Morgens um 7.30 Uhr am Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung am Würzburger Heuchelhof: Hebebühnen werden runter- und raufgefahren, Rollstühle geschoben und Rollatoren ausgeladen. Aus vielen Orten Unterfrankens kommen 285 Kinder und Jugendliche, die hier auf die Schule vorbereitet werden oder bereits in die Hans-Schöbel-Schule gehen. Einer von ihnen ist der achtjährige Mailo Müller. Er hat eine spastische Körperbehinderung und kann ohne Rollator nicht selbständig laufen. Er und die anderen Kinder und Jugendlichen sind auf die Therapie am Förderzentrum angewiesen. Doch das Therapiegebäude ist sanierungsbedürftig. Und die Kosten sind für das Förderzentrum allein nicht tragbar. Die Benefizaktion Sternstunden unterstützt dabei.
Individuelle Förderung
Mailo ist sehr wissbegierig und freut sich täglich auf den Unterricht in der zweiten Klasse. "Ich lese und rechne gerne", sagt Mailo. Klassenlehrerin Simone Diaz-Kämpf empfängt ihre Schülerinnen und Schüler. Alle Kinder haben einen besonderen Förderbedarf – vor allem motorisch, aber auch sprachlich und emotional. Das Ziel der Lehrerin: Mailo und seine Klassenkameraden sollen möglichst selbstständig werden, auch wenn es vielleicht manchmal länger dauert. Jeder bekommt die Zeit, die er braucht. Im Morgenkreis wird gesungen und der Tagesablauf in einfacher Sprache besprochen. Wichtig ist eine klare Struktur, die den Kindern und Jugendlichen Sicherheit und Orientierung schenkt.
Ergotherapie im Unterricht
Dienstags kommt Ergotherapeutin Gabi Neubert in die Klasse. Passend zum Wetter stellt sie einen Schneemann in die Mitte des Kreises. Sie hat ein spannendes Angebot mitgebracht, um die Kinder "Fit für den Stift" zu machen. Sie verteilt weiße Papierblätter und macht es vor: reißt kleine Stücke ab und formt daraus mit den Fingerspitzen Schneeflocken. Mailo und die anderen sind begeistert: Wer formt die größte Flocke? Und wer schafft es, sie bis zum Schneemann zu schnipsen? Der wird gleich eingeschneit sein. Ganz spielerisch trainieren die Kinder ihre Fingerfertigkeit. "Es geht darum, dass sie die Feinmotorik so präzisieren, dass sie gut mit dem Stift arbeiten können", erklärt Gabi Neubert. "Die Kinder haben viel Spaß dabei und man sieht ja auch, dass sie Fortschritte machen, das ist das Schöne daran. Gerade wenn sie so klein sind, dann tut sich da noch ganz viel."
Sanierungsbedürftiges Therapiegebäude
Therapie ist am Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung ein wichtiger Baustein und genau da drückt der Schuh: Die Therapieabteilung wurde 1975 erbaut, befindet sich mitten im Schulgebäude und ist nun sanierungsbedürftig. Kostenpunkt: mindestens fünf Millionen Euro. Karin Baumgärtner, der Vorstandsvorsitzenden des Vereins für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung, bereiten die steigenden Baukosten Kopfzerbrechen. Der Therapiebereich ist ihr Sorgenkind.
"Wir hatten Wassereinbrüche und die Leitungen sind nicht mehr in Ordnung, die Fenster sind zugig – es ist wirklich so dringend dran", sagt Baumgärtner. Für diese Generalsanierung hat der Heuchelhof keinen öffentlichen Kostenträger gefunden. Zum Teil schwerst körperbehinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind auf die Unterstützung von Sternstunden angewiesen, um individuell und zeitgemäß gefördert werden zu können.
1,5 Millionen Euro dank Sternstunden
Die Benefizaktion hilft mit 1,5 Millionen Euro. Damit kann die Generalsanierung baldmöglichst starten. Die therapeutische Ausstattung für Physio-, Ergo-, Mototherapie und Logopädie soll zeitgemäß werden. Ein neues Laufband, Lifter und Lichter zum Dimmen sind noch Zukunftsmusik. Bis dahin wissen sich die Therapeuten zu helfen und machen das Beste aus der Situation. Mailo läuft mit seinem Rollator zur Ergotherapie bei Gabi Neubert. Er fädelt gelbe Holzsterne auf eine Schnur und freut sich, dass er es gleich beim ersten Mal geschafft hat. Eine entspannte Umgebung ist für solche Erfolgserlebnisse wichtig.
"Oft ist im Winter die Heizung erst Mal kalt, frieren ist tatsächlich ein großes Problem, weil dann kann man sich nicht entspannen", sagt Gabi Neubert. Auch heute ist es eher frisch im Raum. Es klopft an der Tür und Hausmeister Gerd Krause schiebt gut gelaunt einen mobilen Heizkörper ins Zimmer. Krause kann sich in diesen kalten Wintertagen vor Einsätzen kaum retten. Er arbeitet seit 28 Jahren hier. "Kannst Du mal probieren, ob Du den Rollladen aufkriegst? Vielleicht hast Du magische Hände?", fragt die Ergotherapeutin. Die Jalousie klemmt, kein Tageslicht, keine Lüftung, das Stromnetz ist überfordert.
Ausnahmezustand schweißt noch enger zusammen
"Es ist wie eine große Familie. Ich wohne hier auf dem Gelände, wir halten alle zusammen, wir geben alles, aber bei solchen Sachen, sind mir auch die Hände gebunden", sagt der Haustechniker. Gerd Krause hat einen besonderen Draht zu den Kindern und Jugendlichen und ist großes Vorbild für viele. Oft dürfen sie den Hausmeister mit kleinen Handgriffen unterstützen. Mailo war schon mal dabei, als ein Türschloss gewechselt wurde. Mailo will später auch mal Hausmeister werden.
Auch nebenan in der Physiotherapie gibt es keine konstanten Temperaturen. Selbstgestaltete, bunt bemalte Raumtrenner aus Stoff lösen zumindest das Platzproblem. Gut drei Viertel aller Kinder und Jugendlichen hier benötigen Physiotherapie. Zudem sind Mototherapie und Logopädie wichtige Bausteine.
Sternstunden hat das Förderzentrum erstmals 1995 unterstützt und ist zu einem Wegbegleiter geworden. Damals wurde der Bau einer Erlebnis- und Spiellandschaft für schwer körperbehinderte Kinder ermöglicht. "Mein Dank geht an Sternstunden. Das ist für die Kinder- und Jugendlichen ein so großer Wert", sagt Karin Baumgärtner. Mailo und die anderen Kinder und Jugendlichen freuen sich auf Hilfe, die ankommt.
- Zum Artikel: 30 Jahre Sternstunden - Countdown zur Jubiläumsgala
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