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51 Beschuldigte: Studie zu Missbrauch im Bistum Würzburg

51 Beschuldigte: Studie zu Missbrauch im Bistum Würzburg

In Würzburg ist ein Gutachten zum Thema Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche vorgestellt worden. Die in diesem Bericht enthaltenen Zahlen fallen anders aus als jene in bisherigen Gutachten aus dem In- und Ausland.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Am Dienstag wurde für das Bistum Würzburg ein spezifisches Gutachten vorgestellt, das der Wiesbadener Rechtsanwalt Hendrik Schneider erstellte. Auftraggeber war nicht die Kirche, sondern die Unabhängige Aufarbeitungskommission.

Parallel dazu arbeitet seit 2021 ein historisches Studienteam der Universität Würzburg unter der Leitung des Kirchenhistorikers Dominik Burkard an einer weiteren Untersuchung. Beide Studien haben das Ziel, die Missbrauchsfälle umfassend aufzuarbeiten und die Hintergründe sowie die begünstigenden Strukturen innerhalb der Kirche zu analysieren. Das erste Gutachten wurde heute präsentiert.

Kein genereller Täterschutz im Bistum Würzburg

Das Missbrauchsgutachten über das Bistum Würzburg zeigt keine Hinweise auf generellen Täterschutz durch die kirchliche Leitung. Es gebe keine Hinweise für eine solche umfassende Strategie, erklärte der Gutachter Schneider am Dienstag in Würzburg. Es existieren jedoch Indizien für den Schutz einzelner tatverdächtiger Priester und eine unzureichende Aufklärung von Missbrauchsfällen.

Schneider untersuchte im Auftrag der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Würzburg den Umgang mit Missbrauchsfällen von 1945 bis 2019 und identifizierte 51 Beschuldigte, darunter 43 Kleriker. Mehr als 3.000 Missbrauchstaten, schätzt der Gutachter, wurden von ihnen begangen. Fast alle sind Männer, die meisten Geistliche. Die mehr als 200 betroffenen Kinder und Jugendliche sollen im Durchschnitt nicht einmal zehn Jahre alt gewesen sein.

Missbrauchsquote niedriger als in anderen Studien

Die Missbrauchsbelastungsquote, die den Anteil der jährlich tätigen Geistlichen mit mindestens einer plausibel begangenen Missbrauchstat beschreibt, lag je nach Jahr zwischen 0 und maximal 1,1 Prozent. Dieser Wert ist deutlich niedriger als in anderen nationalen und internationalen Studien, die zwischen vier und fünf Prozent liegen.

Die Zahl der tatverdächtigen Geistlichen im Bistum Würzburg ist auch geringer als die Ergebnisse der bundesweiten Missbrauchsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von 2018, die für Würzburg 62 beschuldigte Priester und Diakone aufführt. Das Gutachten offenbart somit zwar Einzelversäumnisse und Schutzmaßnahmen, jedoch keinen systematischen Täterschutz durch die kirchliche Leitung des Bistums Würzburg.

Abweichungen aufgrund von engerem Tatbegriff

Als Grund für die Abweichung zu anderen Studien nannte Schneider einen engeren Tatbegriff. Gezählt wurde nur, was in irgendeiner Form entweder straf- oder kirchenrechtlich als Tat anzusehen ist oder durch Anerkennungszahlungen oder einen Missbrauchsbeauftragten der Kirche als plausibel eingestuft wurde. Den Betroffenen wurde das Gutachten laut UKAM bereits vor dem Übergabetermin in einem geschützten Rahmen vorgestellt.

Würzburgs Bischof entschuldigt sich für Verbrechen

Der Würzburger Bischof Franz Jung hat das Gutachten am Dienstag von Gutachter Schneider und der UKAM entgegengenommen und die Missbrauchsbetroffenen um Entschuldigung gebeten. "Ich sehe die Verbrechen und das schwere Versagen von Verantwortungsträgern in der Kirche von Würzburg. Für die Jahre des Schweigens, der Verleugnung und der Untätigkeit bitte ich um Entschuldigung – auch wenn ich ahne, dass viele dieser Bitte aus guten Gründen werden nicht entsprechen können", sagte der Bischof in einer ersten Reaktion.

Inhaltlich will er sich aber erst kommenden Montag ausführlich zum Gutachten äußern und zu den Empfehlungen Stellung nehmen. Grund dafür ist, dass er laut der Aufarbeitungskommission das Gutachten nicht vorab bekam, sondern erst heute bei der Vorstellung.

Anlaufstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt: Wenn Sie selbst oder Menschen in Ihrem Umfeld sexualisierte Gewalt erlebt haben und Sie die Berichterstattung darüber belastet, holen Sie sich bitte Hilfe: Externe Ansprechperson für Betroffene ist Professor Dr. Alexander Schraml, Telefon 0151/21265746. Die Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Telefon 0931/38669000, bietet eine Erstinformation. Interventionsbeauftragte im Bistum Würzburg ist Kerstin Schüller, Telefon 0931/38610004, Mail intervention@bistum-wuerzburg.de.

Zu den staatlichen Beratungsstellen zählt die Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt, Telefon 089/88988922. Rund um die Uhr erreichbar sind der psychosoziale Krisendienst in Bayern unter 0800/6553000 und die Notrufzentrale der Polizei unter 110.

Mit Informationen von KNA und epd

Übergabe des Gutachtens von Prof. Dr. Anja Amend-Traut, Vorsitzendende der UKAM Würzburg (Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg) an Würzburgs Bischof Franz Jung.
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Übergabe des Missbrauchs-Gutachtens

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