Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf sieht in der Krise, die die Bundesregierung ihrer Meinung nach produziert hat, eine "riesige Gefährdung für die Demokratie". Am Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen kritisierte die CSU-Politikerin dabei vor allem die gescheiterte Haushaltsplanung der Ampel-Koalition. "Alles, was sich jetzt abspielt seit diesem Urteil und diesem riesigen Loch, ist etwas, was sich einreiht in das tagtägliche Verspielen von Vertrauen, das diese Bundesregierung tatsächlich auch vorantreibt", so die stellvertretende Ministerpräsidentin Scharf.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umschichtung der 60 Milliarden Euro vom Corona- in einen Klimafonds für nicht rechtmäßig erklärt. Seit dem Urteil gibt es eine große Diskussion über die Konsequenzen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich diese Woche noch optimistisch gezeigt. Finanzminister Christian Lindner hat sich dagegen von Haushaltsstaatssekretär Werner Gratzer getrennt.
Scharf: "Wir sind doch wirkliche Geisterfahrer"
Ulrike Scharf empfiehlt der Bundesregierung, schleunigst in Klausur zu gehen und bisherige Strategien nochmal zu überdenken. Ein Einsparen von Ausgaben im Bereich des Sozialen oder bei den Militärausgaben würden der Ministerin zufolge beispielsweise keinen Sinn ergeben. Vielmehr würde sie darüber nachdenken, was in Sachen Energiepolitik in der Vergangenheit versäumt wurde.
"Wir sind doch wirkliche Geisterfahrer, wenn wir anschauen, wie andere Länder ihre Energiefrage lösen", so Scharf. Deutschland habe beispielsweise viel zu hohe Gebühren und Energiesteuern. Auch der Atomausstieg sei in ihren Augen verfrüht gewesen und durch eine Reform des aus ihrer Sicht schlechten Heizungsgesetzes könnte man laut Scharf 16 Milliarden Euro einsparen.
Mängel in Plänen zur Kindergrundsicherung
Ein weiteres Beispiel für die aus Scharfs Sicht verfehlte Politik der Ampel-Regierung seien außerdem die Pläne zur Kindergrundsicherung. Hier habe die Familienministerin Lisa Paus "ein Monstrum, eine neue Struktur mit über 5.000 Mitarbeitern" geschaffen. Laut Ulrike Scharf werde das Geld zu viel in Bürokratie gesteckt, zu wenig komme direkt bei armutsgefährdeten Familien an.
Das ganze neue Konzept der Kindergrundsicherung sei nur "ein nächstes Symbol des Scheiterns an der Realität", so die Politikerin. Denn die neue Behördenstruktur, die laut Gesetzesentwurf aufgebaut werden soll, würde im Jahr 400 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten verursachen.
Auch Bürgergeld in der Kritik
Darüber hinaus prangerte die Sozialministerin Mängel bei der Reform des Bürgergelds an. Es sei laut Scharf "auch eine Sozialleistung, die völlig aus dem Ruder läuft". Der Staat verschwende zum Beispiel Millionen, weil er Betroffenen noch ein Jahr lang Wohnungen bezahle, die sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten können. Als Ursache für die politischen Probleme der Bundesregierung nannte die Sozialministerin die Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern.
"Diese drei Parteien in der Bundesregierung kommen mit fast keinem Thema zurecht", so Scharf. Ständig würden Entscheidungen getroffen, die mit den anderen nicht abgestimmt seien. Finanzminister Christian Lindner habe zum Beispiel verkündet, er wolle angesichts der Haushaltskrise aus der Energiepreisbremse aussteigen. Doch jetzt interveniere die SPD und kritisiere Lindner, dass das nicht abgesprochen sei. Und so laufe das laut Scharf bei allen wichtigen Themen ab.
Kabarettist Florian Schroeder kritisiert Hubert Aiwanger
Am Sonntags-Stammtisch gab es jedoch nicht nur Kritik am gescheiterten Ampel-Haushalt, sondern auch am bayerischen Koalitionspartner der CSU, Hubert Aiwanger. Gegen Ende der Sendung hatte der Kabarettist Florian Schroeder, der ebenfalls am Sonntags-Stammtisch zu Gast war, den Auftritt des Wirtschaftsministers und Chefs der Freien Wähler bei Markus Lanz als seinen "Ärger der Woche" benannt.
Schroeders Kritik bezog sich einerseits auf Aiwangers – aus seiner Sicht – populistische Wortwahl von "politischen Taugenichtsen" und "Leuten, die nicht gearbeitet haben". Andererseits kritisierte Schroeder auch sein Verhalten gegenüber Roman Deininger von der Süddeutschen Zeitung. Aiwanger hatte angemerkt, dass die Süddeutsche Zeitung den "Bauern Aiwanger" seit zehn Jahren einfach weghaben und stattdessen die Grünen an die Regierung bringen wolle. Schroeders Fazit: "Das war der Punkt, wo ich dachte: Jetzt ist der deutsche Trump nicht mehr weit entfernt. Das war eine Beleidigung jedes mündigen Menschen."
Auch CSU watscht Koalitionspartner ab
Obwohl Hubert Aiwanger bei Markus Lanz kritisiert hatte, dass die Ampel-Regierung an den Menschen vorbeiregiere, bekräftigte auch die bayerische Sozialministerin Scharf die Kritik Florian Schroeders. Auf Nachfrage sagte Scharf, dass Aiwangers Auftreten, insbesondere seine Sprache, auch für sie manchmal sehr schwierig sei. Sein Auftritt bei Markus Lanz sei für die CSU-Politikerin, nicht einfach auszuhalten gewesen. Ihre Kritik am Koalitionspartner: "Man spricht so nicht in dieser verantwortlichen Position, die man hat."
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