Nach monatelangen Debatten hat das bayerische Kabinett Eckpunkte für ein Ladenschlussgesetz des Freistaats beschlossen. "Zum einen ist wichtig, dass die allgemeinen Ladenöffnungszeiten - die Eckpfeiler, wenn ich sie so nennen darf - unverändert bleiben", sagte Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) in München. "Das heißt: Öffnung von Montag bis Samstag von 6 Uhr morgens bis 20 Uhr - wie bisher auch." Eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen müsse weiterhin eine absolute Ausnahme bleiben. Erlaubt bleiben laut Staatskanzlei bis zu vier "anlassbezogene verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage pro Jahr".
Dennoch werde das geplante Gesetz Neuerungen enthalten, erläuterte Scharf. So sollen werktags bis zu acht verkaufsoffene Abende bis 24 Uhr ermöglicht werden. "Wichtig ist dabei, dass es keines Anlasses bedarf und dass die Kommunen selbst und individuell entscheiden können, an welchen Tagen sie diese acht verkaufsoffenen Nächte organisieren wollen." Bisher war der Staatskanzlei zufolge nur ein langer Einkaufsabend im Jahr möglich.
Zusätzlich sollen Einzelhändler die Möglichkeit bekommen, bis zu vier individuelle Verkaufsabende anzsusetzen. "Dies muss lediglich bei der Kommune angezeigt werden", erläutert CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Nach zwei Jahren werde die Koalition die Erfahrungen mit dieser "Experimentierklausel" auswerten.
Digitale Supermärkte dürfen auch sonntags öffnen
Digitalen Kleinstsupermärkten soll das Gesetz die Öffnung rund um die Uhr auch an Sonn- und Feiertagen ermöglichen - "an Sonn und Feiertagen natürlich ohne Personaleinsatz", betonte Scharf. Das letzte Wort werde auch hier die Kommune haben: "Die Gemeinde kann genehmigen, wie sie den Sonntag organisieren möchte", sagt die Ministerin. "Wir stellen uns vor, dass es mindestens acht Stunden sind", aber auch 24 Stunden seinen möglich.
Gerade im ländlichen Raum spielten digitale Kleinstsupermärkte bei der Versorgung eine wichtige Rolle. Eine Beschränkung des Sortiments digitaler Kleinstsupermärkte, die eine Verkaufsfläche von maximal 150 Quadratmeter haben dürfen, ist nach Staatskanzlei-Angaben nicht vorgesehen.
In den meisten Ländern dürfen Läden länger öffnen
Seit der Föderalismusreform von 2006 können die Länder selbst über ihre Ladenöffnungszeiten bestimmen. Nach und nach wurden in allen Bundesländern eigene Gesetze dazu beschlossen – außer im Freistaat. Er ist das einzige Bundesland, in dem nach wie vor das Ladenschlussgesetz des Bundes aus dem Jahr 1956 gilt. Das will die Staatsregierung jetzt ändern.
Scharf kündigte an, einen ersten Gesetzentwurf nach den Sommerferien vorzulegen. Dennoch wird Bayern neben dem Saarland das einzige Bundesland bleiben, in dem alle Geschäfte um 20 Uhr schließen müssen. In Rheinland-Pfalz und Sachsen dürfen sie bis 22 Uhr öffnen, in gleich zwölf Bundesländern werktags rund um die Uhr.
Aiwanger: Wollen Mitarbeiter schützen
Ministerin Scharf betonte, es gehe darum, die Balance zwischen der Freiheit des Marktes und der Verantwortung für das Gemeinwohl zu halten. Das Ladenschlussgesetz diene dem Arbeitnehmerschutz und nicht der Wirtschaftsförderung.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ergänzte, Bayern wolle keine generelle Öffnung bis Mitternacht wie in vielen anderen Bundesländern. "Wir wollen hier durchaus auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen und wollen auf vernünftige Kernzeiten das Verkaufsverhalten konzentriert sehen." Dem Wunsch des Handels, mehr längere Verkaufsnächte zu ermöglichen, werde aber entsprochen. Das sei eine sehr gute Möglichkeit, mehr Leben in die Innenorte zu bringen und dem "Online-Handel etwas Paroli zu bieten".
Auch Opposition will keine längere Ladenöffnungszeiten
Dass es in Bayern bei den allgemeinen Ladenöffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr bleiben soll, findet auch die Opposition richtig. "Eine Verlängerung der aktuell geltenden Ladenschlusszeiten lehnen wir ab", sagt der Einzelhandelsexperte der AfD-Fraktion, Johannes Meier. "Supermärkte und der sonstige Einzelhandel hätten dadurch keine Gewinnmaximierung, es fände nur eine Verschiebung des Umsatzkernzeiten statt." Außerdem würden durch längere Öffnungszeiten Arbeitnehmer benachteiligt.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Barbara Fuchs, zeigt sich "sehr zufrieden", dass Bayern endlich ein Ladenschlussgesetz erhält. "Denn: Wir sind das einzige Bundesland ohne, und allein die Tatsache führt zu vielen Konflikten vor Ort." Auch die Grünen halten an den bisherigen Öffnungszeiten fest - insbesondere mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, aber auch auf den Wettbewerb zwischen kleinen Einzelhändlern und großen Ketten.
SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer begrüßt es grundsätzlich, "dass Kommunen mehr Spielraum erhalten". Der Schutz von Sonn- und Feiertagen sei für die SPD aber unverhandelbar. "Die Regelungen zu den digitalen Kleinstsupermärkten, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von Personal, werden wir daher genau prüfen." Die FDP, die für längere Ladenöffnungszeiten kämpft, gehört seit dem Herbst nicht mehr dem Landtag an.
Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern zeigt sich insgesamt zufrieden mit den Regelungen. Nur für die Sonn- und Feiertage hätte er sich geringere Hürden gewünscht - damit man nicht immer Sorge haben müsse, ob die anlassbezogene Öffnung genehmigt werde oder nicht. "Die Chance ist vertan, und das ist ein dicker, fetter Wehrmutstropfen."
Im Video: Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern zu den Neuerungen beim Ladenschluss
Im Video: DGB Bayern-Chef Stiedl zu Ladenschluss-Lockerungen
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