Baubiologin Gabriele Götz leitet die gleichnamige Ziegelei im oberfränkischen Reckendorf im Landkreis Bamberg. Mit natürlichen Baustoffen kennt sie sich aus, in der siebten Generation werden hier Lehmziegel gebrannt und mit weiteren Baustoffen gehandelt. Die Energiekostenexplosion im vergangenen Jahr hat sie aufgerüttelt. Denn die Herstellung von Quarzsand etwa ist energieaufwändig. Der Sand muss getrocknet werden, bevor er verarbeitet werden kann.
"Ich habe einen Sandersatz gesucht, weil der Quarzsand durch die ganze Gasproblematik so teuer geworden ist", schildert Götz im BR24-Interview. Die Ziegelei-Chefin ist über Internetrecherchen auf Strahlmittel gestoßen und darauf, dass man Haselnussschalen zum Sandstrahlen verwenden kann. Ihre Überlegung: Wenn sie so klein gemahlen sind, könne sich aus den Haselnussschalen auch Sand herstellen lassen.
Haselnussschalen: Rohstoff aus Mittelfranken
Ortswechsel: Die Landwirte Martin und Fritz Stiegler aus dem mittelfränkischen Gonnersdorf im Landkreis Fürth bewirtschaften unter anderem große Haselnuss-Plantagen. Hergestellt werden daraus Nussaufstriche, Gebäck, Brände und Öle. Übrig bleiben nach der Ernte und dem Knacken der Nüsse zentnerweise Haselnussschalen. Diese werden teils an Hobbygärtner verkauft, etwa um Schnecken von den Beeten fernzuhalten. Die Mittelfranken kommen mit Baubiologin Götz aus Oberfranken ins Gespräch, diese experimentiert mit den Haselnussschalen.
Von der Kaffeemühle zum Gartenhäcksler
Die ersten Versuche, die sehr harten Haselnussschalen zu zerkleinern, habe Gabriele Götz mit einer elektrischen Kaffeemühle durchgeführt. Das habe schon gute Ergebnisse erzielt, schildert die 56-Jährige. Dann habe sie sich auf die Suche nach einem größeren Gerät gemacht, das ähnliche Messer wie die Kaffeemühle habe, und sei dann bei einem Gartenhäcksler gelandet. Dieser steht inmitten der großen Ziegeleihalle in Reckendorf, drumherum viele blaue Fasstonnen. Darin lagert Götz die Haselnussschalen in verschiedenen Körnungen. Wenn die Körnung so klein sein soll wie beim feinsten Quarzsand, sieben ihre Mitarbeiter die feinen von den gröberen Bestandteilen ab.
Regeln für den Haselnuss-Sand
Nachhaltiges Bauen liegt im Trend, immer mehr Kunden wollen mit natürlichen Baustoffen arbeiten, und ihre Wohnräume ausstatten. Auf einer Baustelle im unterfränkischen Rentweinsdorf im Landkreis Haßberge soll ein aus Ziegeln gebautes Haus innen verputzt werden. Ein paar Besonderheiten seien beim Anrühren des Putzes und der Verarbeitung schon anders als beim herkömmlichen Putz mit Sand oder Quarzsand, so Götz.
Im Eimer werden Lehm, Wasser und statt Sand fein geschredderte Haselnussschalen mit dem Rührstab angerührt – und zwar so lange, sagt Götz, bis der Putz die entsprechende Konsistenz habe, also locker von der Kelle rutscht. "Weil der Lehm nachquillt - das ist der Unterschied zu den anderen Putzen -", so die Ziegelei-Chefin, "muss das Lehm-Haselnussgemisch noch zehn bis 15 Minuten stehen." Der Grund: Die Mischung braucht diese Zeit, bis sie sich vollsaugt, dann muss nochmals gerührt werden.
Aufgetragen wird der Putz in mehreren Arbeitsgängen, sagt Verputzer Pascal Jahn im Interview mit BR24. Das Gemisch müsse überdies länger als herkömmlicher Zement trocknen, bis zu sechs Wochen. Das sei für Neubau-Baustellen oftmals ein Knackpunkt, weil viele die Zeit nicht hätten, so Jahn.
Auswirkungen auf das Raumklima
Verputzer Jahn arbeitet in seinem eigenen Haus mit dem neuartigen Baustoff. Die Ziegel müssen nass gemacht werden, damit sie der Masse nicht sofort das Wasser entziehen. Den Rest des Hauses hat er schon mit dem Haselnuss-Lehmgemisch verputzt und ist davon überzeugt, wegen des Raumklimas. "Der kann Feuchtigkeit aufnehmen und gibt sie gleichmäßig wieder ab", so der Handwerker. "Das reguliert die Luftfeuchtigkeit, deswegen ist das Raumklima deutlich besser." Seiner Ansicht nach werde mit dem ökologischen Gemisch auch die Wärme viel besser gespeichert als beim herkömmlichen Putz.
Und noch einen Vorteil sieht der Verputzer im Gemisch mit Haselnuss-Sand: Feucht gehalten könne man den Lehm-Haselnuss-Putz sehr lange aufheben und weiterverarbeiten. Werde klassischer Zement mit Sand angerührt hart, müsse er entsorgt werden.
Nachfrage nach Haselnuss-Sand steigt
Inzwischen nehme die Nachfrage deutlich zu, erklärt die Baubiologin und Ziegelei-Chefin Gabriele Götz. Gerade wegen der endlichen Sandressourcen, der explodierenden Energiekosten seien immer mehr Menschen auf der Suche nach nachhaltigen und CO2-neutralen Baustoffen, ist Götz überzeugt.
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