur 30 Minuten vergehen. Zwölf Minuten davon seien für die Anfahrt eingeplant. Doch schon jetzt halten die Rettungsteams das im Landkreis Ansbach kaum ein, sagt Christian Bernhard, BRK-Kreisgeschäftsführer Ansbach.
Protest aus der Bevölkerung und Sorge um Versorgung
Aus Sorge um die Notfallversorgung auf dem Land haben sich 4.000 Menschen zuletzt bei einer Mahnwache in Dinkelsbühl und Rothenburg versammelt, um ihre Krankenhäuser zu retten. Auch viele Verbände, Sportvereine und Unternehmen wenden sich seit Tagen an die Verantwortlichen. Viele hitzige Debatten mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden, Jürgen Ludwig, führen die Bürger auch auf den Infoveranstaltungen der Klinikfördervereine. Bei jeder Wortmeldung wird klar, wie sehr sie sich um "ihre" Krankenhäuser sorgen.
"Das Land wird ausgedünnt und in der Stadt wird alles konzentriert. Das kann nicht sein", schimpft ein Mann aus dem Publikum und eine Frau setzt nach: "Im Westen des Landkreises wird man einen Herzinfarkt schlechter überleben als in Ansbach."
Zeit im Krankenwagen nicht der entscheidende Faktor
Für ANregiomed-Geschäftsführer Gerhard Sontheimer ist die räumliche Nähe der Krankenhäuser nicht der entscheidende Faktor. Viel wichtiger sei es, dass die Patienten in das Krankenhaus kommen, das sie vollumfänglich versorgt – besonders bei komplizierten Notfällen. In erster Linie geht es bei den geplanten Umstrukturierungen aber um Geld.
Seit Jahren schreibt der Klinikverbund rote Zahlen. Und die Krankenhausreform setzt die Kliniken zusätzlich unter Druck. Auf der einen Seite habe man den Anspruch der Bevölkerung, dass alles so bleiben müsse, wie es ist, und auf der anderen Seite gebe es die wirtschaftliche Herausforderung mit den Defiziten, sagt Klinikchef Sontheimer. "Wir können uns das jetzige Niveau langfristig nicht leisten", mahnt er.
Verschiedene Zukunftsszenarien ausgearbeitet
Es wurden verschiedene Vorschläge für die Zukunft des Klinikverbunds ausgearbeitet. Bei der drastischsten Variante wird das Klinikum Ansbach ausgebaut und die Kliniken in Dinkelsbühl und Rothenburg werden zu ambulanten Gesundheitszentren umgebaut. Mit schweren Notfällen könnten diese Standorte dann nicht mehr angefahren werden. Das Sparpotenzial dieses Szenarios läge bei rund 14 Millionen Euro. Prognosen zufolge würde der Klinikverbund trotzdem weiterhin etwa 18 Millionen Euro Schulden pro Jahr machen – hätte aber nur noch ein großes Krankenhaus im gesamten Landkreis.
Verwaltungsratssitzung: Entscheidung vertagt
Wie es weitergeht mit der medizinischen Notfallversorgung im Landkreis Ansbach, wollte der zwölfköpfige ANregiomed-Verwaltungsrat eigentlich am Mittwoch in einer nicht-öffentlichen Sitzung beschließen. Zu einer finalen Entscheidung kam es allerdings nicht. Das gab das Landratsamt Ansbach noch am späten Mittwochabend bekannt. Damit überhaupt ein Ergebnis erzielt werden kann, muss eine Dreiviertelmehrheit zustande kommen, also mit neun Stimmen. Wann der Verwaltungsrat wieder tagt, ist noch nicht bekannt.
Im Video: "Krank auf dem Land – Wenn jeder Kilometer zählt"
Notfallversorgung im Landkreis Ansbach
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