Nach fast genau auf den Tag 31 Jahren nach der Tat ist heute am Landgericht Würzburg der Prozess um ein totes Mädchen zu Ende gegangen, das im Dezember 1993 ermordet und in einer Güllegrube versteckt wurde. In dem Verfahren um den gewaltsamen Tod auf einem Reiterhof bei Wiesenfeld im Landkreis Main-Spessart verurteilte das Gericht den 48 Jahre alten Angeklagten am Freitag zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten.
Verhandlung nach Jugendstrafrecht
Zwar sagte der Richter in seiner Begründung, es habe im Prozess keine Klarheit darüber gegeben, was an diesem Tag im Dezember 1993 genau passiert sei. Die gesammelten Indizien hätten jedoch einen Ring ohne Bruchstelle gegeben, die den heute 48 Jahre alten Angeklagten deutlich eingekreist hätten.
Weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt war, wurde nach Jugendstrafrecht verhandelt. Der Prozess fand deshalb auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Neue DNA-Analysen hatten die Ermittler zu dem Angeklagten geführt. Die Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenklage hatten in ihren Schlussvorträgen die Verurteilung wegen Mordes und eine Haftstrafe von neun Jahren gefordert. Die Höchststrafe liegt für diesen Fall bei zehn Jahren.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage hatte der damals 17-jährige Angeklagte das Mädchen mit sexuellen Hintergedanken auf den Heuboden der Scheune gelockt. Dort soll er Sabine überwältigt und erwürgt haben, bis sie erstickt ist. Nach der Tat soll der nun Verurteilte das leblose Mädchen wieder angezogen haben und weggegangen sein. Später soll er zurückgekommen sein, den toten Körper vom Heuboden geworfen und zu einer Güllegrube geschleift haben, um die Leiche zu verstecken.
Verteidigung hatte Freispruch gefordert
Die Verteidigung des Angeklagten hatte einen Freispruch in dem "Cold Case" gefordert. Die Argumentation: Ihr Mandant könnte zwar die damals 13-jährige Sabine auf dem Heuboden des Reiterhofes ermordet haben – die Beweislage ließe aber auch andere Schlüsse zu. In seinem zweistündigen Plädoyer hatte Verteidiger Hajo Schrepfer fünf Möglichkeiten des Tathergangs erörtert, die aus seiner Sicht auch plausibel waren. Er verwies auf die Beweislage, zu der auch der Nachweis von Sperma des Angeklagten gehört, unter anderem auf der Unterwäsche des Mädchens.
Verteidiger Schrepfer ging nicht wie die Anklage von einem sexuellen Missbrauch aus, sondern von einvernehmlichen sexuellen Handlungen. An der Leiche des Mädchens hatten die Rechtsmediziner keine Abwehrspuren gefunden. Der Verteidiger hatte darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass mehrere Personen beteiligt waren und der Angeklagte Sabine gar nicht getötet hat. Er könnte zugesehen oder beim Beseitigen der Leiche geholfen haben: hypothetische Möglichkeiten, die wegen Verjährung heute aber nicht mehr strafbar wären.
Mordanklage vor drei Jahren
Zum Kreis der Verdächtigen gehörten in den 1990er-Jahren schon drei weitere Personen. Darunter auch der damalige Besitzer des Hofes, der aber nicht mehr lebt. Ihm wurde von vielen der über 80 Zeugen ein unangenehmes Verhalten gegenüber Frauen nachgesagt, er soll Frauen auch begrabscht haben.
Bereits 1994 stand ein damals 15-Jähriger vor Gericht, der inzwischen verstorben ist. Er wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Der jetzige Prozess begann Anfang September dieses Jahres. Bereits Ende 2021 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes erhoben, das Landgericht hatte eine Verhandlung aber abgelehnt. Erst nach der Bewertung des Oberlandesgerichtes Bamberg wurde die Anklage vom Landgericht Würzburg zugelassen.
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