Der bayerische FDP-Fraktionschef Martin Hagen gibt sich zuversichtlich: Seine Partei habe die Talsohle durchschritten und sei "im Aufwind", sagt er zum Auftakt der Winterklausur im Kloster Seeon. Wo früher Benediktinermönche beteten und arbeiteten, starten die FDP-Landtagsabgeordneten in ein kompliziertes Wahljahr. Denn ihre Ziele werden sie höchstwahrscheinlich ohne göttlichen Beistand erreichen müssen: am 8. Oktober wieder in den Landtag kommen, danach am liebsten mitregieren.
Hagens Optimismus steht auf dünnem Fundament: Aktuell liegen die Liberalen im BR24 BayernTrend bei vier Prozent. Das ist ein Prozentpunkt mehr als im Oktober, wäre aber zu wenig für den Wiedereinzug ins Parlament. Hagen bemüht eine weitere Zahl aus der Umfrage, die seiner Fraktion und ihm Mut macht: Mit der Arbeit der FDP im Freistaat sind immerhin 22 Prozent zufrieden, ein Plus von drei Prozentpunkten. Also, nochmal: "Es geht aufwärts", sagt der 41-Jährige, der auch Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist.
Ampel-Beteiligung soll helfen – aber Fokus auf Bayern
Nicht abschließend geklärt ist, ob die Regierungsbeteiligung im Bund der FDP im Freistaat Aufwind oder doch Gegenwind liefert. Das ungewohnte Bündnis mit SPD und Grünen stellt Hagen vor strategische Herausforderungen – für Bayern will und muss man sich alle Optionen offenhalten, denn eine Regierung ohne CSU-Beteiligung scheint ausgeschlossen. Gleichzeitig haben sich die Liberalen beim Landesparteitag im November mehr Selbstbewusstsein verordnet: Sie wollen eigene Ampel-Erfolge wie Cannabis-Legalisierung oder Aktienrente betonen, generell weniger hadern.
FDP-Urgestein Albert Duin, selbst Landesvorsitzender in der außerparlamentarischen Opposition von 2013 bis 2017, gibt sich zuversichtlich: Entgegen seiner ursprünglichen Prognose gebe es eine ganze Menge Unterstützung durch die mitregierende Bundes-FDP. "Und da wird mehr kommen." Wahr ist aber auch: Wie die bundespolitische Großwetterlage vor der Landtagswahl im Oktober sein wird, wissen nicht mal die Vertreter des Meinungsforschungsinstituts Insa, mit denen sich die Liberalen zum Abschluss ihrer Winterklausur am Samstag beraten.
Wissing: Auch Bayern soll profitieren
Auch Parteikollege Volker Wissing, Bundesminister für Verkehr und Digitales, verspricht Gutes aus Berlin. Er nennt das geplante "Deutschlandticket" für Bus und Bahn, das im April starten soll. Und er sagt zu, fast in alter CSU-Manier, Bayern bei verkehrspolitischen Wohltaten nicht zu vergessen. Konkret wird Wissing nicht, kündigt nur einen schnelleren Ausbau von Radwegen und Verkehrsstraßen an. Dass sein Haus beim CO2-Sparen im Verkehrssektor versage, wie ihm die Grünen zunehmend aggressiv vorwerfen? Wischt der Minister zur Seite, spricht von guten Gesprächen in der Koalition.
Im Landtagswahlkampf will Wissing in Bayern auftreten, danach ein regionales Bier genießen. Allerdings wollen die Liberalen im Freistaat vor allem auf eigene bayerische Themen setzen statt auf die Bundespolitik. Ein Beispiel: Bauen und Wohnen. 64 Maßnahmen haben die FDP-Abgeordneten beschlossen, damit soll schneller und günstiger neuer Wohnraum entstehen – gerade in großen Städten wie München, wo vergleichsweise viele potenzielle FDP-Wähler leben.
Landtags-FDP: BayernHeim gehört "ersatzlos abgeschafft"
Digitale Kommunikation mit den Baubehörden, keine Grunderwerbssteuer für die erste selbst genutzte Wohnung und viel weniger Vorschriften: Man habe "bessere Lösungsvorschläge" als die Staatsregierung, sagt Sebastian Körber, baupolitischer Sprecher der Liberalen. Die Baubemühungen des Freistaats hält er für gescheitert – die staatliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim gehöre "ersatzlos abgeschafft und sofort liquidiert". Die frei werdenden Geldmittel seien viel besser aufgehoben bei kommunalen Bauträgern oder Baugenossenschaften.
Ein anderer FDP-Schwerpunkt: Wirtschaft, Finanzen, Innovation. Hier sehen die Liberalen ihre Kernkompetenzen – und setzen große Stücke auf einen prominenten Seitenwechsler: Fraktionszugang Franz Josef Pschierer, früher CSU und bayerischer Wirtschaftsminister. Auch er präsentiert in Seeon ein Positionspapier: Die Landtags-FDP will Gründungen und Start-Ups im Freistaat erleichtern, enger mit skandinavischen Ländern und Taiwan zusammenarbeiten, mehr Schutz vor Industriespionage.
Inflation, Stammstrecke, "Zukunftsmuseum", Zuwanderung
Aber Positionspapiere sind vermutlich nur ein Baustein, um einen Wahlkampf erfolgreich zu gestalten. Das gilt auch für den Forderungskatalog "FDP pur", den Hagen zuletzt vorgestellt hat – samt dem Ruf nach nochmal längerer AKW-Laufzeit, Fracking in Deutschland und Steuersenkungen. Welche Themen letztlich dominieren werden, ob die Menschen im bayerischen Spätsommer und Herbst über Bauen und Innovationen diskutieren oder über ganz andere Sachen, das fällt bislang ebenfalls in die Kategorie Kristallkugel.
Die Landtags-FDP sieht sich laut Hagen jedenfalls gerüstet auf allen Politikfeldern. Zum Abschluss ihrer Winterklausur wollen die Abgeordneten noch zusammen mit ihren Bundestagskollegen ein Papier zur Inflations-Bekämpfung vorstellen. Das können sie allerdings gleich an den eigenen Parteivorsitzenden Christian Lindner weiterleiten, der als Bundesfinanzminister an entscheidender Stelle arbeitet.
Die bayerischen FDP-Abgeordneten setzen auch auf die nahenden Untersuchungsausschüsse zur zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke und zu den Mietkosten des Nürnberger "Zukunftsmuseums", wo die Liberalen CSU-Klüngel wittern. Hagen rechnet zudem damit, dass Migration und Flucht in den nächsten Monaten wieder ein dominierendes Thema wird. "Wir brauchen mehr Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt, aber weniger Zuwanderung in unsere Sozialsysteme", sagt er. Derzeit gebe es zu viel "illegale Migration".
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