Sechs Frauen in einem Klassenzimmer, die etwas schreiben. Drei tragen ein Kopftuch, drei nicht.
Bildrechte: BR/Daniela Olivares

Rund 15 Teilnehmer verbessern in dem neuen Kurs in Ingolstadt ihre Deutschkenntnisse.

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Türen auf zum Arbeitsmarkt: Unbürokratisch Deutsch lernen

Deutsch ist für Menschen aus dem Ausland der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Doch Sprachkurse sind vielerorts voll. Die bürokratischen Vorgaben für Kurse, die ein höheres Niveau anbieten, sind hoch. Ein neues Angebot in Ingolstadt soll Abhilfe schaffen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Sali El-Sayed unterstreicht einige Wörter im Text auf ihrem Arbeitsblatt. Arbeitszeugnis, welche Rechte hat man als Arbeitnehmer – auch das ist Inhalt des Deutschkurses. Die 41-Jährige kommt aus Ägypten. Seit 16 Jahren lebt sie bereits mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in Deutschland: "In Ägypten habe ich BWL studiert und da zwei Jahre gearbeitet. Und jetzt besuche ich den Deutschkurs, weil ich möchte meine Deutschkenntnisse verbessern. Jetzt sind meine Kinder schon groß und ich möchte gerne arbeiten." Sie will ein Vorbild für ihre Töchter sein. Der neue Kurs der Kolping Akademie ist für sie genau das Richtige. Er endet mit dem Niveau B2 - sehr gute Deutschkenntnisse - und wird für viele die Tür in die Arbeitswelt öffnen, denn Erzieher oder Krankenpfleger sollten B2-Niveau haben, um im Beruf zu arbeiten.

Lange Wartelisten bei Deutschkursen

Mit Sali El-Sayed sitzen weitere 15 Teilnehmer in dem neuen Deutschkurs, den die Kolping Akademie in Ingolstadt anbietet. Finanziert wird er über Kolping und die Stadt Ingolstadt. Der Kurs ist bunt gemischt: Frauen und Männer aus der Ukraine, Ägypten, dem Kosovo. Einige sind wie Sali El-Sayed schon viele Jahre in Deutschland, andere erst seit Kurzem. Doch sie alle wollen ihr Deutsch verbessern.

Der Kurs bietet viele Vorteile. Denn würden sie einen der offiziellen Kurse vom Bundesamt für Migration und Flucht besuchen wollen, müssten sie diverse Dokumente vorweisen. Und dann dauert es: Mehrere Monate müssen Interessierte aktuell auf einen Platz warten - derzeit stehen rund 300 Personen in Ingolstadt auf der Warteliste. Insgesamt bietet die Kolping Akademie in Ingolstadt 40 Kurse an – alle sind voll. Mehr anbieten können sie nicht, da die Lehrkräfte dafür fehlen, erklärt Geschäftsführerin Stephanie Kühn.

Der neue Kurs setzt an der richtigen Stelle an, meint sie. Denn er will den Zugang leichter machen, erklärt Mitinitiatorin Karoline Schwärzli-Bühler vom Jugendmigrationsdienst. Er bietet für die Teilnehmer viele Vorteile.

Unbürokratisch und schnell Deutsch lernen

Nach den Integrationskursen, die bei Niveau B1 enden, brauchen die Teilnehmer einen Bezugsschein für einen weiteren Kurs. Sonst geht es nicht weiter, erklärt Karoline Schwärzli-Bühler. Das ist aufwendig und dauert - und viele wissen nicht, dass es diese Möglichkeit gibt und wie sie funktioniert. Bei dem Projekt-Kurs läuft es anders: "Sie müssen nicht erst fünf Papiere vorweisen, dass sie aufgenommen werden. Sondern der Wille, dass sie die deutsche Sprache lernen wollen und die Motivation zählen, und das war für uns ausschlaggebend", meint Schwärzli-Bühler. Die Teilnehmer mussten nur eine einfache Bewerbung abgeben. Dafür müssen sie auch mehr Eigeninitiative zeigen als in anderen Kursen.

Selbstständiges Lernen

Die meisten der Teilnehmer haben studiert: BWL, Medizin, Finanzen. Sie wissen, dass man auch zu Hause arbeiten muss. Und da setzt der Kurs an. Denn anders als bei vielen Kursen müssen die Teilnehmer hier viel nach dem Kurs lernen. An drei Tagen pro Woche haben sie über zwei Stunden Präsenzunterricht, dazu kommen dann noch gut eineinhalb Stunden, in denen sie alleine lernen müssen.

"Das funktioniert bei mir gut, die Kinder sind ja schon groß", meint Sali El-Sayed und lächelt. Und auch die Erfahrungen, die die Lehrkraft bislang im Kurs gemacht hat, sind gut. "Ich finde schon, dass sie von sich aus viel arbeiten und wenn ich vielleicht mal weniger Aufgaben mit nach Hause gebe, dann kommt schon, dass ich mehr mitgeben soll. Und das ist nicht in allen Kursen so", meint die Lehrerin. Im Kurs seien Krankenpflegerinnen, Ärztinnen: "Sie konnten bisher wegen der Sprache nicht arbeiten. Und die werden in Deutschland wirklich gebraucht", meint sie.

Ziel: Schnell Arbeit finden

Die Teilnehmer im Kurs haben ein gemeinsames Ziel: Möglichst schnell arbeiten. Im Mai 2024 werden sie die offizielle B2-Prüfung ablegen. Dann hoffen sie, schnell einen Arbeitsplatz zu finden. Auch hier hilft der Kurs: Es werden Bewerbungsunterlagen erstellt. Außerdem ist in den nächsten Wochen geplant, dass ein Treffen mit möglichen Arbeitgebern aus der Region stattfindet, um so erste Kontakte zu knüpfen.

Sali El-Sayed möchte auf jeden Fall ein Praktikum machen und dann eventuell als Sozialarbeiterin arbeiten: "Ich möchte auf jeden Fall Kontakt mit Menschen haben." Ein junger Mann aus der Ukraine möchte KfZ-Mechatroniker werden, eine Türkin eine Ausbildung zur Kinderpflegerin machen: "Ich habe in der Türkei im Finanzamt gearbeitet. Jetzt möchte ich mit Kindern arbeiten", meint sie.

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