Mehr als 50.000 Tote, 1,5 Millionen Menschen obdachlos, unzählige Verletzte – das Erdbeben vom 6. Februar in der Südosttürkei und im Norden Syriens hat unglaubliches Leid verursacht. Für den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Nürnberg, Bülent Bayraktar, ist klar: Hilfe wird noch lange notwendig sein. "Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon", sagt Bayraktar – und wünscht sich mehr unbürokratische Unterstützung von den Behörden.
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Vereinfachte Visa sorgen für viel Frust
Die Zusage der Bundesregierung, auch mit vereinfachten Visaverfahren zu unterstützen, begrüßt Bülent Bayraktar zwar sehr. Doch bei der Beantragung gebe es Hürden. "Die Bürokratie steht im Weg", sagt er. In Nürnberg etwa müssten Antragsteller bis zu zwei Monate warten, um einen Termin für die Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung zu bekommen – Menschen mit türkischen Wurzeln, die ihre Angehörigen aus den Erdbebengebiet für drei Monate zu sich holen wollen, müssen für deren Aufenthalt aufkommen, so der Plan der Bundesregierung. "Das ist nicht Sinn und Zweck dieser vereinfachten Visaangelegenheiten", meint Bayraktar. Bisher habe noch niemand aus dem Großraum Nürnberg seine Verwandten zu sich holen können.
Stadt Nürnberg: "Bisher kaum Nachfragen"
Tatsächlich bestünde derzeit eine Wartezeit auf Termine für Verpflichtungserklärungen von circa sechs bis acht Wochen, heißt es vom Amt für Migration und Integration der Stadt Nürnberg. "Jedoch werden solche, die Bezug zum Erdbeben haben, identifiziert und schnell vorgezogen", teilte die Stadt dem BR mit. Sofern die Anträge die Voraussetzungen erfüllen (Verwandtschaft 1. oder 2. Grades, Herkunft aus den betroffenen Regionen u.ä.) würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Amt allerdings innerhalb von Tagen einen Termin anbieten. "Bisher bestand jedoch kaum Nachfrage", stellte die Stadt fest.
Große Hilfsbereitschaft im Raum Nürnberg
Dessen ungeachtet ist die Hilfsbereitschaft in der Region riesig, vor allem in der türkischen Community. Viele sind selbst betroffen, haben Angehörige beim Erdbeben verloren. So wie Cemil Kimyacioglu aus Lauf an der Pegnitz, der dort eine Autowerkstatt betreibt: Mehrere seiner Cousins seien umgekommen, berichtet er. Der 53-Jährige ist erst vor kurzem selbst aus dem Erdbebengebiet zurückgekehrt.
"Überall hörte ich Schreie. Das war kaum auszuhalten!"
Cemil Kimyacioglu war in Antakya, als die Erde bebte. An eine schnelle Rückkehr war angesichts des großen Leids um ihn herum nicht mehr zu denken – drei Wochen lang half Kimyacioglu bei der Bergung von Toten und Verletzten. "Überall hörte ich Schreie, das ist kaum auszuhalten", berichtet er. Doch es gab auch Glücksmomente – etwa, als er zusammen mit anderen acht Tage nach dem Erdbeben die beiden Söhne eines seiner Cousins aus den Trümmern bergen konnte: "Das hat uns die ganze Situation ein bisschen erleichtert."
Aufruf zu Geld- statt Sachspenden
Auch wenn Cemil Kimyacioglu nun wieder zurück in Lauf ist, möchte er den Erdbebenopfern weiterhin helfen. Beim letzten Freitagsgebet in der Moschee der Türkischen Gemeinde Nürnberg rief er deshalb zu Geldspenden auf – denn Sachspenden in Deutschland zu sortieren und dann in der Türkei zu verteilen, sei zu aufwändig. Der 53-Jährige möchte auch so bald wie möglich einige seiner Verwandten mithilfe des vereinfachten Visaverfahrens zu sich holen – wenn es die deutsche Bürokratie zulässt.
Zahl der Visa für Erdbebenopfer hat sich erhöht
Die Zahl der deutschen Visa für Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien hat sich allerdings auch erhöht. Bis vergangenen Freitag seien 528 Visa für Personen aus der Erdbebenregion ausgestellt worden. Das sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Von den 528 seien 429 Schengen-Visa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen und 99 Visa für den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland im Rahmen des Familiennachzugs. Die meisten dieser Visa seien an syrische Staatsangehörige ausgestellt worden. Am vergangenen Mittwoch hatte das Auswärtige Amt den zu diesem Zeitpunkt gültigen Stand noch mit 111 ausgegebenen Visa angegeben.
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