Versteckte die katholische Kirche Missbrauchstäter im Ausland?
Bildrechte: BR
Bildbeitrag

Priester steht vor einem Flugzeug

Bildbeitrag
>

Wie Missbrauchstäter in der Kirche geschützt wurden

Wie Missbrauchstäter in der Kirche geschützt wurden

Über Jahrzehnte haben mutmaßliche Sexualstraftäter in der katholischen Kirche Minderjährige missbraucht. Über ein perfides System wurden die Taten vertuscht und die Täter geschützt. Ein weiteres Missbrauchsopfer hat sich nun dem BR anvertraut.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Kellerbar, die Sauna, das Bett einer Ferienwohnung. Das seien Tatorte gewesen, an denen der katholische Priester Dieter Scholz Jürgen G. über Jahre hinweg missbraucht habe. Der Betroffene meldete sich aufgrund einer Berichterstattung bei report München. Das Rechercheteam der Politikmagazine report München und Kontrovers sowie des ARD-Studios Río de Janeiro fand heraus, dass die katholische Kirche mutmaßliche Sexualstraftäter in Südamerika eingesetzt hat. So auch Dieter Scholz, den Priester aus dem fränkischen Wallenfels.

Einen Missbrauch an mehreren Jungen gesteht Scholz selbst in persönlichen Aufzeichnungen, die dem BR auszugsweise vorliegen. Darin hatte er etwa Körpermaße seiner Opfer notiert, die er penibel vermaß. Auch seine Missbrauchstaten dokumentierte der Pfarrer: "Sn m Sb": Sauna mit Selbstbefriedigung, so heißt es zum Beispiel in Notizen aus den 70er Jahren.

Missbrauch hinterlässt tiefe Wunden bei G. – bis heute

Jürgen G. war in den 80er Jahren Ministrant bei Pfarrer Scholz in Wallenfels. Besonders in Erinnerung eine Ferienreise in Österreich: "Im Doppelbett, der Pfarrer links, ich rechts, ging es mit Zärtlichkeiten los." Als Jürgen G. die Annäherungsversuche ablehnte, habe Scholz sich neben ihm hörbar selbst befriedigt, erzählt er in der Kontrovers-Story.

Jürgen G. leidet heute noch unter Schlaflosigkeit, Unruhe und Reizbarkeit. G. wandte sich an mehrere Stellen der katholischen Kirche. Kürzlich bat ihn der Erzbischof von Bamberg in einer E-Mail um Verzeihung.

Zur Kontrovers-Story: Versteckte die katholische Kirche Missbrauchstäter im Ausland?

Erzbistum war seit Jahrzehnten informiert

Erstmals haben Jugendliche bereits 1963 Missbrauchsvorwürfe gegen Scholz erhoben. Das Erzbistum Bamberg erlaubte ihm dennoch, für fünf Jahre als Missionar nach Bolivien zu gehen. 30 Jahre später folgte ein zweiter längerer Aufenthalt des Pfarrers. In beiden Fällen sollen Missbrauchsfälle im Erzbistum Bamberg vorausgegangen sein.

Scholz vergab Stipendien

Scholz wirkte unter anderem in dem indigenen Dorf San Antonio de Lomerío im Urwald Boliviens, nannte sich "Padre Humberto". Er genoss hohes Ansehen: Einige Familien benannten sogar ihre Söhne nach ihm, sagt der Bürgermeister. Etliche Familien in dem Dorf waren finanziell von Scholz abhängig. Denn Scholz vergab etwa spendenfinanzierte Stipendien an Jugendliche und ermöglichte ihnen dadurch ein Studium. Vor der Kamera redet jedoch nur ein einziger: Er erzählt von großzügigen Geschenken und Einladungen in Scholz' Haus: "Er bot mir an, wenn du dich ausruhen willst, hier ist mein Zimmer."

Dieter Scholz ist kein Einzelfall. Josef Ludwig Zottmann, ehemaliger Pfarrer im Erzbistum Eichstätt, soll Schulmädchen missbraucht haben. Sogar ein Haftbefehl lag gegen ihn vor. Doch auch er ist im Ausland untergetaucht – das Erzbistum zahlte ihm weiterhin ein Gehalt, unter anderem getarnt als "Missionsspende".

Systematische Vertuschungen durch die katholische Kirche?

Dem Rechercheteam von report München und Kontrovers sind weitere Fälle von Priestern mit Missbrauchsgeschichte bekannt.

Auch die Juristin und Mediatorin Bettina Janssen stieß im Zuge einer Aufarbeitungsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz auf weitere Fälle - darunter Priester, die der Strafverfolgung entzogen wurden. Priester seien teilweise unter falschem Namen geführt worden, Geld floss über Konten und V-Männer. Immer sei es darum gegangen, die Täter außerhalb der Bistumsgrenzen unterzubringen.

BR-Bericht über Missbrauch von Pfarrer Scholz hilft Jürgen G.

Jürgen G. ist von der katholischen Kirche bereits als Opfer anerkannt. Doch nun hat er weitere Belege für das Ausmaß des Missbrauchs. Fünf Jahre lang hat der Pfarrer ihn missbraucht, das belegen Pfarrer Scholz' eigene Aufzeichnungen.

In einem Gespräch mit der Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Bamberg soll der Fall von Jürgen G. deshalb noch einmal neu bewertet werden. Erst nach zwei Stunden verlässt G. den Raum. Sein Antrag auf Anerkennung des Leids durch den sexuellen Missbrauch von Pfarrer Scholz sei ergänzt worden, sagt Jürgen G.: "Es hat lange gedauert (…) Und ich bin froh, dass das hinter mir ist. Aber es hat mir sehr geholfen".

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!