"Gut zuhören: Das ist in weniger als neun Monaten entstanden. Es hat nur neun Monate gedauert. Dann war es fertig." Langsam, überdeutlich und mit Wiederholungen beschreibt Museumspädagogin Kornelia Weiß einer Gruppe von Besuchern die Besonderheiten des Markgräflichen Opernhauses. Sie nimmt immer wieder Hilfsmittel wie Bilder zur Hand oder erklärt den verschachtelten Bau des Hauses am Beispiel eines Lego-Modells.
Denn: Bei dieser Führung durch Bayreuths Welterbe sind Menschen dabei, die an einer Aphasie leiden. So wie Albin Engelhardt-Friebe. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen und betont: "Ich bin halbseitig rechts gelähmt und das Sprachzentrum ist beeinträchtigt. Aber das Hirn ist noch da!".
Leichte Sprache zum Beispiel für Menschen mit Aphasie
Als Aphasie bezeichnet man eine erworbene Sprachstörung, die durch Hirnverletzungen auftritt. Ursache sind meist Schlaganfälle. Aphasien können unterschiedlich ausgeprägt sein. "Keine ist gleich. Aphasien sind Sprachstörungen, keine Sprechstörungen. Die meisten Betroffenen haben aber ein sehr gutes Sprachverständnis, wenn man auf eine bestimmte Art und Weise mit ihnen kommuniziert", so Heike Frankenberger vom Beratungszentrum Oberfranken für Menschen nach erworbener Hirnschädigung e.V.
Nämlich mit "leichter Sprache". Das bedeutet laut Frankenberger: kurze Sätze, wenige Fremdwörter und idealerweise eine ruhige Umgebung. "Es ist wichtig, sich auf sein Gegenüber zu konzentrieren, langsam zu reden und viel Gestik und Mimik einzusetzen."
Hoher Stellenwert: Barrierefreiheit im Museum
Um das zu beherrschen, hat Museumspädagogin Kornelia Weiß Fortbildungen besucht und ihren üblichen Vortrag an das Gelernte angepasst. "Es war viel zu lange, viel zu viele Details und die Satzkonstruktionen waren viel zu schwierig. Ich habe dann versucht, zu reduzieren und Wörter zu zählen. Am Ende sind 25 Minuten übriggeblieben."
Dass barrierefreie Führungen im Museum Markgräfliches Opernhaus angeboten werden können, sei der Bayerischen Schlösserverwaltung sehr wichtig, so Cordula Mauß, die unter anderem für das Markgräfliche Opernhaus zuständig ist, im Gespräch mit BR24. "Welterbe setzt eine Universalität voraus. Es soll für alle Menschen dieser Welt eine Bedeutung haben und zugänglich sein. Das Museum wurde daher von vornherein inklusiv geplant, es ist keine zusätzliche Option, sondern verankert im Haus", so Mauß. Im Museum selbst ist jedes Stockwerk mit einem Aufzug zu erreichen.
"Mehr-Sinne-Prinzip": Fühlen, riechen, hören
Das Museum arbeitet zudem mit einem "Mehr-Sinne-Prinzip". Inhalte können auf Schautafeln gelesen werden – auch in Brailleschrift. Sie sind aber auch zu hören, teilweise zu riechen, zu fühlen, und mittels eines Vibropads sind Musikschwingungen sogar zu spüren. Durch das gesamte Museum führt zudem ein Leitstreifen, der mit dem Blindenstock ertastet werden kann.
"Wir wollen mit vielen unterschiedlichen Medien die Inhalte des Museums näherbringen. Und das nicht nur nebenbei", so Cordula Mauß von der Bayerischen Schlösserverwaltung. Auf der Internetseite des Museums finden sich zusätzliche Angebote in Gebärdensprache und die Möglichkeit, spezielle Apps herunterzuladen, die den Museumsbesuch vereinfachen sollen.
Grenze: Denkmalschutz und Fachpersonal
Die Resonanz sei bisher positiv, die Nachfrage nehme zu. Doch Herausforderungen gebe es immer wieder, so Cordula Mauß. Vor allem den Denkmalschutz betreffend. "Nicht überall darf man einen Aufzug einbauen", nennt Mauß eines der Hindernisse. Im Opernhaus ist zum Beispiel die Fürstenloge mit dem Rollstuhl nicht zu erreichen. Albin Engelhardt-Fichtel nimmt es mit Humor: "Man muss auch nicht den Mount Everest besteigen. Das passt schon so. Ich bin einfach froh, dass mit dem Rollstuhl hier überhaupt so viel möglich ist."
Und noch eine Hürde gibt es: Jemanden zu finden, der die auf besondere Bedürfnisse zugeschnittenen Führungen machen kann. "Da hat es mehrere Aufschläge gebraucht, bis wir fündig wurden", so Cordula Mauß. Die Führungen für sehbehinderte Menschen übernimmt nun jemand mit Erfahrung aus anderen Museen in Bayreuth. Über den Fachverband für Gebärdensprache konnte auch jemand gefunden werden, der sich dafür begeistern ließ. "Das war ein glücklicher Zufall, nicht immer findet sich jemand, der im Nebenberuf Museumsführer werden will", lächelt Mauß.
"Sowas bekommen wir sonst nicht angeboten"
Dass es im Markgräflichen Opernhaus Führungen in leichter Sprache gibt, war auch für Aphasiker Edwin Schubert ein Gewinn. Seit einem Schlaganfall leidet er an Wortfindungsstörungen. "Ich bin dankbar für das Angebot. Ich kann manchmal nicht mehr so schnell folgen, das hier ging jetzt aber sehr gut", freut er sich bei seinem ersten Besuch im Opernhaus. Hans-Dieter Fichtel ergänzt: "Wir haben uns sofort angemeldet, weil wir sonst auch sowas nicht angeboten bekommen."
Im Bayreuther Opernhaus Museum soll es weitere Sonderführungen geben. In den kommenden Wochen zum Beispiel auch für Menschen mit einer Hör- oder Sehbehinderung.
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