Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden (Archiv- und Symbolbild)
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Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden (Archiv- und Symbolbild)

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Streit um Kita-Förderung: Münchner Familien in Not

Die Stadt München unterstützt Kitas finanziell – im Herbst aber mit einem neuen Modell. Einige Kitas wollen bei dem neuen System nicht mitmachen, eine hat sogar schon angekündigt zu schließen. Für Kinder und ihre Eltern ein Drama.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Hohe Bäume, viel Platz, Schaukeln quietschen, Laufräder rollen über die Wiese und von überall her tönt fröhliches Kindergeschrei: Die Kita "Kinderzimmer" in München-Oberföhring ist ein Idyll mitten in der Stadt. Doch wenn kein Wunder geschieht, ist damit Ende August Schluss. Der Betreiber hat die Schließung angekündigt.

Kita: Verhandlungsversuch mit Stadt München "gescheitert"

Verantwortlich für diesen Schritt macht er das neue Fördermodell der Stadt München. "Leider ist eine Fortführung unter den neuen Bedingungen des sogenannten "Defizitausgleiches" ab September 2024 nicht darstellbar. Alle Bestrebungen und Verhandlungsversuche, mit der Stadt München eine tragfähige Lösung für den Weiterbetrieb der Kita zu finden, sind zu unserem Bedauern gescheitert", schreibt die KMK Kinderzimmer GmbH auf ihrer Webseite. Weiter heißt es dort: Ohne die Möglichkeit, als Träger moderate Gewinne erwirtschaften oder entsprechende Rücklagen bilden zu können, habe man keine Grundlage für den Ausbau des Betreuungsangebotes. 

Bisher hat die Stadt die Kitas mit der "Münchner Förderformel" unterstützt: Wer einen Antrag gestellt hat, bekam beispielsweise für Personal eine pauschale Summe. Diese wurde mit einer aufwändigen Formel ermittelt, abhängig von den Besonderheiten der jeweiligen Einrichtung. Wer klug beantragt und etwa bei den Personalkosten gespart hat, konnte seinen Betrieb unter Umständen mit einem Gewinn abschließen. Dies ist mit dem neuen System nicht mehr möglich, denn die Stadt ersetzt den Kitas künftig nur noch ihre Defizite. Etwaige Gewinne werden verrechnet.

Gericht kippte bisheriges Fördersystem

Die Oberföhringer Kita besuchen derzeit 110 Kinder. Die Eltern wurden erst vor wenigen Wochen informiert, die Anmeldefrist für die städtischen Kitas war da bereits abgelaufen. Nun geht die Angst um. Einer der Väter, Markus Westermeier, sagt: Er und seine Frau arbeiteten beide über 40 Stunden wöchentlich. "Wir wissen nicht, wie wir unsere Berufe fortsetzen sollen, wenn die Einrichtung schließt."

Einige werden wohl einen neuen Platz finden, schätzt Christoph Eisch, ein anderer Vater, aber für alle 110 sei das unmöglich. "Unsere Kinder mögen den Ort hier sehr, sind gern mit den Freunden und Betreuern zusammen und es ist eine sehr schöne Einrichtung. Es wäre wirklich schade, wenn sich keine Lösung finden ließe", meint eine der Mütter, Isil Heves. Von allen anderen Kitas, bei denen sie sich beworben hätten, sei keine Antwort gekommen, berichtet ein weiterer Vater, Onur Aras. Nun sei die einzige Lösung eine private Einrichtung, was sehr teuer sei.

Stadt verteidigt neues System mit Defizitausgleich

Das alte Münchner Fördersystem hatte das Verwaltungsgericht München vor knapp drei Jahren gekippt. Sinngemäß hieß es zur Begründung, dass die Stadt den Kitas Vorgaben für ihre Preisgestaltung mache. Das aber greife unzulässig in die Berufsausübungsfreiheit der Träger ein. Geklagt hatten damals private Kita-Betreiber - unter anderem einige derer, die jetzt auch das neue Modell kritisieren.

Ihr neues Fördermodell lässt sich die Stadt München nach eigenen Angaben 170 Millionen Euro kosten. Die Stadt verteidigt auf BR-Anfrage ihre Entscheidung für das Defizitausgleich-System: Dieses werde auch in vielen anderen bayerischen Kommunen angewandt und biete die Möglichkeit, eine qualitativ hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung und einen weiteren familienfreundlichen Ausbau der Kindertageseinrichtungen in München auch durch die freigemeinnützigen und sonstigen Träger zu fördern.

Bildungsreferat: Kita in Oberföhring sei Einzelfall

Die angekündigte Schließung der Oberföhringer Kita bezeichnet das Bildungsreferat als "Einzelfall". Der Zusammenhang mit dem neuen Fördersystem sei nicht plausibel. Vermutlich wolle der Betreiber, der 40 Kitas in Hamburg und nur eine in München betreibe, sein "Portfolio konsolidieren". Ähnliches ist auch im Gespräch mit Insidern zu hören: Der Träger habe bereits vergangenes Jahr, unter den damaligen Förderbedingungen, Abstand von dem Projekt genommen, weil sich der Gewinn nicht wie erwartet entwickelt habe.

Dennoch ist noch nicht sicher, dass alle 625 Kitas, die beim alten System dabei waren, auch das neue akzeptieren werden. Die Stadt kalkuliert nach einer ersten Abfrage unter den Trägern mit rund 600 Wechselwilligen.

Kita in Freimann setzte auf enorme Gebührenerhöhung

Zu den Kitas, die künftig beim Defizitausgleichsverfahren nicht mitmachen wollen, gehört die von Katharina Kodbays Tochter. Die Einrichtung in München-Freimann schließt zwar nicht, sie erhöht aber saftig die Preise. Von 145 auf 895 Euro – und 200 Euro Essensgeld kommen noch obendrauf. "Das war ein Schock, da sind wir aus allen Wolken gefallen", berichtet Kodbay.

Doch dann fand die Friseurin schnell eine Lösung: Die Wirtschaftliche Jugendhilfe der Stadt zahlt Eltern mit niedrigeren Einkommen einen Zuschuss. Ihr Antrag ist zwar noch nicht final bewilligt, aber aller Voraussicht nach müssen die Kodbays künftig nur etwa 250 Euro für den Kitaplatz zahlen. "Das ist schon eine große Erleichterung", sagt die zweifache Mutter. Schlechter sieht es für Familien mit etwas mehr Einkommen aus: Sie verdienen zu viel, um unterstützt zu werden, und gleichzeitig zu wenig, um sich die erhöhten Kitagebühren leisten zu können.

Neue Hoffnung für die Eltern

Für viele Eltern in Oberföhring kommt deswegen der Wechsel in eine teurere Kita nicht infrage. Doch bei ihnen keimt neue Hoffnung: Die Stadt hat Anfang der Woche zu einem virtuellen Elternabend eingeladen. Darin berichtete sie den Eltern, für die Einrichtung hätten bereits mehrere erfahrene Träger Interesse bekundet. Man arbeite mit Hochdruck an einer nahtlosen Fortführung des Betriebs. Mit einer Entscheidung sei Mitte Juli zu rechnen.

Nach dem Elternabend zeigte sich Vater Christoph Eisch erleichtert: "Für den heutigen Tag sind das sehr schöne Nachrichten. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass auch wirklich der neue Träger ernannt wird und alle Mitarbeiter und Kinder übernommen werden können." Die Oberföhringer Kinder können mit etwas Glück also auch im kommenden Jahr gemeinsam spielen. Und die Stadt sieht sich bestätigt, dass es auch mit dem neuen Fördermodell möglich ist, Kitas in München wirtschaftlich zu betreiben.

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